Witten. Helfer aus Witten haben mit einem Konvoi Kriegsflüchtlinge an der ukrainisch-polnischen Grenze abgeholt. Sie schildern bewegende Szenen.

165 Kriegsflüchtlinge hat das Freiwilligenteam um den Wittener Christian Hardes von der ukrainisch-polnischen Grenze abgeholt. Dort, und später im Bus, spielten sich erschütternde Szenen ab, wie Hardes mit angesehen hat.

Zunächst sollte Witten die Flüchtlinge aufnehmen

Der Buskonvoi kam am Sonntag (6.3.) in den Städten Schwerte, Lünen und Arnsberg an. Zunächst sollte auch Witten einige dieser Flüchtlinge aufnehmen, das DRK hatte bereits ein Ärzteteam für eine Erstuntersuchung zusammengestellt und auch die Unterkunft war vorbereitet. Doch bei der Berechnung der Lenkzeiten für die Busfahrer stellte sich heraus, dass – auch wenn es sich nur um wenige Kilometer Entfernung handelt – Witten als Ziel hätte kritisch werden können. Die örtlichen Organisatoren waren enttäuscht, doch das Einhalten geltender Regeln hatte Vorrang.

Viele Ukrainer organisieren selbst ihre Unterkunft bei Freunden und Verwandten

Weitere Hilfsaktionen

Am Wochenende rollten weitere Konvois von Witten in Richtung Osten. Der Unternehmer Christoph Baatz brachte Hilfsgüter bis zur polnisch-ukrainischen Grenze, die Bürger nach einem Aufruf der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft gespendet hatten. Ziel, so Geschäftsführer Arne Meinshausen, ist die Hauptstadt Kiew.

Schlafsäcke, Decken und Hygieneartikel hatte Rolf Kiesewetter auf seiner Fahrt in Wittens polnische Partnerstadt Tczew an Bord. Dort sind rund 350 Ukraine-Flüchtlinge eingetroffen. Zudem übergab er dem dortigen Bürgermeister eine Spende von 10.000 Euro. Wittens Bürgermeister Lars König habe sich für die Initiative eingesetzt, so Kiesewetter, Firmen und Privatleute das Geld bereit gestellt.

Mit Verspätung startete der Lkw in die Ostukraine, den Olga Tape mit ihrer privaten Ukraine-Hilfe gechartert hatte. Unbekannte hatten das Nummernschild gestohlen. Die Behörden kümmerten sich um einen Ersatz, so dass der Lastwagen am Samstag aufbrechen konnte.

An den drei Grenzorten Chorzowa, Hrebenne und Przemyśl hatte das Team die Flüchtlinge aufgenommen. Über Kontakte ins ukrainische Lwiw (Lemberg) sei die Vermittlung der Menschen aus der Ostukraine gelungen, so Hardes, der in seiner Sanitärfirma vergangene Woche auch selbst Spenden angenommen hatte.

Das Helferteam hatte Busse von Firmen aus der Umgebung gechartert, um die Menschen in den Westen zu bringen.
Das Helferteam hatte Busse von Firmen aus der Umgebung gechartert, um die Menschen in den Westen zu bringen. © OH

Die Busse warteten an Sammelstellen, wenige Kilometer von der Grenze entfernt, auf Frauen und Kinder. Pendelbusse sind dort Tag und Nacht im Einsatz. Sie bringen die Flüchtlinge, wenn sie polnischen Boden betreten haben, zu den zentralen Orten. „Die allermeisten Ukrainer haben bereits organisiert, bei wem sie eine Unterkunft finden können“, sagt Hardes. Ein großer Teil bleibe bei Freunden und Angehörigen in Polen.

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Menschen haben Angst vor Schlepperbanden

An der Grenze kümmern sich Hilfsorganisationen darum, die Flüchtlinge mit Kleidung zu versorgen.
An der Grenze kümmern sich Hilfsorganisationen darum, die Flüchtlinge mit Kleidung zu versorgen. © Christian Hardes

An den Ankunftsstellen herrsche ein ständiges Kommen und Gehen. Nahezu pausenlos halten Busse und Pkw, um Geflüchtete mitzunehmen. Auffällig, so Hardes, sei die hohe Zahl an Polizeikräften. „Sie haben vor allem Schlepperbanden im Visier.“ Die Gefahr, dass Menschenhändler die Situation ausnutzen, sei nun mal riesengroß. Sehr froh war das Team, die Wittenerin Nataliya Koshel mit an Bord zu haben. Zunächst einmal war die gebürtige Ukrainerin als Dolmetscherin gefragt. Fast noch wichtiger sei ihre Anwesenheit gewesen, damit die ukrainischen Frauen samt Kindern überhaupt zustiegen. „Die Frauen haben Angst und Sorge, auf was sie sich einlassen. Da konnte Nataliya Koshel Vertrauen schaffen und Brücken bauen“. Während der Fahrt brachen viele Flüchtlinge immer wieder in Tränen aus, die Frauen mussten ihre Männer, die Kinder ihre Väter zurücklassen. Vor ihnen liegt eine ungewisse Zukunft.

Familien hatten ihre Haustiere mitgenommen

Eine große Zahl der Familien habe ihre Haustiere, vor allem Hunde und Katze dabeigehabt, erzählt Christian Hardes. Fast hätten all diese Tiere zurückbleiben müssen, denn im Bus sei deren Mitnahme nicht erlaubt. Doch zum Glück gehörten zu dem Konvoi auch einige Transportfahrzeuge, in denen die Vierbeiner die Reise in Richtung Westen antreten konnten. Auf der Hinfahrt waren die Wagen bis unter das Dach beladen mit Medikamenten, medizinischen Geräten und weiteren Hilfsgütern. Nach der Übergabe an der Grenze leiten Partner in der Ukraine die Spenden weiter, unter anderem in die Hauptstadt Kiew.

Für die Flüchtlinge endete mit der über 1.300 Kilometer langen Fahrt eine fünf Tage dauernde Flucht. An den Zielorten haben sich sofort Ärzte um sie gekümmert, anschließend ging es in die Unterkünfte. Einigen steht eine weitere Fahrt bevor. Denn die Freunde und Verwandten, die sie aufnehmen, leben in Städten wie Köln oder Düsseldorf.