Witten. Viele Pflegekräfte sind überlastet, es mangelt an Personal. Eine erfahrene Pflegerin aus Witten schildert die angespannte Situation.

Ob Klinik oder Altenheim: Die Pflegekräfte sind am Limit. Nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi droht sich der Personalmangel weiter zu verschärfen. „Die Lage ist nicht rosig“, bestätigt eine Pflegerin, die in einem Wittener Seniorenzentrum tätig ist. „Die Bevölkerung weiß gar nicht, wie hart wir arbeiten.“

Sie möchte ihren Namen lieber nicht nennen, sagt die Frau, eine erfahrene Pflegerin. „Es liegt in den Händen der Politik, etwas zu ändern. Aber die diskutieren nur und tun nichts“, so empfindet sie es. Ihr gehe es nicht um mehr Geld, sondern um angemessene Freizeit „und dass unser Beruf endlich empathisch aufgenommen wird“. Damit meint sie: Andere könnten sich gar nicht in die Lage einer Pflegefachkraft hineinversetzen.

Wittener Heimleiterin: Fluktuation bei Fachkräften hoch

„Wir schuften wie Schwerstarbeiter und müssen uns in jedem Zimmer auf neue Umstände einstellen“, sagt die Frau. Sie eile von einer Parkinson-Patientin zu einem dementiell Erkrankten oder einem Menschen, der im Koma liegt. Jeder brauche eine andere Betreuung. Doch allen gerecht zu werden, dafür fehle oft die Zeit. Gerade ältere Kolleginnen und Kollegen schafften kaum noch ihr Pensum, weiß sie aus ihrem Haus. „Aber wir kriegen keinen Nachwuchs.“

Davon kann auch Monika Pytlik ein Lied singen. „Wenn wir Stellen ausschreiben, bekommen wir kaum Bewerbungen“, sagt die Leiterin des Awo-Seniorenzentrums an der Kreisstraße. Zwei bis drei von aktuell 15 Vollzeitstellen im Pflegebereich seien derzeit unbesetzt. Auch die Fluktuation sei hoch. Die Belastung ist ihren Angaben zufolge dem Personal anzumerken. „Wir haben eine hohe Krankheitsquote und auch Langzeiterkrankte.“

Heime und Kliniken in Witten setzen auf Ausbildung

Altenheime und Krankenhäuser in Witten haben ihr eigenes Konzept, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Wir versuchen, über die Ausbildung die Leute an uns zu binden“, sagt Monika Pytlik. Neun Azubis arbeiten aktuell an der Kreisstraße. Auch in den Feierabendhäusern am Schwesternpark bilden sie deshalb inzwischen aus. Sechs Azubis seien zum 1. Oktober gestartet, sechs fangen im kommenden Jahr an, ist Leiter Andreas Vincke froh.

Also ist es offenbar doch nicht so schwer, Nachwuchs zu finden? Vincke sieht das differenzierter. Die Arbeit sei in den letzten Jahren durchaus immer stressiger geworden. „Alle sind sehr stark gefordert“ – nicht zuletzt nach dem extremen Corona-Jahr, das ihn eine Mitarbeiterin gekostet habe, die dem Beruf den Rücken gekehrt hat.

Aber der Heimleiter sagt auch: „Wenn immer nur negativ berichtet wird, muss man sich nicht wundern, wenn die jungen Menschen den Beruf nicht attraktiv finden.“ Er versucht, eine Lanze für den Pflegeberuf zu brechen, der „zukunftsweisend und facettenreich“ sei. Allerdings müsse auch die persönliche Situation jedes Einzelnen stimmen, um im Job bestehen zu können.

EvK: Pandemie hat allen viel abverlangt

Auch das Marien-Hospital und das Ev. Krankenhaus setzen auf die eigene Ausbildung. Im Marien-Hospital sei die Zahl der Pflegekräfte von 2019 bis Ende September 2021 sogar gestiegen, erklärt Sebastian Schulz von der Geschäftsleitung der St.-Elisabeth-Gruppe. Offene Stellen könnten auch dank der steigenden Zahl von Absolventen der gruppeneigenen Pflegeschule besetzt werden. „Aber auch durch besondere Arbeitszeitmodelle konnte die Zahl der Pflegekräfte erhöht werden.“ Dennoch bestätigt Schulz, dass „die Mitarbeiter der Corona- und Intensivstation insbesondere in der zweiten Pandemiephase aufgrund der höheren Zahl von Corona-Patienten stark belastet waren“.

Zehn zusätzliche Ausbildungsplätze für die Pflege

Die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten in den Krankenhäusern ist ein entscheidender Baustein zur Gewinnung von Fachkräften. Im April hat die Pflegefachschule des EvK deshalb in Kooperation mit der Pflegeschule der Diakonie Ruhr zehn zusätzliche Ausbildungsplätze für angehende Pflegefachkräfte geschaffen.

Die Corona-Lage in den Kliniken habe sich beruhigt, so EvK-Chefin Drossel. In den vergangenen Wochen seien im Schnitt zwei bis sieben Covid-Patienten stationär behandelt worden.

„Die Pandemie hat allen viel abverlangt“, sagt EvK-Verwaltungsdirektorin Ingeborg Drossel. „Doch durch die hohe Impfbereitschaft der Mitarbeitenden und durch unser Testkonzept ist ein gutes Sicherheitsgefühl entstanden.“ Zudem biete die Krankenhausseelsorge den Mitarbeitenden vertrauliche Gespräche an.

Auch im Evangelischen Krankenhaus wachse die Zahl der Beschäftigten konstant. Das liege an der Nachwuchsgewinnung über die eigene Ausbildung. Im Oktober hätten sich zum Beispiel 16 der 19 frisch examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger entschieden, nach ihrer Ausbildung im EvK zu bleiben.