Witten. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist 2021 in Witten erneut gesunken, es wurden weniger Menschen verletzt. Was der Polizei dennoch Sorge bereitet.

Dass Corona auch den Verkehr „ausgebremst“ hat, zeigt sich erneut in der aktuellen Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Bochum. Auf den Straßen von Witten, Bochum und Herne verunglückten im vergangenen Jahr zehn Prozent weniger Menschen als noch 2020 – so wenige wie zuletzt 2013.

250 Unfälle in Witten weniger als 2020

In Witten krachte es 2021 insgesamt 3251 Mal, das waren rund 250 Unfälle weniger als im Vorjahr. Bei 195 dieser Zusammenstöße kamen auch Menschen zu Schaden - 242 Männer, Frauen und Kinder. Ein Jahr zuvor hatten sich noch 272 Menschen bei Unfällen verletzt, 2019 waren es 315.

Für die Ruhrstadt sind die neuesten Verkehrszahlen fast durchweg positiv. So sank etwa die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinwirkung von 38 auf 24. Unter Drogeneinfluss gab es nur drei Unfälle (2020: 7). In 13 Fällen (2020: 16) entfernten sich Fahrer vom Unfallort, obwohl ein Mensch bei dem Zusammenstoß verletzt wurde.

Steigende Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr auch in Witten

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach bei der Vorstellung der Unfallstatistik für ganz NRW von einer steigenden Verantwortungslosigkeit der Verkehrsteilnehmer. Das zeigt sich – trotz der an sich niedrigen Zahlen – auch in Witten. Überhöhte Geschwindigkeit sei immer noch eine Hauptunfallursache, so Frank Nows, Leiter der Direktion Verkehr. Über 9500 Mal hielten sich die Fahrerinnen und Fahrer in Witten nicht ans Tempolimit, ein Plus von fast 100 Prozent.

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Hinzu komme, dass „Drogen Milieus erreicht haben, an die wir früher gar nicht gedacht hätten“. Diesem Thema müsse man sich noch mehr annehmen. „Das sind Leute, die rauchen abends nach Feierabend einen Joint und denken, sie sind am nächsten Morgen fit zum Autofahren“, so Nows. Das sei aber nicht der Fall. Die Kollegen würden bei Kontrollen auf Anzeichen von Drogenmissbrauch achten und entsprechend reagieren. 2021 erwischte die Polizei 44 Wittenerinnen und Witten berauscht hinter dem Steuer, im Vorjahr waren es 28. Alkoholisiert wurden 36 Menschen gestoppt (Vorjahr 14).

571 Mal mit Handy am Steuer erwischt

Auch der Blick aufs Handy wird immer normaler. „Aber das darf nicht sein. Jede Unaufmerksamkeit, und wenn es nur eine Millisekunde ist, kann verheerend sein“, warnt Nows. 571 Mal erwischten Beamte in Witten Menschen hinter dem Steuer mit dem Handy in der Hand. 2020 waren es mit 280 Verkehrssündern weniger als die Hälfte.

„Sorgenkind“ der Polizei sind auch die Rad- und Pedelecfahrer. „Immer mehr Radfahrer drängen auf die Straßen, die dafür gar nicht angelegt sind“, sagt Nows. Vor allem die Zunahme an Pedelecs, also an E-Bikes, sei „enorm“. „Das Thema braucht mehr Aufmerksamkeit“, sagt Polizeidirektor Nows. Denn bei einem Unfall seien nun einmal die Menschen, die auf zwei Rädern unterwegs sind, immer unterlegen. In Witten verunglückten im vergangenen Jahr weniger Rad- und Pedelecfahrer - nämlich 57 (2020: 68).

Polizei hat Pedelec- und Radfahrer besonders im Blick

Betrachtet man aber nur die Pedelec-Fahrer allein gab es hier einen leichten Anstieg von 16 auf 18 Verunglückte. Weil oft auch Ältere aufs E-Bike steigen, die zuvor jahrelang überhaupt nicht mehr in die Pedale getreten haben, brauche es hier unter anderem mehr Beratung, sagt Nows. Ebenso sollen künftig noch mehr Fahrradpolizisten unterwegs sein.

Mit Sorge blickt die Polizei auch auf die Raser- und Tuning-Szene. Diese sei in Witten, Bochum und Herne zwar nicht so ausgeprägt wie anderswo. Aber auch hier würden junge Männer Anfang 20 mit teils über 600 PS unter der Motorhaube unterwegs sein. „Bei Rasern verstehen wir absolut keinen Spaß“, betont Polizeidirektor Nows.

Um von der Polizei angehalten zu werden, braucht es dabei gar nicht das klassische Rennen. „Es reicht schon, wenn wir feststellen, dass diese Person ein möglichst hohes Tempo erreichen will.“ 27 solcher „Rennen“ stoppten Beamte im vergangenen Jahr in den drei Städten des Präsidiums. Insgesamt tragen junge Erwachsene unverhältnismäßig viel zu Unfällen auch auf Wittens Straßen bei: Sie verursachen 13 Prozent aller Unfälle, haben aber nur einen Anteil in der Bevölkerung von acht Prozent. Zum Vergleich: Senioren sind an rund 19 Prozent der Unfälle schuld, machen aber 22 Prozent der Bevölkerung aus.

Drei Unfallschwerpunkte in der Stadt

Zwei Menschen sind im vergangenen Jahr auf Wittens Straßen umgekommen. Beide Male sei erhöhte Geschwindigkeit in Verbindung mit Alkohol oder Drogen die Ursache gewesen, sagt Polizeidirektor Nows. Den letzten Verkehrstoten in der Stadt gab es zuvor 2017.

Drei Unfallschwerpunkte gibt oder gab es laut Polizei in Witten: An der Kreuzung Ardeystraße und Ledderken krachte es 2021 trotz veränderter Ampelschaltung, die eigentlich Abhilfe schaffen sollte, insgesamt sieben Mal. Fünf Mal waren Busse beteiligt. seit Oktober 2021 ist nun eine neue Ampel in Betrieb genommen, die den Kreuzungsbereich steuert. Seitdem hat es laut Polizei keine Unfälle mehr gegeben.

Immer wieder kam es auch an der Kreuzung Wetterstraße und Kohlensiepen zu Zusammenstößen. Durch eine Einengung des Fahrstreifens auf dem Kohlensiepen ist der Schwerpunkt im August 2021 entschärft worden. Noch keine Lösung gibt es für die Ardeystraße, Höhe Parkplatz Herrenholz. Hier ist es in drei Jahren zu drei schweren Unfällen gekommen, eine Frau wurde tödlich verletzt. Jedes mal sind die Fahrer von der Fahrbahn abgekommen. Eine Unfallkommission soll nun mögliche Maßnahmen erörtern.