Witten. . Die FSZ GmbH will Areal neben Ostermann in Witten-Rüdinghausen 600 000 Tonnen „Ersatzbaustoffe“ aufschütten, um es für Gewerbe vorzubereiten.

Es geht um hunderttausende Tonnen Schutt und Schlacke: Die „FSZ Witten Verwaltungs- und Grundbesitz GmbH“ will die alte Thyssen-Deponie und -Erweiterungsfläche in Rüdinghausen aufschütten lassen. Man wolle einen festen Boden schaffen, um darauf Gewerbe ansiedeln zu können. Doch es gibt erhebliche Bedenken der Stadt Witten.

Stadt und FSZ streiten um Notwendigkeit der Auffüllung

Derzeit laufen Gespräche zwischen Stadt und dem für Umweltfragen zuständigen EN-Kreis sowie der FSZ, der das Gelände neben Ostermann gehört. Konkret geht es der FSZ darum, rund 600 000 Tonnen „Ersatzbaustoffe“ gegen Entgelt auf dem Areal abzuladen: Ofenschlacken, Gießereisande, Bauschutt, Schotter, Kesselaschen, wie es in einem Verwaltungsschreiben heißt. Darin ist die Rede von einer Bauzeit von 24 bis 36 Monaten. In dieser Zeit würde es zu 50 400 „schweren Sattelfahrzeug-Bewegungen“ durch Rüdinghausen kommen. Dies wären über 25 000 Lastwagen.

Gespräche gab es immer wieder, zur Einigung kam es noch nicht. In der jetzigen Form könne der FSZ-Antrag nicht genehmigt werden, heißt es in einem Verwaltungsschreiben aus Juli. Es gebe „unterschiedliche Auffassungen“ und „Bedenken der Behörden“. Ein von der Stadt beauftragter Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass für eine Gewerbebebauung eine Auffüllung in dieser Form nicht nötig sei. Voraussetzung sei nur „eine den Regeln der Technik entsprechende Verdichtung der künftigen Baufelder“, heißt es in einem Februar-Schreiben. Einer der größten Streitpunkte.

Um dort Gewerbe anzusiedeln, sei eine immense Auffüllung nötig, betont dagegen FSZ-Geschäftsführer Heinz Hetschold. Nur mit einer Übererdung gebe es „keine Tragfähigkeit“. Wer dort bauen wolle, müsse Pfähle in die Erde rammen, um in tragfähige Erdschichten zu gelangen – was wegen der Altlasten auch zu Grundwasserbelastungen führen könne. Solch „lange Erkundungen“ werde kein Unternehmer auf sich nehmen, glaubt Hetschold. Durch das Aufschütten der 600 000 Tonnen – angeblich umweltverträglich – würde eine „marktfähige, für jedes Gewerbe taugliche Fläche“ geschaffen, verspricht er.

„Laborkontrollen nicht möglich“

Und auch sonst versucht die FSZ ihr Vorhaben möglichst gut zu verkaufen: Der Lkw-Verkehr – laut FSZ vier Lastwagen stündlich – sei ein „beherrschbares Problem“, glaubt Hetschold. „Niemand wird dadurch belästigt.“ Die Lkw sollen von der A44 über die Dortmunder und die Fredi-Ostermann-Straße und über eine noch zu bauende Baustellenrampe direkt auf die alte Deponie fahren und auch diesen Weg zurück. Ein eigenes Gutachten spreche dafür, dass Verkehrs- und Staubbelastung „verträglich“ seien. Sowohl vor der Abfahrt der Lkw wie auch an der Baustelle auf dem Areal würden die Stoffe überprüft.

Doch es gibt Bedenken. Im April 2015 schreibt die Stadt kritisch von 100 Lkw-Bewegungen täglich und das „mit entsprechender Lärm- und Staubentwicklung“. Ergebnis: Eine „seriöse Überwachung mit Laborkontrollen“ sei „nicht ansatzweise möglich“, urteilte Bürgermeisterin und Wirtschaftsdezernentin Sonja Leidemann. Dass die Stadt weiter eine gemeinsame Lösung sucht, ist keine Überraschung: Sie braucht die Fläche. „Mit gut neun Hektar würde die Thyssendeponie einen guten Teil des Gewerbebedarfs abdecken“, resümiert die Verwaltung. Mittlerweile haben beide Seiten einen Mediator eingeschaltet.

Fahrsicherheitszentrum scheiterte auf alter Deponie 

Um das ehemalige Thyssen-Gelände, das sich zwischen dem Wittener Technologiepark an der Stockumer Straße und Ostermann befindet, wird schon lange gerungen. Der Plan, auf der alten Deponie- und Werkserweiterungsfläche ein Fahrsicherheitszentrum für Lastwagen aufzubauen, war vor Jahren gescheitert. Potenzielle Investoren waren nach langer Planung abgesprungen.

Die Projektidee war im Jahr 2000 durch den heutigen Vorsitzenden der Wittener Bürger Gemeinschaft (WBG), Siegmut Brömmelsiek, geboren. Heute ist Brömmelsiek einer der Hauptkritiker der möglichen 600 000-Tonnen-Aufschüttung. 2005 kam es sogar zum symbolischen Baubeginn, zum wirklichen Startschuss aber nie.

Gesellschafter sprangen ab

Stattdessen kamen und gingen die Gesellschafter der „FSZ“ (Fahrsicherheitszentrum): 2009 verkaufte Brömmelsiek seine Anteile, drei Jahre später der heutige FSZ-Geschäftsführer Heinz Hetschold. Auch der Bottroper Unternehmer Jürgen Becker ging – um das Image der FSZ nicht zu beschädigen, heißt es. Die Becker GmbH, die Industrieabfälle entsorgt, war in verschiedene Umweltskandale verwickelt. Sie ist noch vertraglich an Thyssen gebunden, um die ehemalige Thyssen-Deponie an der Friedrich-Ebert-Straße „abzuschließen“, meint: die Oberfläche abzudichten.

Die Thyssen Liegenschaften und Verwaltungs- und Verwertungs-GmbH betrieb die Deponie bis zum Erreichen der Kapazitätsgrenze 2004. Bei dem zweiten Teil handelt es sich um eine alte Werkserweiterungsfläche von Thyssen, auf der bis Mitte der 80er Jahre auch Abfälle gelagert wurden. 2014 verkaufte Thyssen das Areal schließlich an die FSZ-Witten Verwaltungs- und Grundbesitz GmbH, die dort nun die Baustoffe abladen lassen will.

Sechs Millionen Euro für 600 000 Tonnen

Mit der Aufschüttung der Fläche könnten die Beteiligten mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits könnten Thyssen und die Becker GmbH die alte Deponie „abschließen“ und so ihre Verpflichtungen erfüllen. Mit der Aufschüttung von „Ersatzbaustoffen“ durch verschiedene Entsorgungsunternehmen würde die FSZ etwa sechs Millionen Euro verdienen, heißt es (600 000 Tonnen mal etwa zehn Euro pro Tonne). Nach eigenen Angaben bleibe unter dem Strich kaum etwas. Zu teuer sei die Erschließung des Geländes, wie der Bau einer Zufahrt für die Lastwagen, so die FSZ. Lukrativ sei das Vorhaben erst, wenn man am Ende Gewerbe dort ansiedeln könnte. Das wiederum käme auch der Stadt entgegen: Sie ist weiter arm an Gewerbeflächen. Nur: Ob die Aufschüttung überhaupt nötig ist, ist eben noch strittig.

Zu den schärfsten Kritikern des Mammut-Projekts gehört der Vorsitzende der Wittener Bürger Gemeinschaft und frühere FSZ-Gesellschafter Siegmut Brömmelsiek. Der WBG-Chef ist der Ansicht, die Ansiedlung von Gewerbe (etwa Logistikhallen) sei auch ohne diese Menge an „Ersatzbaustoffen“ möglich. Er sieht in der Auffüllung rein kommerzielle Interessen der FSZ.

„Unkontrollierbare Mehrbelastung“

Und, so glaubt Brömmelsiek: „Zusätzliches, kontaminiertes Material“ berge „erhebliches Gefahrenpotenzial“, der anfallende Schwerlastverkehr führe zu „langjähriger, unkontrollierbarer Mehrbelastung“. Durch die schräg angelegte Aufschüttung verliere man dreieinhalb Hektar Gewerbefläche, fürchtet er. Die FSZ spricht von einem Hektar Verlust. Dass er nach dem Aus des Fahrsicherheitszentrums und dem Rückzug aus der FSZ mit seiner Kritik nun „nachtrete“, weist der WBG-Chef zurück. „Mir geht es ums Gewerbegebiet und die Stadtteile Annen und Rüdinghausen.“