Witten. Die Wittener Feuerwehr braucht Platz für Rettungsfahrzeuge. Daher muss die Glühweinpyramide runter vom Berliner Platz. Das sorgt für viel Ärger.
Der Weihnachtsmarkt steht in den Startlöchern. Aber er wird nicht so sein, wie ihn die Wittenerinnen und Wittener seit mehr als zehn Jahren kennen. Denn die Glühweinpyramide und die dazugehörenden Stände müssen wegen neuer Sicherheitsbestimmungen vom Berliner Platz weichen. Für Betreiber Thomas Graß, auch Sprecher der Schaustellervereinigung, ist das „eine totale Katastrophe“.
Zwar hat das Stadtmarketing eine Lösung gefunden, wie das „Bonner Dorf“ mit seinen gemütlichen Sitz- und Stehhütten trotzdem auf dem Weihnachtsmarkt aufgebaut werden kann. Pyramide und Dorf ziehen auf den Rathausplatz, wo Platz frei geworden ist, weil die Eisbahn wegfällt und Aufermanns aus Altersgründen mit der Glühweinscheune aufhören. Doch Thomas Graß lässt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das für ihn keine gute Alternative ist. „Der Berliner Platz liegt auf dem Laufweg der Menschen, die in die City kommen, der Marktplatz nicht“, sagt er wütend. „Wir rechnen mit 30 Prozent weniger Umsatz.“
Wittener Schausteller haben kein Verständnis
Für die neuen Bestimmungen hat er kein Verständnis. Seit die Familie Bonner die Pyramide vor elf Jahren erstmals aufgebaut hat, habe sich „nichts, aber auch gar nichts baulich verändert“, schimpft er. Der Standort sei „von Null an“ zu einem beliebten und belebten Treffpunkt auf dem Weihnachtsmarkt entwickelt worden. „Es ist so, als hätte man sich vom Azubi zum Geschäftsführer emporgearbeitet und dann wird einem gesagt: Jetzt kannst du im Osten wieder als Azubi anfangen.“
Die Feuerwehr versichert hingegen, die Entscheidung sei nicht willkürlich getroffen worden. Vielmehr habe sie einen Erlass des Innenministeriums aus dem letzten Jahr umgesetzt, der eine eindeutige Klärung der Rettungswege verlange. „Das Sicherheitsniveau ist deutlich gestiegen“, so Heiko Szczepanski, der für die Neubewertung verantwortlich ist. Es seien daher jetzt sogenannte „Tabuflächen“ benannt worden, um sicherzustellen, dass alle Häuser jederzeit mit einer Drehleiter erreicht werden können.
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Diese Aufstellflächen seien aber eigentlich schon immer eingezeichnet gewesen. Es habe sich nur niemand um die Baupläne in den Archiven gekümmert, so der Feuerwehrmann. Durch den Erlass habe sich das nun geändert – ebenso wie die Situation am Berliner Platz. In Hausnummer 35 sei eine Zahnarztpraxis eröffnet worden – und für die gelte noch einmal ein höherer Sicherheitsstandard als für Wohnbebauung. Er betont: „Wir wollen Veranstaltungen nicht verhindern. Aber das Retten von Menschenleben geht nun einmal vor.“
Standortgemeinschaft kann Entscheidung nicht nachvollziehen
Nicht nur Thomas Graß ist mit der Entscheidung der Feuerwehr dennoch nicht einverstanden. Auch die Standortgemeinschaft Mitte sieht die neuen Pläne mehr als kritisch. „Die sind für alle Wittener nicht nachvollziehbar“, sagt Vize-Vorsitzende Angelika Bilow-Hafer. Der Treffpunkt Berliner Platz habe mit seiner Gemütlichkeit und Überschaubarkeit auch Kunden aus anderen Städten angezogen. Das falle nun weg. „So ein kleiner Markt ist für eine Großstadt wie Witten schon peinlich“, sagt die Einzelhändlerin, die selbst ein Geschäft am Berliner Platz betreibt.
Auch das Stadtmarketing ist mit der neuen Situation nicht glücklich. „Wir haben uns alle zusammengesetzt und mit der Feuerwehr gesprochen“, sagt Geschäftsführerin Silvia Nolte. Eine Alternative zum Umbau des Marktes habe es danach nicht mehr gegeben. „Denn auch für uns hat die Sicherheit schließlich oberste Priorität“, sagt ihr Kollege Matthias Pöck. Stattdessen habe man sich bemüht, eine Lösung zu finden, damit die Glühweinpyramide doch noch aufgestellt werden kann. Auch der für den Handel wichtige Berliner Platz bleibe nicht unbespielt. Kinderkarussell, ein Imbiss, ein Crêpe- und ein Süßwarenstand könnten bleiben.
Wittener Markt wird insgesamt kleiner
Dass der Markt insgesamt kleiner wird – rund 20 statt 26 Stände im Vorjahr –, wie die Standortgemeinschaft bemängelt, könne dem Stadtmarketing zudem nicht angelastet werden. „Das ist nicht nur in Witten so“, sagt Silvia Nolte. Viele Beschicker hätten große Probleme, Personal zu finden und träten gar nicht erst an. Eine Situation, die auch Schausteller Thomas Graß bestätigt.
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An seiner Glühwein-Pyramide gibt es dieses Problem allerdings nicht. „Die ist mir als Wittener eine Herzensangelegenheit.“ Sein bitteres Fazit: „Wenn die Wittener Feuerwehr in Soest tätig wäre, gäbe es keine Allerheiligenkirmes mehr.“