Witten. Die deutsche Nationalmannschaft hat ihr erstes Spiel bei der WM in Katar verloren. Aber interessiert das in Witten überhaupt jemanden?

Was haben wir in den vergangenen Jahren auf das erste Spiel der Deutschen bei der Fußball-WM hingefiebert! Dieses Jahr ist aber alles anders. Der sportliche Aspekt rückt fast in den Hintergrund, viel mehr dominieren die politischen Diskussionen. Auch in Witten ist das Interesse nicht wirklich groß.

Die Alte Post in der City hat sich dazu entschieden, die Spiele in diesem Jahr zu zeigen. Statt auf fünf Großbildschirmen zeigt Wirt Thorsten Wottrich das Auftaktspiel von Kimmich und Co. gegen Japan aber nur auf einem Gerät. Der große Ansturm bleibt aus. Zwei Gruppen junger Leute haben es sich an den Tischen gemütlich gemacht, einzelne verteilen sich an der Theke. Insgesamt sind rund 20 Leute vor Ort. Vergleichbar mit den Vorjahren ist das nicht. „Das ist echt nichts“, sagt Wottrich.

Keine politischen Diskussionen in Witten

Von den ganzen Diskussionen rund um die „One Love“-Binde oder den WM-Boykott ist in der Kultkneipe aber nichts zu hören. Als der Ball rollt, liegt der Fokus nur noch auf dem Spiel. „Ich bin gespannt, was der Trainer sich ausgedacht hat“, sagt einer. „Die Japaner haben zwei linke Füße“, sagt ein anderer. Bei einem Fehlpass im Mittelfeld geht ein Raunen durch die Post.

Alles wie immer also? Nicht ganz. Ein Stammtisch in der hinteren Ecke, der jeden Mittwoch vor Ort ist, hat Wottrich darum gebeten, den Fernseher in der Ecke nicht anzuschalten. Die Herren wollen das Spiel nicht sehen. Wie die Partie läuft, bekommen sie aber natürlich trotzdem mit. Beim 1:0 durch den Elfmeter von Ilkay Gündogan brandet Jubel in der Kneipe auf. Beim späten 1:2 der Japaner war es dann dementsprechend still. Das ist aber auch das Einzige, was etwas an WM erinnert. Fanartikel sind vergeblich zu suchen, auch die große Deutschlandfahne wurde nicht rausgeholt. Stattdessen sind überall kleine Holztannenbäume und Christbaumkugeln verteil. Es ist ja eben auch Weihnachtszeit.

Die Enttäuschung der Gäste in der Alten Post war nach der Niederlage groß.
Die Enttäuschung der Gäste in der Alten Post war nach der Niederlage groß. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Ein paar Meter weiter hat auch das Klimbim in der Wiesenstraße für das Spiel extra früher geöffnet. Ungefähr zwölf Leute schauen sich hier die Partie an. Das Ganze sieht aber mehr nach einem ganz normalen Kneipennachmittag als nach großem WM-Fieber aus.

Passanten genießen lieber das gute Wetter

Das sucht man in der City generell immer noch vergeblich. Zwar läuft das Spiel auch im Extrablatt, die meisten Leute sitzen aber lieber draußen und genießen das schöne Wetter. Andere sind gemütlich in der Stadt unterwegs und bummeln, so wie Jannes. Der 24-Jährige ist erst vor wenigen Wochen von Großbritannien nach Witten gezogen. „Ich muss gleich arbeiten und werde mir das Spiel nicht anschauen“, sagt er.

Wobei er die Euphorie, die bei so einem Turnier entstehen kann, im vergangenen Jahr hautnah erlebt hat. „Einige meiner Freunde waren beim Finale der Frauen-EM im Wembley-Stadion. Ich habe mir das auch im Fernsehen angeschaut. Da war schon eine gute Stimmung.“ Dass er sich das Deutschlandspiel nicht anschaut, habe aber nicht mit den politischen Diskussionen zu tun. „Ich bin eher Handballfan“, sagt er.

Das ganz große WM-Fieber bleibt also noch aus. Lediglich vor dem Kaufhaus Gassmann steht ein Wühltisch mit einer Deutschlandfahne und schwarz-rot-goldenen Hawaiiketten. Die Fanartikel warten aber vergeblich auf Käuferinnen und Käufer. Das 1:2 gegen Japan wird wohl auch nicht dazu beitragen, dass diese bald über den Ladentisch gehen.