Witten. Ein Wittener Politiker hat über soziale Medien Todesdrohungen erhalten. Die hat wohl einer der Wittener „Spaziergänger“ geschickt.
Beleidigungen und Anfeindungen sind in den sozialen Netzwerken mittlerweile an der Tagesordnung. Gerade wenn es um die aktuelle Corona-Politik geht, brechen in den Kommentarspalten von Facebook (fast) alle Dämme. Hass und Häme ergießen sich dabei gerne über Lokalpolitiker. Eine Todesdrohung hat nun der Wittener Chef-Pirat Stefan Borggraefe erhalten, sehr wahrscheinlich von einem der „Spaziergänger“, die jeden Montag gegen die „Impf-Apartheid“ auf die Straße gehen.
„Du entkommst mir nicht. Ich schmeiß dich höchstpersönlich in die Bio-Mülltonne“, hat der Wittener in der vergangenen Woche bei Facebook veröffentlicht. Und um noch deutlicher zu werden: „Captain Kidd (ein schottischer Freibeuter, Anmerkung der Redaktion) wurde 1701 wegen Piraterie exekutiert. 2022 werden wieder Piraten hängen...“ Dazu eine historische Zeichnung von der Hinrichtung des William Kidd und ein „Gruß“ an das Mitglied der „NSDAPiratenpartei“, also Stefan Borggraefe.
Wittener Piraten-Chef hat Anzeige wegen Bedrohung gestellt
Der Ratsherr hat den Vorfall bei Facebook gemeldet, die Inhalte wurden daraufhin gelöscht. Es gibt aber Screenshots der Drohungen. Borggraefe hat sie an die Polizei weitergeleitet und Anzeige erstattet. Auch dieser Redaktion liegen sie vor. Zu sehen ist darauf ebenfalls der Klarname des „Absenders“. Dieser ist Mitglied der Telegram-Gruppe, über die die montäglichen „Spaziergänge“ der Impfkritiker organisiert werden. Borggraefe gibt an, von derselben Person schon zuvor bedroht worden zu sein, vor einem Jahr habe er den Mann schon einmal angezeigt.
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Wie die Polizei Bochum bestätigt, ermittelt der Staatsschutz in dem aktuellen Fall. „Entsprechende Maßnahmen (strafverfolgender und gefahrenabwehrender Natur) wurden eingeleitet“, so eine Sprecherin. Darunter falle auch eine Beurteilung der Gefährdungslage. Im Rahmen der Ermittlungen sei bereits ein Tatverdächtiger aufgesucht worden.
Regelmäßig wird Lokalpolitikern körperliche Gewalt angedroht
Solche expliziten Drohungen, wie er sie nun erhalten hat, seien zwar selten, sagt Stefan Borggraefe. Körperliche Gewalt bekomme er aber regelmäßig angedroht. Und er ist nicht der Einzige. Auch Eckhard Hülshoff (Die PARTEI) kann davon ein trauriges Lied singen.
Seit Herbst 2020 sitzt er im Stadtrat. Er habe dann „sehr schnell“ Hassbotschaften über Facebook bekommen. Aber seit er bei den Gegenkundgebungen zu den „Spaziergängen“ auch immer wieder das Mikro ergreife, hätten die Beleidigungen noch einmal „richtig Fahrt aufgenommen“: Bis zu zehn Hassnachrichten am Tag, zwei bis drei konkrete Bedrohungen in der Woche.
Politiker wird für sein Äußeres angegriffen
Die Bandbreite reiche dabei von Beschimpfungen unter der Gürtellinie bis hin zu Todesdrohungen. Oft werde er wegen seines Äußeren verunglimpft, sagt der 50-Jährige. Sehr oft würden die Hassbotschaften über anonymisierte Profile an ihn geschickt. Ein paar wenige beschimpfen den Politiker aber auch mit ihrem echten Namen. Auch Hülshoff hat bereits Anzeige erstattet – ebenfalls gegen einen „Spaziergänger“.
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„Ich hab ein dickes Fell und eine große Klappe, ich kann mich wehren“, sagt Eckhard Hülshoff. „Wer soll sich dem stellen, wenn nicht wir?“ Für ihn sind es die, die „am lautesten Meinungsfreiheit einfordern, die dann keine andere Meinung als ihre eigene ertragen“. Das Ziel der Hassbotschaften ist für ihn klar: „Die wollen, dass man klein beigibt und den Mund hält.“
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Das kommt für den studierten Juristen aber nicht in Frage. Zwar habe er, als er vor anderthalb Jahren in die Politik gegangen sei, nicht gedacht, dass es „so heftig“ werde. Er fühle sich in Witten aber weiterhin sicher. Dennoch: „Ein ungutes Gefühl bleibt aber immer. Man weiß ja nicht, wie sich der Hass weiterentwickelt und wie solche Menschen reagieren, wenn man sie auf der Straße trifft.“
Bisher keine konkrete Gefahr für Politiker in Witten
Konkrete Gefährdungen für Politiker sowohl von linksgerichteten als auch rechtsgerichteten Parteien, sind der Polizei für Witten bisher nicht bekannt geworden, so eine Behördensprecherin. Im Wesentlichen würden sich die von Politikern angezeigten Straftaten auf Beleidigungen und niederschwellige Bedrohungen beziehen, aus denen sich in der Bewertung keine konkreten Gefährdungen ergeben würden. Man beobachte die Situation aber genau und reagiere umgehend nach Bekanntwerden entsprechender Vorfälle.