Witten. Die Häuser an der Ardeystraße 122a/b in Witten verkommen zusehends. Vielen sind sie ein Dorn im Auge. Was tun gegen den weiteren Verfall?

Der Putz bröckelt, die Fassaden sind verschmiert. Tür- oder Fensteröffnungen wurden teils mit Brettern vernagelt, die Ladenlokale stehen leer. Die Gammelhäuser an der Ardeystraße 122a und b gegenüber dem Abzweig zur Annenstraße verfallen zusehends. „Das ist seit Jahren ein Schandfleck“, ärgert sich eine Wittenerin. Nun hofft sie, dass die Stadt aufgrund eines neuen Urteils etwas dagegen tun kann.

Unverputzte Mauern, Graffiti-Schmierereien, leerstehende Ladenlokale: Wittener Bürger sehen darin einen Schandfleck für die Innenstadt.
Unverputzte Mauern, Graffiti-Schmierereien, leerstehende Ladenlokale: Wittener Bürger sehen darin einen Schandfleck für die Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Die Wittenerin wohnt oben auf dem Schnee und kommt regelmäßig an der Stelle vorbei, wenn sie mit dem Auto in die Stadt muss. „Der Anblick verursacht mir jedes Mal regelrecht Übelkeit“, sagt sie. „Was denken die Stadtoberhäupter denn, was sie uns Bürgern noch alles zumuten können?“, spielt die Rüdinghauserin darauf an, dass es sich immerhin um eine vielbefahrene Ecke im Innenstadtbereich handelt.

Stadt Witten spricht nicht von „Schrottimmobilien“

Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe sind Eigentümer verpflichtet, völlig heruntergekommene Gebäude – sogenannte „Schrottimmobilien“ – zu sanieren. Sie dürfen Gebäude nicht einfach verfallen lassen. Nur Zerstörung durch Ereignisse wie Brände, Fluten oder Explosionen könnten ein Grund dafür sein. Die Richter hatten damit dem Kläger im Streit um ein Parkhaus in Augsburg recht gegeben.

Etliche Wohnungen gibt es in den Häusern an der Ardeystraße122a/b. Die Klingelschilder weisen keine Namen auf. Trotzdem sollen dort Menschen wohnen, sagen Nachbarn.
Etliche Wohnungen gibt es in den Häusern an der Ardeystraße122a/b. Die Klingelschilder weisen keine Namen auf. Trotzdem sollen dort Menschen wohnen, sagen Nachbarn. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Das Problem an der Ardeystraße: Bislang weigerte sich die Stadt, dort überhaupt von „Schrottimmobilien“ zu sprechen. Es gebe keine Häuser in Witten, die unter diese Kategorie fallen, hatte das Bauordnungsamt stets betont. Denn mit diesem Begriff sei ein bestimmtes Geschäftsmodell gemeint: Marode Häuser, die aufgekauft und gewinnbringend an Menschen aus Südosteuropa vermietet werden. Die Häuser sähen zwar unschön aus. Aber es gehe keine Gefahr von ihnen aus.

Mieterverein Witten: Vermieterin nimmt Wucherpreise

Die Frau vom Schnee ist empört. „Wenn das keine Schrottimmobilien sind, wie müssen solche Häuser dann aussehen?“ Dass dort offenbar Menschen leben, darauf deuten die gekippten Fenster hin. Und auch wenn die Klingelschilder keine Namen aufweisen: Die Wohnungen sollen teils an Arbeiter aus Osteuropa vermietet sein.

Knut Unger vom Mieterverein dagegen meint zu wissen: „Diese Häuser gehören einer Frau, die sie zu Wucherpreisen als Monteurswohnungen vermietet.“ Er gehe allerdings davon aus, dass sie leer stehen. Andernfalls hätten die Mieter einen Instandsetzungsanspruch. Die Umstände, unter denen Menschen dort leben oder lebten, beschrieben Anwohner jedenfalls schon als desaströs.

SPD Witten hat Gammelhäuser im Blick

Zuletzt hatte vor gut einem Jahr die SPD darauf hingewiesen, dass an einigen Ecken heruntergekommene Häuser das Stadtbild ruinieren. Dies betreffe eben jene Gebäude an der Ardeystraße sowie am Crengeldanz. Die Stadt solle künftig genauer hinsehen, forderten die Politiker damals. Denn durch diese Gebäude gehe auch dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum verloren. Sie regten ein Verzeichnis solcher Problem-Immobilien an und regelmäßige Kontrollen vor Ort.

Problemimmobilie Steinstraße

Nur einmal wurde in jüngster Vergangenheit ein Haus in Witten für unbewohnbar erklärt. Es handelt sich um das Gebäude an der Ecke Steinstraße/Hammerstraße. Die Stadt hatte das Haus im März 2018 für unbewohnbar erklärt und versiegelt.

Die Stadtwerke hatten dort Strom und Wasser abgestellt, weil der damalige Vermieter Rechnungen nicht bezahlt haben soll. Nach einer Zwangsversteigerung hat das Haus nun einen neuen Eigentümer. Laut Mieterverein sei es weiterhin eine Problemimmobilie, „aber nicht mehr so schlimm wie vorher“.

Auch der Mieterverein fordere schon lange, dass die Stadt eine „Zweckentfremdungssatzung“ erlassen solle, so Unger. Dann müssten Immobilienbesitzer sowohl Leerstände als auch die Umwandlung in Kurzzeitvermietung genehmigen lassen – und die Stadt hätte andernfalls eine Handhabe, einzuschreiten. Unger: „Nicht alles ist Schrott, was vernachlässigt ist. Aber man muss verhindern, dass Häuser so schlimm verfallen.“

Die Stadt – noch gebeutelt durch den Hackerangriff – will voraussichtlich in der kommenden Woche dazu Stellung beziehen.