Witten. Der Fraktionsvorsitzende der Wittener Piraten hat sein Ratsmandat niedergelegt. So erklärt Stefan Borggraefe (46) nun seinen Rücktritt.
Der wohl bekannteste Pirat der Stadt tritt zurück. Stefan Borggraefe hat am Freitagmorgen (10.2.) sein Ratsmandat und alle damit verbundenen Gremiensitze und Ämter niedergelegt. Zuvor war gemunkelt worden, dass der 46-Jährige zu den Grünen wechseln könnte, auch liefen schon längere Zeit Gespräche zwischen den beiden Fraktionen bezüglich einer Fusion. Nun aber dieser unerwartete Schritt.
„Ich bin nicht mehr davon überzeugt, dass die Piratenpartei in Deutschland eine Zukunft als relevante politische Kraft hat und glaube persönlich nicht mehr, dass wir zur Kommunalwahl 2025 noch mal antreten werden“, schreibt Borggraefe in einer persönlichen Erklärung auf der Webseite der Piraten. Dennoch bleibt der Wahl-Wittener noch Parteimitglied. Das aber eher „aus Tradition oder Liebhaberei“, wie er sagt.
Rückzug aus der aktiven Wittener Politik
Aus der aktiven Politik möchte er sich aber zurückziehen. Sein Statement im Internet ist für ihn ein „Schlussakkord“. Über seine Entscheidung sprechen möchte er deshalb auch nicht wirklich. Seinen Schritt begründet er zum einen mit den fehlenden Strukturen innerhalb der Partei, die die lokale Arbeit immer mehr erschwert hätten. Es gebe mittlerweile auch vor Ort einfach zu wenige Mitglieder – in Witten sollen es rund 30 Mitglieder in der Datenbank sein. Etwa fünf davon seien mehr oder minder aktiv.
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Aber auch persönliche Gründe haben zu dieser Entscheidung geführt. „Da ich mich immer sehr klar gegen Rechts und gegen Verschwörungsideologien positioniert habe, bin ich immer wieder Angriffen aus dieser Ecke ausgesetzt“, so Borggraefe. 2022 wurde der Politiker im Netz sogar mit dem Tod bedroht. Schon mehrfach kam es zu Gerichtsverhandlungen. Zudem habe er seit 2020 „aber auch skrupellosen Verrat“ erlebt und Versuche, seinen Ruf zu schaden. „Dies hat leider auch gesundheitlich Spuren bei mir hinterlassen“, erklärt Borggraefe.
Fusion mit den Grünen ist gescheitert
So war etwa Ende 2021 Patrick Bodden als Ratsmitglied von den Piraten zum Stadtklima gewechselt und hatte sein Mandat mitgenommen. Die Piraten-Fraktion schrumpfte auf zwei Sitze. Im Mai 22 legte dann Ratsfrau Elaine Bach aus persönlichen Gründen ihr Mandat nieder. Seitdem saß Detlef Steinert neben Borggraefe im Rat. Frei wird mit Borggraefes Rückzug nun auch sein Sitz im Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit, im Wahlprüfungsausschuss, im Integrationsrat oder in der Kommission für Digitalisierung des Stadtrats.
Um bis 2025 in „besser funktionierenden Strukturen sinnvoll arbeiten zu können“, hatte die Piratenfraktion beschlossen, mit der Grünenfraktion über eine mögliche Fusion zu beraten. „Leider konnten diese Gespräche aber bis heute nicht zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden“, sagt Borggraefe nun, ohne weitere Einzelheiten nennen zu wollen. Der Zusammenschluss hätte auch ihn persönlich entlastet, so der IT-Experte, etwa weil er dann nicht mehr Fraktionsvorsitzender gewesen wäre.
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Um die Gesundheit und das eigene Glück kümmern
Nun sei er nicht mehr bereit, weitere zweieinhalb Jahre seines Lebens bis zum Ende der Wahlperiode in das Ratsmandat zu investieren. „Mein Akku ist leer“, schreibt er. „Ich muss mich dringend jetzt erst mal eine Zeit lang um meine Gesundheit und mein persönliches Glück kümmern.“ Dazu beigetragen hat auch, dass Maria Bach, die acht Jahre lang Fraktionsgeschäftsführerin der Piraten war, mit ihrem aus Panama stammenden Mann in dessen Heimat gezogen ist. Borggraefe verliert dadurch eine „wichtige und strategisch brillante Mitstreiterin“.
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Und wie geht es jetzt weiter? Voraussichtlich wird Steinerts Ehefrau Sylvia die Nachfolge von Borggraefe antreten. Sie steht auf Platz 9 der Reserveliste der Partei. „Sie wollen gemeinsam die Fahne der Piraten weiter hochhalten“, sagt Wahlamtsleiter Michael Muhr. Noch sei es aber nur eine mündliche Zusage. „Wir haben erst am Donnerstagabend von der Entscheidung erfahren“, sagt die 61-Jährige. „Ich muss das jetzt erst einmal verdauen.“
Das Pikante: Nach dem Ehepaar Steinert stehen nur noch zwei weitere Menschen auf der Reserveliste der Piraten: Tina Gambalat (Platz 10) und Roland Löpke (11). Beide haben sich nach internem Zwist im Vorfeld der letzten Kommunalwahl aber aus der Partei zurückgezogen, Gambalat ist sogar ausgetreten. Beide engagieren sich mittlerweile beim Bürgerforum. Sollte das Ratsmandat letztendlich unbesetzt bleiben, verlören die Piraten damit auch ihren Fraktionsstatus. Der Kreisverband EN steht derweil ohnehin vor seiner Auflösung.