Witten. Ein 30-jähriger Wittener hat 200 Schafe und Ziegen, mit denen er die Landschaft pflegt. Doch der Mann vom Hof Hohenstein hat noch viel mehr vor.
Sanft steigt der Hang am Kohlensiepen in Richtung Wartenberg an. Schafe und Ziegen grasen zufrieden auf der Wiese. Ein paar Lämmer und Zicklein springen herum. Der sechsjährige Felix verteilt großzügig Streicheleinheiten. Die Herde gehört seinen Eltern Martina Kriesten und Max Nelle. Der Hof Hohenstein unten an der Straße ebenfalls. Das Wittener Paar verwirklicht hier seinen Traum vom nachhaltigen Leben.
Sie betreiben Landschaftspflege mit den Tieren, verkaufen aber auch ihr Fleisch, Fell und Leder. Sie bauen Gemüse an und verkaufen die Bio-Produkte. Max Nelle (30) spricht begeistert über seine Arbeit. Partnerin Martina zieht voll mit. Die 35-Jährige ist eigentlich Chirurgin, aber gerade in Elternzeit. Auch der acht Monate alte Fiete ist immer mit von der Partie.
Bundesfreiwilligendienst brachte Wittener zur Landwirtschaft
Alles begann mit Max Nelles Bundesfreiwilligendienst. Den absolvierte er in der Biologischen Station Hagen. „Wir haben Rinderherden betreut und Streuobstwiesen gepflegt.“ Die körperliche Arbeit und der Umgang mit Tieren habe ihm so gut gefallen, dass er gleich noch ein Praktikum auf einem Bergbauernhof in der Schweiz angeschlossen hat.
Dort gab es jedoch nur 20 Kühe und eine Käserei. „Zu kleindimensional“, befand Nelle – und freute sich auf seine Ausbildung zum Landwirt auf einem Biobetrieb in Ostdeutschland. Es war nicht das, was er sich vorgestellt hatte. „Ich war eigentlich nur noch Maschinist.“ Nelle war todunglücklich dort und brach die Ausbildung ab. „Ich versuche es selbst“, entschied der junge Mann. Da war er gerade Anfang 20.
Wittener Schafe weiden auf Brachflächen und Obstwiesen
Seinen Eltern gehörte die ehemalige Gaststätte Vogel im Wald am Kohlensiepen, ein paar Ländereien inklusive. Von einem Demeter-Betrieb in Wetter kaufte Max Nelle zwei Ziegen, dazu einen Bock. Inzwischen hat er rund 30 Milch- und Fleischziegen sowie etwa 170 Rhönschafe und Moorschnucken. Wenn Nelle sie nicht gerade auf der eigenen Wiese „zwischenparkt“, dann weiden sie auf Brachflächen, die der Schäfer für kleines Geld gepachtet hat. „Die meisten sind froh, dass das Land dadurch renaturiert wird.“ Die Tiere wiederum mögen den wenig beliebten, aber wuchernden Riesenbärenklau und die Goldrute.
Im letzten Winter etwa sei er mit seiner Herde quer durch Herdecke gezogen. Für die Naturschutzgruppe Witten lässt er die Tiere auf einer Brache an der Feldstraße grasen, vom Ruhrverband hat Nelle eine Fläche in Hagen gepachtet. Auch eine Obstwiese der Brennerei Sonnenschein haben die Schafe und Ziegen schon auf natürliche Weise gemäht und gedüngt. Die Naturschutzbehörde unterstützt Nelles Arbeit. Auch Straßen NRW und die Emschergenossenschaft hätten Interesse signalisiert.
Wittener Paar renoviert Hof Hohenstein
„Ich möchte die Menschen daran erinnern, wie es früher war, als man alles aus den Tieren rausgeholt hat“, erklärt der junge Wittener, der außerdem ein Architekturstudium abgeschlossen hat, jedoch schnell merkte, dass er für einen Bürojob nicht taugt. Inzwischen hat er sich in Soest für Landwirtschaft eingeschrieben. Es wird ein bisschen dauern, bis er damit fertig ist. Denn überdies renoviert das Paar den Hof und würde gern in diesem Jahr noch aus der Innenstadtwohnung aus- und dort einziehen. Auch einen Bauantrag für einen Stall haben sie gestellt.
Schafschur als Event
Max Nelle hat noch viel vor. Er möchte gerne seinen Schlachtschein machen. Außerdem würde das Paar gerne ein Stück Wald oberhalb seiner Wiese von der Stadt zurückkaufen, um dort einen land- und forstwirtschaftlichen Lehrpfad anzulegen. Schafschur als Event: Auch das kann Nelle sich vorstellen.
Eine eigene Homepage ist geplant. Aktuell ist der Hof Hohenstein auf Facebook und Instagram zu erreichen oder unter 0176-40 55 20 17.
„Man muss mit der Zeit gehen und gucken, was die Leute wollen“, sagt Nelle. Ackerflächen zur Miete anzubieten – das sei nicht so gut gelaufen. Stattdessen bewirtschaften die beiden die Fläche selbst. Ein Herdecker Koch macht aus dem Gemüse zum Beispiel Zucchinisuppe oder Ratatouille. Max Nelle und Martina Kriesten verkaufen die regionalen Produkte auf Märkten. Sie haben sich außerdem der „Marktschwärmerei“ angeschlossen, einer Mischung aus Onlinehandel und Bauernmarkt.
„Das Leben ist schön hier draußen in der Natur“, sagt Martina Kriesten, während sie mit Fiete auf dem Arm zwischen den Schafen, Ziegen und drei Hütehunden herumläuft. „Das hat was.“ Vor allem, wenn die Sonne scheint.