Witten. Trotz Insolvenz macht Böhmer in Witten zwischen den Feiertagen erstmals keine Betriebsferien. Was die Gründe sind und Beschäftigte dazu sagen.
Bei den früheren Eisenwerken Böhmer in Witten wird trotz Insolvenz erstmals seit Jahrzehnten zwischen den Jahren durchgearbeitet. Die Belegschaft soll nach Informationen dieser Redaktion auch Heiligabend und Silvester zur Arbeit erscheinen, weil so viel zu tun ist.
Ungeachtet des derzeit „historisch hohen Auftragsbestandes“ (Erik Böhmer) hatten beide Böhmer-Gesellschaften, die Gusstechnik und Technical Solutions, Zahlungsunfähigkeit anmelden müssen. Erik Böhmer, neben Bruder Wilhelm einer von zwei Geschäftsführern, erklärte dies mit einem „toxischen Mix“ von Gründen – etwa einem hohen Vorfinanzierungsrisiko, explodierenden Rohstoffpreisen sowie Mehr-, Wochenendarbeit und Qualitätsproblemen nach zwei Corona-Ausbrüchen.
Beschäftigter bei Böhmer in Witten: „Das Geld ist drauf“
140 Beschäftige sind betroffen. Um so erstaunter waren sie, in dieser Situation zu erfahren, dass Böhmer in diesem Jahr keine Betriebsferien macht. „Das ist noch nie passiert“, sagt ein langjähriger Mitarbeiter. Er hatte seinen Urlaubsschein eigentlich schon unterschrieben. Natürlich wollen alle ranklotzen, um das Unternehmen an der Annenstraße zu retten. Dennoch herrscht dicke Luft im Betrieb, der Ende November keine Löhne mehr zahlen konnte.
Inzwischen hat der Insolvenzverwalter die ersten Abschlagszahlungen veranlasst. „Das Geld ist drauf“, sagte ein Mitarbeiter am Donnerstag (16.12.). Bis Februar bekommen die Böhmer-Leute Insolvenzausfallgeld. Dann hofft man auf die Übernahme durch einen Investor.
„Wir müssten die Aufträge abarbeiten, einen guten Willen zeigen und einem möglichen Investor, dass wir da sind. Alle säßen in einem Boot“, gibt ein Beschäftigter die aktuelle Marschrichtung des krisengeschüttelten Unternehmens wieder, das Ende 2015 schon einmal Insolvenz angemeldet hatte.
Von offizieller Seite wurde bestätigt, dass Böhmer in diesem Jahr erstmals auf Betriebsferien verzichtet. Dies sei zwischen Geschäftsleitung, Betriebsrat und Insolvenzverwalter abgestimmt, heißt es. In Härtefällen könnten Mitarbeiter aber ihren Urlaub nehmen, etwa dann, wenn sie schon eine Reise gebucht haben.
Einziger Grund für diese kuriose Situation, trotz Insolvenz die Feiertagspause nicht wie üblich einzulegen und durchzuarbeiten, sei die „Super-Auftragslage“, erklärt ein offizieller Vertreter. Nun gelte es, so viel wie möglich in die Produktion zu bekommen und zu Geld zu machen, zumal der Zeitraum knapp sei. Denn das Insolvenzausfallgeld gibt’s nur für drei Monate, bis Ende Januar.
Findet sich bis dahin ein Investor, müsste der wohl Geld in die Hand nehmen, zumindest mittelfristig. Die Belegschaft hält den Maschinenpark für relativ veraltet, trotz der ein oder anderen Neuanschaffung in den vergangenen Jahren. „Hier stehen noch Drehmaschinen wie vor 40 Jahren“, sagt ein Mitarbeiter.
Zwischen den Jahren soll nach seinen Angaben im üblichen Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet werden. Nur an Heiligabend und Silvester ist schon mittags um eins Schluss.