Witten. Die Universität Witten hat das deutschlandweit erste Institut für Allgemeinmedizin gegründet. Dafür gab’s Lob vom NRW- Gesundheitsminister.
Die Privatuniversität Witten/Herdecke ist weiter auf Erfolgskurs. Nur wenige Wochen nach Eröffnung des neuen Hochschulgebäudes durch EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen kam am Freitagabend (29.10) NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann für eine weitere Eröffnung an der Alfred-Herrhausen-Straße vorbei: In Witten wurde das deutschlandweit erste „Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung“ gegründet.
Das neue Institut mit vier Professorenstellen hat das Ziel, den Berufsstand der Hausärzte attraktiver zu machen und die Forschung in der Allgemeinmedizin zu stärken. Damit soll dem drohenden Hausärztemangel vorgebeugt werden – ein großes Thema in der Arbeit des CDU-Politikers. Das Land unterstützt die Universität mit rund 15 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Unter anderen wird damit die Zahl der Studienplätze seit 2019 und bis 2024 von 500 auf 1000 Studierende verdoppelt.
Gesundheitsminister: „Witten hat bei mir einen Stein im Brett“
In seiner Rede macht Karl-Josef Laumann keinen Hehl daraus, wie sehr ihm die Aktivitäten der kleinen Privatuniversität im Gegensatz zu den großen Unis gefallen. „Den staatlichen Fakultäten fehlt es nicht an Selbstbewusstsein. Es ist gut, wenn im Wettstreit um die besten Ideen ein kleiner Player zum Schrittmacher wird.“ Klar sagt er: „Witten hat bei mir einen Stein im Brett.“
Die Privatuniversität setzt seit ihrer Gründung 1982 einen Schwerpunkt auf die Allgemeinmedizin – also die Ausbildung von Hausärzten. An vielen Medizinfakultäten staatlicher Hochschulen sei diese „das fünfte Rad am Wagen“, so der Gesundheitsminister. Ein Beispiel: An der Universität Münster gehen vier bis fünf Prozent der Absolventen in die Allgemeinmedizin, in Witten sind es 20 Prozent. „Das hat auch damit zu tun, welche Ansätze in der Lehre verfolgt werden.“
Kritik an Medizinausbildung staatlicher Universitäten
Damit hat die Wittener Institutsgründung gesundheitspolitische Relevanz. „Wir bilden Ärzte in Ballungsgebieten und in Universitätskliniken aus, die sich aber längst zu hochspezialisierten Intensivstationen entwickelt haben“, kritisiert der Wittener Uni-Präsident Prof. Martin Butzlaff. Die klassische Ausbildung der Landärzte, die doch die Basis des deutschen Gesundheitssystems bilden, falle hintenüber. „Die Unis müssen einen stärkeren Beitrag zur Bedarfssituation leisten“, fordert er.
Der Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitssystem sei auch politisch verschuldet, gibt Karl-Josef Laumann zu: „Das liegt daran, dass wir die Zahl der Medizinstudienplätze zu lange nicht erhöht haben.“ Die Konsequenz: 400 bis 500 Ärzte kommen jährlich aus Ländern wie Bulgarien oder Rumänien nach Deutschland. „Aber ist es ethisch vertretbar, dass Deutschland solchen Ländern die Ärzte wegnimmt, nur weil die Ausbildung der Mediziner für den Staat teuer ist?“
Vor vielen jungen Menschen, die an der Eröffnungsfeier teilnehmen, rührt der Minister die Werbetrommel für eine Zukunft als niedergelassener Hausarzt oder Hausärztin, vor allem im ländlichen Raum. „Über Wertschätzung müssen Sie sich keine Sorgen machen. Im Dorf werden Ärzte auf Händen getragen.“
Betreuung bis zur Niederlassung
Prof. Dr. med. Klaus Weckbecker und Prof. Dr. med. Achim Mortsiefer werden das neue Institut leiten. Beide arbeiten auch als niedergelassene Hausärzte, beide sind mit vielen Kindern gesegnet und lassen es im Hochschulbetrieb kräftig menscheln. Im Fokus ihrer Arbeit sollen die Möglichkeiten der immer besser werdenden Diagnostik sowie die Potenziale der Digitalisierung stehen. Das Institut möchte das Wissen so aufbereiten, dass es sofort in die tägliche Praxis überführt werden kann.
In der Forschung, verspricht Klaus Weckbecker, soll die Patientenperspektive eine wichtige Rolle spielen. „Wie bauen hier eine Patientenbeiratsgruppe auf.“ Sein Motto: „Unser Labor ist die Praxis.“
Über das Studium hinaus sollen junge Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung bis hin zur Niederlassung betreut werden. Und: Als akademische Lehrpraxen sollen diese die nächste Generation ausbilden.