Witten. Nach dem Zwangsumzug der Glühweinpyramide ist vom Weihnachtsmarkt am Berliner Platz in Witten nicht mehr viel geblieben. Es herrscht viel Frust.
„In der Weihnachtsbäckerei“ ist es auffällig ruhig geworden. Schausteller Andreas Nowag dreht die Musik am Kinderkarussell in diesem Jahr schon wegen einer kranken Nachbarin etwas leiser. Es könnte aber auch ein Symbol sein. Seit dem Zwangsumzug der Glühweinpyramide zum Rathaus ist auf dem Rest-Weihnachtsmarkt am Berliner Platz tote Hose. Die paar Händler, die ausharren, sind total frustriert. Auch der Handel leidet.
Im „Bonner Dorf“ vorm Rathaus in Witten ist selbst an einem verregneten Montagabend noch was los
Zugegeben, ein verregneter Montagabend taugt nicht wirklich für einen stichhaltigen Vergleich. Weder auf dem zentralen Weihnachtsmarkt am Rathausplatz noch auf dem Berliner Platz ist viel los. Aber immerhin: Während sich an die Crêpes-Bude am Berliner Platz im Laufe einer Viertelstunde gerade mal zwei Kunden verirren, am Kinderkarussell zwischen mehreren Leerfahrten noch ein Vater ein Ticket für den Feuerwehrwagen kauft und sich Angela, Verkäuferin an der Mandelbude, die „Beine in den Bauch steht“, herrscht im „Bonner Dorf“ vorm Rathaus noch etwas Betrieb.
Rund 50 Gäste wärmen sich an der Glühweinpyramide mit dem heißen Lieblingsgetränk auf. Die Stimmung bei Gästen und Schaustellern ist gut. „Am Samstagabend war hier die Hölle los“, sagt Chefin Dagmar Bonner. Befürchtungen, der von der Feuerwehr aus Sicherheitsgründen geforderte Umzug führe zu größeren Umsatzverlusten, haben sich bisher nicht bestätigt. Das klassische Laufpublikum wie am Berliner Platz ist vielleicht weg. Aber dafür werden auch neue Besucherkreise erschlossen. Also: Nichts zu meckern zwischen heißem Hugo und Eierpunsch.
Ganz anders stellt sich die Situation am Berliner Platz dar. Schausteller Andreas Nowag (62), der auf ein insgesamt gutes Jahr nach den vorherigen Corona-Lockdowns blickt, bringt die Sache nüchtern auf den Punkt: „Alles hat sich nach oben verlagert.“ Es gibt Menschen, die das gar nicht so schlecht finden, weil sie sagen, der Weihnachtsmarkt am Rathausplatz habe dadurch gewonnen. Doch wer den Budenzauber am Berliner Platz mochte, ist enttäuscht.
Schausteller vom Berliner Platz beklagt 50 Prozent weniger Umsatz
Nur wenige Aussteller gefunden
Stadtmarketing-Geschäftsführerin Silvia Nolte versucht erst gar nicht, den Rest-Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Platz schönzureden. Die Verlegung der Glühweinpyramide von dort zum Rathausplatz und der Verzicht auf die Eisbahn vorm Rathaus hätten eine Neukonzeption nötig gemacht. Insgesamt habe man aber nicht mehr Aussteller gefunden, auch aufgrund des Personalmangels in der Branche.
Nach dem Weihnachtsmarkt werde wieder eine große Runde einberufen, um das Geschehen aufzuarbeiten. Natürlich habe man die gesamte Innenstadt im Blick, bis hin zur Stadtgalerie, versichert Nolte. Deshalb werde der Weihnachtsmarkt im nächsten Jahr auch wieder anders aussehen. Sie möchte aber gleichzeitig eine Lanze für den diesjährigen Budenzauber brechen. Er sei beschaulich und biete viel Programm, auch für Familien, etwa die Weihnachtsbäckerei, „Geschichten am Stall“ oder den Märchenwald.
Mit einem Drittel weniger hätte er aufgrund der allgemeinen Krise ja schon gerechnet, sagt Nowag. „Aber nicht mit 50 Prozent.“ Dem Stadtmarketing, das den Weihnachtsmarkt ausrichtet, mag er gar nicht mal die Schuld geben. „Die Feuerwehr hat den Schwarzen Peter.“ Die Retter berufen sich auf eine neue Landesverordnung mit entsprechenden Auflagen. Die Glühweinpyramide musste der Drehleiter weichen – falls die im Ernstfall mal ausgefahren werden muss.
„Aber diesen Landeserlass gibt es doch auch in Soest, Dortmund oder Bochum“, wundert sich Andreas Nowag, der mit seinem Kinderkarussell und seinem Süßwarenstand seit 40 Jahren auf dem Berliner Platz steht. „Früher gab es auch Auflagen und da konnte immer angeleitert werden.“ Der bärtige Mann zeigt auf die verschiedenen Zufahrtsmöglichkeiten. Doch wer will beim Thema Sicherheit schon wirklich mitreden können?
Standortgemeinschaft Witten-Mitte: „Die restliche Innenstadt ist ruhig und dunkel“
„13 Jahre hat’s hier doch auch keinen interessiert“, wundert sich Angela (45) von der Mandelbude. „Man hätte zumindest einen kleinen Glühweinstand, einen Imbiss und ein paar schöne Verkaufshütten hier lassen können“, sagt sie. „Ganz viele Kunden sind enttäuscht, dass es hier jetzt so trostlos ist und der Weihnachtsmarkt kaputtgemacht worden ist.“ Gerade abends sei jetzt deutlich weniger los, pflichtet ihr Crêpes-Verkäuferin Magdalena (36) bei. Für ihre Kollegin Angela ist klar: „Nächstes Jahr bin ich raus, wenn nichts passiert.“
Schausteller Andreas Nowag will in Gesprächen mit dem Stadtmarketing darauf dringen, dass der Berliner Platz künftig wieder stärker einbezogen wird. Da dürfte er Angelika Bilow-Hafer von der Standortgemeinschaft Mitte an seiner Seite wissen. „Die restliche Innenstadt ist ruhig und dunkel“, beklagt sie die komplette Verlagerung in den oberen Teil der City. Um den Schaustellern etwas Gutes zu tun, hat die Einzelhändlerin vom Berliner Platz ihren Kunden sogar 20 Fahrchips fürs Kinderkarussell spendiert.