Witten. Sie hat die Kriegsgräuel überlebt und ist nun der glücklichste Mensch der Welt. Denn Swetlana Sawinowa gelang nicht nur die Flucht nach Witten.

Eine lebensgefährliche Flucht nahm Swetlana Sawinowa in Kauf, als sie im dritten Monat schwanger die Ukraine verließ. Jetzt hat die 28-Jährige ihr Baby in Witten gesund zur Welt gebracht.

Die junge Frau floh vor allem aus Sorge um das Kind unter ihrem Herzen. Allein und ohne weitere Freunde oder Verwandte verließ sie die Heimat. Der Vater und der Bruder wollten nämlich, das Land nicht im Stich lassen. Für Swetlana stand indes der Entschluss fest: „Einfach nur weg.“ Es waren die Wochen, als die russischen Streitkräfte ihre Heimatstadt Cherson immer mehr in die Zange nahmen, jene Stadt im Süden, die jetzt womöglich vor einer Befreiung durch die ukrainische Armee steht.

Die junge Frau machte sich mit einem langen Konvoi auf den Weg in den Westen. In 270 Autos flohen Menschen vor dem Grauen des Krieges. Doch schon nach wenigen Kilometern sollte die Kolonne in den Bombenhagel russischer Truppen geraten.

Bis heute kann Swetlana Sawinowa ihr Glück nicht fassen, mit heiler Haut davongekommen zu sein. In den Wagen hinter hier starben viele Menschen. „Ich habe nicht geglaubt, da lebend rauszukommen“, sagte die gelernte Fotografin damals in einem ersten Interview mit dieser Zeitung nach ihrer Ankunft. Dass auf der Motorhaube ihres Autos in Ukrainisch der Warnhinweis „Schwangere Frauen“ stand, habe ihr zwar Hoffnung gegeben, „die Angst blieb trotzdem“.

Nach der Geburt im Marienkrankenhaus ist die Mutter mit dem kleinen Luca wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt.
Nach der Geburt im Marienkrankenhaus ist die Mutter mit dem kleinen Luca wieder in ihre Wohnung zurückgekehrt. © Sawinowa

Da fügte es sich sehr gut, dass die Ukrainerin in Witten eine Vermieterin fand, die als Krankenschwester arbeitet und sich rührend um Swetlana kümmerte. Dabei drehte sich keineswegs alles nur um gesundheitliche und medizinische Fragen. Die Wittenerin nahm sich vor allem viel Zeit für Gespräche. Denn die Erlebnisse der Flucht und der Wochen in Cherson seit dem Einmarsch der Russen haben sich tief in das Gedächtnis der jungen Mutter aus der Ukraine eingegraben.

Kurz nach der Ankunft im April kam auch ihr Mann Eugen Zubenko (27) nach Witten. Zu Kriegsbeginn hatte er auf einem Schiff angeheuert, das in Istanbul vor Anker lag. Schon kurz darauf verlor er aber seinen Job und machte sich auf nach Deutschland. Die ganze Zeit über stand er mit seiner Frau in Kontakt. Das Paar besucht inzwischen einen Deutschkurs, der Mann möchte gerne als Lkw-Fahrer arbeiten. Die junge Mutter will auf Dauer auch wieder ihrem Beruf nachgehen.

„Schwangere Frauen“ steht auf dem Plakat, das auf dem Fluchtauto von Swetlana festgemacht war.
„Schwangere Frauen“ steht auf dem Plakat, das auf dem Fluchtauto von Swetlana festgemacht war. © Sawinowa

Im Moment gehört allerdings die ganze Aufmerksamkeit dem kleinen Luca, 3800 Gramm schwer. Nach einer achtstündigen Geburt erblickte er im Marien-Hospital das Licht der Welt. Inzwischen lebt die junge Familie in einer neuen Wohnung. Mit dem vorherigen Ein-Zimmer-Apartment kommt sie nicht mehr aus.

Regelmäßig zu Besuch ist Swetlanas Bruder, der dann doch eines Tages aus Cherson geflüchtet ist. Ihr eigener Vater blieb allerdings zurück. Er kümmert sich um seine Mutter, die er mit ihren 85 Jahren nicht allein lassen will. Um die beiden kreisen oftmals Swetlanas sorgenvolle Gedanken.

Wer Windeln, Kleidung oder auch eine Milchpumpe für den kleinen Luca spenden will, kann sich bei Olga Tape von der Ukrainehilfe melden: 0160/6050476, Mail: hilfemenschen@gmail.com