Witten. Immer mehr Katholiken reagieren kritisch auf die radikalen Umbruch-Pläne für den Pastoralen Raum in Witten. Auch ein Ex-Priester kommt zu Wort.

Es brodelt unter den Katholiken in Witten. Die Pläne, den Pastoralen Raum in den nächsten zwei Jahren völlig neu zu gestalten, stoßen bei vielen auf Unverständnis. Sie kritisieren vor allem die aus ihrer Sicht radikale Art und Weise, wie der Umbruch erfolgen soll. Zustimmende Worte aus den Reihen der Gläubigen klingen eher verhalten.

Zunächst hatten sich konservative Christen zu Wort gemeldet, denen es vor allem um die Aufrechterhaltung der klassischen Gottesdienste und Sakramente ging. „Diese Gruppe ist zwar eine Minderheit in Witten, die meisten sind aber tief mit dem Glauben verwurzelt und hängen an ihrer Tradition, was durchaus legitim ist und über Jahre Zustimmung fand“, schreibt etwa Cordula Kuchnia. Sie war mit Beginn des Pastoralen Raums selbst Vorsitzende des Pfarrgemeinderates.

Wittener Katholikin: Umsetzung ohne Fingerspitzengefühl

Natürlich könne man die Augen nicht davor verschließen, dass die Zahl der Kirchgänger, der ehrenamtlich Tätigen und des kirchlichen Personals immer weiter zurückgehen. „Leider wurde die ganzen letzten Jahrzehnte versäumt, Tradition und Moderne in der katholischen Kirche miteinander zu verbinden.“ Nun versuche man dies mit allen Mitteln, jedoch „ohne das nötige Fingerspitzengefühl“ durchzusetzen. Kuchnia: „Es wird gestrichen, aber keine Alternativen angeboten oder gar Kompromissbereitschaft gezeigt. Auch meine Erfahrung ist, dass die Streitkultur im Pastoralen Raum Witten sehr reformbedürftig ist.“

Fehlendes Statement

Pfarrer Fritz Barkey ist der Leiter des Pastoralen Raums in Witten. Als solchen hat ihn diese Redaktion telefonisch um ein Statement zum Thema Umbruch in der katholischen Kirche gebeten. Barkey befindet sich jedoch gerade in seiner vierten Urlaubswoche. Am Samstag (10.9.) tritt er seinen Dienst wieder an. Stellvertretender Leiter des Pastoralen Raums ist Pfarrer Christian Gröne. Doch er wollte den Worten Barkeys nicht vorgreifen.

Auch der Informationsfluss sei „mehr als mangelhaft“. Selbst die Pfarrnachrichten des Pastoralen Raumes Witten würden in letzter Zeit in der Regel nicht mehr hergeben als die Gottesdienstordnung. „Die Öffentlichkeitsarbeit ist mehr als schlecht und von Begeisterung bei den Gläubigen in Witten bisher keine Spur“, so Kuchnia.

Wittenerin: Von Berufung keine Rede mehr

Offenbar würden sich Priester, Diakone oder Gemeindereferenten nicht mehr zu ihrem Dienst berufen fühlen. „Für den überwiegenden Teil – nicht für alle – ist dies mittlerweile ein Job mit Dienst nach Vorschrift.“ Dies habe sie jedenfalls während der letzten Jahre so empfunden, sagt Cordula Kuchnia. Und sie geht noch weiter: Zu Beginn der Corona-Pandemie hätten sich Ehrenamtliche teils mehr für die katholische Kirche in Witten engagiert als einige Hauptamtliche.

Deren Arbeit würden viele nur noch im Falle von Beerdigungen, Hochzeiten, Taufen oder Messen bewusst wahrnehmen. „Kann damit der Arbeitsalltag eines voll Berufstätigen ausgefüllt sein?“, fragt sie, selbst Mutter zweier schulpflichtiger Kinder, vollzeitbeschäftigt und lange in der Kirche engagiert. „Der Gläubige wünscht sich einen Seelsorger, der auch in Lebenskrisen für ihn da ist.“

Ehemaliger Wittener Pfarrer: Nicht an antiquierten Strukturen festhalten

Auch Barbara Pfannmüller blickt einem Umbruch eher skeptisch entgegen. „Ich bin praktizierende Katholikin, mir tun die Veränderungen sehr weh“, schreibt sie. Dass sie unumgänglich seien, sieht sie ein. Mit der Umsetzung sei sie unzufrieden: „Kirche ist für die Menschen da, und die finden sich immer weniger in den Kirchen ein. Also muss Kirche dahin, wo sie Menschen erreicht.“ Sie sei dafür, die vorhandenen Mittel erst für den Erhalt sozialer Einrichtungen wie Kindergärten zu nutzen. Und eins noch: „Dass die katholische Kirche Frauen ranlässt – dieser Umbruch ist noch lange nicht in Sicht.“

Johannes Riße war von 1992 bis 1996 Priester in der Marien-Gemeinde. Er musste seine Arbeit dort beenden, weil er mit einer Frau zusammenlebte. Mittlerweile sei er 25 Jahre verheiratet und habe drei Kinder. Ihn erschrecke das Verhalten jener, die auf notwendige Veränderungen innerhalb der katholischen Kirche mit Abwehr und Festhalten an antiquierten Strukturen reagieren. „Auf die Einhaltung von Gottesdiensten mit einem Priester oder Hauptamtlichen zu pochen, geht doch sehr an der Realität vorbei und ist kein inhaltlicher Ansatz, die Kirche aus ihrer Krise zu führen.“

„Es geht auch ohne Priester“

Allerdings wünscht auch Riße sich eine Kirche, „die nach vorne schaut, die das Leben der Menschen begleitet und nicht verwaltet, die Menschen in ihren Nöten und Sorgen ernst nimmt und nicht sagt, was noch katholisch ist und was nicht.“ Er träume von einer Kirche, „in der jeder und jede seine Berufung leben kann, natürlich auch Frauen“. Jener frommen Gruppe, die auf ihre klassischen Gottesdienste pocht, gibt er mit auf den Weg: „Jede Zusammenkunft von Christen, die singen, beten und über den Glauben sprechen ist sakramental, auch ohne Priester.“

Barbara Pfannmüller bringt es noch einmal auf den Punkt: „Was wir jetzt brauchen, ist eine Kirche, die für Menschen da ist und zu den Menschen geht und ihnen Zuversicht vermittelt.“