Witten. Flut, Flächenbrände, totaler Stromausfall sind keine Fantasien. Jahrzehntelang wurde der Katastrophenschutz vernachlässigt, nun sorgt Witten vor.

Ein großer Waldbrand, wie in der Nacht zum Donnerstag in Durchholz, ist für die Feuerwehr ein heftiges, wenngleich eingeübtes Szenario. In den letzten Jahren dagegen kam es zu Ereignissen, die so kaum vorstellbar waren – man denke nur an den Starkregen vom Juli 2021. Die Wittener Feuerwehr investiert seit einigen Jahren wieder mehr in den Katastrophenschutz. Endlich sind die Wittener Dächer wieder mit Sirenen bestückt und es gibt mobile Notstromaggregate, die bei einem großflächigen Stromausfall helfen.

Erst vor einigen Tagen wurde die letzte von 25 Sirenen installiert, die sich nun auf Dächern und Masten über das Wittener Stadtgebiet verteilen. „Die Warnung der Bevölkerung ist in Witten nun wieder möglich“, sagt Feuerwehrchef Mario Rosenkranz. Am landesweiten Warntag am 5. September werden sie nun erstmals mitheulen können, wenngleich das für jüngere Wittener Ohren unbekannte Töne sein werden.

Wittener Sirenen in den 90er Jahren abgebaut

Eine der neu installierten Feuerwehrsirenen steht auf dem Dach der Kronenschule an der Sprockhöveler Straße in Witten.
Eine der neu installierten Feuerwehrsirenen steht auf dem Dach der Kronenschule an der Sprockhöveler Straße in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Anfang der 90er Jahre, als der Kalte Krieg vorbei zu sein schien, waren die alten Anlagen von den Dächern verschwunden. 2015 kam dann der Meinungsumschwung. Im ganzen Land sei man zu der Ansicht gelangt, dass man ohne eine ausreichende Versorgung mit Sirenen die Bevölkerung im Fall von schweren Unwettern, Stromausfällen oder auch Anschlägen nicht mehr warnen könne, hatte Kreisbrandmeister Rolf-Erich Rehm damals betont. Freilich brauchte es sieben Jahren, bis alle Standorte bestückt waren. Schallgutachten, Förderanträge, Hausbesitzer überzeugen, all das zog sich.

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Auch in Sachen Notstromversorgung gab es jahrzehntelang keine Pläne. Dabei ist ein großflächiger und langanhaltender Stromausfall in Witten nicht unmöglich. Was wäre, wenn es kein Licht mehr gibt, Internet und Telefone nicht mehr funktionieren? Wenn das Leitungswasser versiegt, da viele Wasserpumpen elektrisch betrieben werden? Ebenso wie die Pumpen an Tankstellen? Wenn die Kühltruhen und Kassen in Supermärkten nicht mehr funktionieren oder Geldautomaten?

Feuerwehr in Witten sichert nur kritische Infrastruktur

„Vor fünf Jahren haben wir angefangen, uns Gedanken darüber zu machen, was auf uns zukommen könnte“, sagt Rosenkranz. Und betont: Für den Katastrophenschutz des zivilen Lebens ist der EN-Kreis zuständig. Die Feuerwehr in Witten sichert nur die kritische Infrastruktur. Im Notfall würde sie also nur dafür sorgen können, dass die Wehr oder Rettungsdienste arbeiten könnten.

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Dazu hat die Stadt Witten vor vier Jahren der erste von drei mobilen Stromerzeugern angeschafft, der im Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Hölzer an der Kämpenstraße steht. Zwei weitere sind bestellt und sollen noch in diesem Jahr an die Einheiten in Stockum und zum neuen Gerätehaus Mitte auf Drei Könige geliefert werden.

Steckdosen in diversen Größen

So ein 75.000-Euro-Gerät könnte man vereinfacht als Diesel-Generator auf einem Anhänger beschreiben. Unten kommen 160 Liter Diesel hinein, drauf sitzt ein riesiger Motor. Es gibt einen elektrisch ausfahrbaren Flutlichtmast und auf der Rückseite etliche Stromanschlüsse, von der haushaltsüblichen 16-Ampere-Steckdose, bis zu einer „Kransteckdose“, die eine Stromstärke von 125 Ampere braucht.

So sieht das Notstrom-Aggregat der Stadt von innen aus. Mittig: der riesige Motor.
So sieht das Notstrom-Aggregat der Stadt von innen aus. Mittig: der riesige Motor. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

„Im Prinzip ersetzt das Ding die Zuleitung der Stadtwerke“, erklärt Hauptbrandmeister Martin Kramer. Darum hat das Durchholzer Gerätehaus eine Außensteckdose bekommen. Im Notfall würde das Aggregat das komplette Gerätehaus betreiben. Ruhig würde der Dieselmotor tuckern und könnte 24 Stunden lang 87 Ampere in das Gebäude einspeisen.

Der Stab entscheidet

Wer entscheidet im Ernstfall? In Witten wäre es der „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“. Erstmals gab es ein solches Führungsgremium aus mehreren Personen 2006 während der Fußball-WM. Einsatzstäbe wurden auch beim Orkan Kyrill oder den Wittener Großbränden bei Pelzer und beim Weichenwerk gebildet.

Auch während der Flüchtlingskrise oder zur Anfangszeit der Corona-Pandemie zeigte sich in Witten, wie nützlich es ist, einen Stab zu bilden, um schnell Entscheidungen zu fällen.

Auch andere Gerätehäuser haben solche speziellen Außensteckdosen. Denn sie könnten im Ernstfall zum Anlaufpunkt für Bewohner werden. Beim Einsatz an „normalen Häusern“ hantieren die Feuerwehrleute mit Verlängerungskabeln und Mehrfachsteckdosen. Dass das funktioniert, hat kürzlich ein Noteinsatz in einer „Beatmungs-WG“ eines Pflegedienstes am Crengeldanz gezeigt. Während eines Stromausfalls konnten deren Bewohner nicht künstlich mit Sauerstoff beatmet werden. Etwa zwei Stunden nur halten die Notbatterien der Beatmungsgeräte. In noch kürzerer Zeit, aber „mit ordentlich Rödeln“, konnte die Feuerwehr die Stromversorgung sicherstellen.