Witten. Grüne und CDU werden über eine Koalition in NRW verhandeln. Die bisherigen Ergebnisse bereiten manchem Politiker aus Witten aber Sorgen.
Nach dem Ja zu Koalitionsverhandlungen der Parteigremien von CDU und Grünen am Sonntag (29.5.) wird eine schwarz-grüne Landesregierung unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) immer wahrscheinlicher. In Witten sorgt das bei der Parteibasis und Grünenwählern aber nicht nur für Begeisterung.
Mit „Bauchschmerzen“ etwa blickt Ratsherr Arnold Evertz auf das vorläufige Ergebnis der Gespräche. Vor allem der Klimaschutz müsse im anstehenden Koalitionsvertrag noch viel deutlicher werden, als dies nun im Sondierungspapier der Fall sei – etwa was Solarenergie oder den Ausstieg aus der Braunkohle angeht. Gerade in Anbetracht der starken Position seiner Partei nach der Landtagswahl, hätte sich der Lokalpolitiker eine „grünere Handschrift“ erwartet.
Sorge um künftige Bildungspolitik
Der Vorsitzende des Schulausschusses macht sich auch große Sorgen um die künftige Bildungspolitik. Denn größere Debatten über die Struktur der deutschen Bildungslandschaft streben die Koalitionäre in Düsseldorf für die nächsten Jahre wohl nicht an. „Dabei müsste jetzt pädagogisch und konzeptionell in den Schulen gehandelt werden“, so Evertz. Nun fürchtet er einen jahrelangen Stillstand.
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Das schwarz-grüne Versprechen, 10.000 zusätzliche Lehrkräfte einzustellen, ist aus Sicht des Witteners nicht umsetzbar. Denn es gebe derzeit schlicht zu wenige Lehramtsstudenten. Allgemein müsse nun hart verhandelt werden, damit die Umwelt- und Klimaschutzpartei nicht zum „grünen Mäntelchen für die CDU“ werde.
Leander Holtz vom Vorstand der Wittener Grünen zeigt sich hingegen zufrieden. „Natürlich ist das kein grünes Wahlprogramm“, so der 21-Jährige. Aber das Sondierungspapier sei „ein guter Entwurf für einen Kompromiss, in dem wir als Grüne uns auch selbst wiederfinden“. So habe man etwa bei der Windenergie fast eins zu eins die grüne Position übernommen.
Wegfall der Solardachpflicht bei Neubauten schmerzt – aber nur begrenzt
Natürlich schmerze etwa der Wegfall der Solardach-Pflicht bei Neubauten, den die Partei sich ins Wahlprogramm geschrieben hatte. „Aber das war bei Koalitionsverhandlungen erwartbar.“ Nachbesserungen erhofft sich der Student – wie auch Parteifreund Evertz – bei der Braunkohle. Das symbolträchtige Dorf Lützerath, dem der Abriss droht, solle bleiben. „Das sollten wir weiterhin versuchen“, sagt Holtz.
Auch Mit-Vorstand Joachim Drell sieht seine Partei auf einem guten Weg. Schließlich sei das schwarz-grüne Bündnis nach dem Wahlergebnis quasi die einzige Option. Ob eine Koalition unter Einschluss der FDP die bessere Wahl gewesen wäre, zweifelt Drell stark an. Die Zusammenarbeit mit den Konservativen könnte aus seiner Sicht funktionieren. „Wir müssen es auf jeden Fall versuchen.“
Junge Grünen-Wähler sehen Koalition mit CDU kritisch
Unterwegs auf den Straßen des Wiesenviertels, der grünen Hochburg der Stadt, zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Enttäuscht ist etwa Grünen-Wählerin Roxanne. Viele Menschen, auch sie selbst, hätten die Grünen wegen der Klimadebatte gewählt. „Wir sind ja schon jetzt rückständig in der Klimapolitik. Die Kerze brennt von beiden Seiten“, so die 29-Jährige.
Und auf Bundesebene habe man gesehen, wie wenig die CDU fürs Klima tue. In einer Koalition mit der CDU fürchtet sie nun, dass die Grünen „überrollt“ werden. Ihr Bekannter Charlie, ebenfalls Grünen-Wähler, sieht das ähnlich. „Sie haben ihren Stimmenzuwachs nicht genutzt, um ihre Ideale durchzusetzen“, urteilt der 20-Jährige. Die Grünen würden dazu neigen, sich in Koalitionsverhandlungen „unterbuttern“ zu lassen, ihre Ideen zu „verwässern“.
Jette (24) hingegen begrüßt es, dass die Grünen bald Regierungsverantwortung tragen könnten. Und dass die CDU in NRW durch eine solche Koalition ein wenig „aufgebrochen“ werde. Auch eine andere junge Frau, selbst Grünen-Mitglied, sagt: „Besser Regierung als Opposition.“ Auch wenn die CDU natürlich nicht der Wunschpartner sei.