Witten. Die Nationalmannschaft muss bei der WM schon früh die Segel streichen. Auch in Witten wurde das Aus verfolgt. Wie sind die Reaktionen?

Das war’s. Die deutsche Nationalmannschaft ist trotz des 4:2-Sieges gegen Costa Rica zum zweiten Mal nacheinander in der Vorrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft ausgeschieden. In Witten kam die Euphorie in allen drei Spielen nicht wirklich auf. Die Enttäuschung ist jetzt aber trotzdem groß.

„Mit hat der Biss gefehlt“, sagt Herbert Schremmer, Vorsitzender des VfB Annen. Er selbst hat sich das Spiel angeschaut. Auf ein großes Rudelgucken im Vereinsheim wurde aber verzichtet. „Wir sind nicht gegen Costa Rica ausgeschieden, das Problem war die Partie gegen Japan im ersten Spiel.“ Aber auch gegen den Fußballzwerg Costa Rica hätte er sich mehr gewünscht. „Wenn wir 1:0 führen, erwarte ich, dass wir noch mehr auf einen weiteren Treffer gehen.“

Vereinschef in Witten hofft auf weitere Chance für Flick

Der Vereinschef hält Nationaltrainer Hansi Flick trotzdem noch für den richtigen Mann an. „Er hat ein schweres Erbe übernommen. Ich finde, man sollte ihm noch eine Chance geben.“ Er ist auch kein Fan von Rücktritten älterer Spieler, wie ihn nun Thomas Müller angedeutet hat. „Es geht nicht um das Alter, sondern um die Leistung. Deswegen hätte auch Mats Hummels mitfahren müssen“, sagt Schremmer.

Bei einer nicht repräsentativen Facebook-Umfrage dieser Reaktion zeigt sich ein ähnliches Bild. „Wir brauchen wieder Spieler, die mit Stolz das Trikot der Nationalmannschaft tragen und alles dafür tun“, kommentiert ein Nutzer das frühe Ausscheiden. Es gibt aber auch diejenigen, die das Fieber gar nicht erst gepackt hatte. „Es ist mir total Hupe. Diese WM hätte nie stattfinden dürfen“, lautet ein Kommentar.

Ob die Mannschaft bei einem Weiterkommen richtig aufgedreht hätte? Lokalpolitiker Siegmut Brömmelsiek ist da skeptisch. „Das Erreichen der K.o.-Runde hätte uns mit dieser aufgestellten Truppe auch nicht weitergebracht.“

„Es lag ja nur bedingt in unserer Hand“

„Als hätte ich freitagabends kein Bier mehr“. So kommentiert Alte-Post-Wirt Thorsten Wottrich das Aus für die Deutschen in der Vorrunde der WM.
„Als hätte ich freitagabends kein Bier mehr“. So kommentiert Alte-Post-Wirt Thorsten Wottrich das Aus für die Deutschen in der Vorrunde der WM. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Ernüchtert zeigt sich auch die überschaubare Zahl der Rudelgucker, die das Spiel am Donnerstagabend in den Kneipen gesehen haben. „Peinlich“ ist ein Wort, das gleich mehrmals nach dem Abpfiff fällt. „Schade“, sagt Klara (22), die in der „Alten Post“ zugeschaut hat, wo sie manchmal auch kellnert. Wären die Deutschen weitergekommen, „hätte man noch länger mitfiebern können“.

„Ja, schade“, sagt auch Heinz, der die Partie im Klimbim verfolgt hat. „Es lag ja nur bedingt in unserer Hand“, spielt der 60-Jährige auf die unerwartete Niederlage der Spanier gegen Japan an. „Aber das ist Fußball. Wir hätten gegen Japan den Grundstein legen müssen.“ Heinz spricht auch die „Mentalitätsfrage“ an. „Sie hätten von Anfang an das bringen müssen wie gegen Spanien.“

Den jüngeren Spielern Zeit geben

Jetzt müssen man den jüngeren Spielen Zeit lassen, sich zu entwickeln, sagt Burkhardt (72), der ebenfalls am Tresen des Szenelokals im Wiesenviertel steht. „Die Bremse muss weg. Man sollte sie nicht immer in irgendein Schema zwingen.“ Ach ja, „und wenn’s um Mentalität geht, müsste man Jürgen Klopp holen.“ Der wurde in der BVV-Kneipe einst vergöttert und hing sogar als Bild an der Wand. Und was sagen die jungen Sportler? „Wir haben unsere Chance nicht genutzt“, meint Luis (22), der bei den Witten Baskets die Körbe wirft. Deshalb sei das Ausscheiden auch verdient.

Inzwischen leert sich die Kneipe an der Wiesenstraße. Auch in der „Alten Post“ ist nicht mehr viel los. Wirt Thorsten Wottrich (55) zapft noch mal ein Helles. Was er zum Ausscheiden in der Vorrunde sagt? „Das ist so, als hätte ich freitagabends kein Bier mehr.“

Jetzt wäre wieder Zeit für den Weihnachtsmarkt: Claudia Michalski musste nach dem WM-Aus der Deutschen ihren zehnjährigen Sohn trösten.
Jetzt wäre wieder Zeit für den Weihnachtsmarkt: Claudia Michalski musste nach dem WM-Aus der Deutschen ihren zehnjährigen Sohn trösten. © Theo Körner

Groß war die Enttäuschung auch in der Familie von Claudia Michalski (35), die sich zuhause das Spiel angeguckt hat. Ihr Sohn David (10) sei derzeit in einem echten Fußfallfieber, erzählt die Mutter, die am Freitag in der Stadt unterwegs ist. „Ihm kamen fast die Tränen.“ Auch Passantin Mariola Przygoda findet „es sehr schade, dass die deutsche Elf es nicht geschafft hat“. Sie hofft jetzt auf Polen.

Ein paar Meter weiter steht Ronny Neustadt (50), der eigentlich ganz gern Fußball schaut. Dass die WM nun ohne Deutschland weiterläuft, findet er nicht schlimm. Das gesamte Auftreten der Mannschaft gefalle ihm ohnehin nicht und Katar sei zudem nicht der richtige Ort. Na, denn. Nun bleibt jedenfalls genug Zeit für den Weihnachtsmarkt...