Essen. Die Gewerkschaft Verdi warnt vor einer Verschärfung des Pflege-Fachkräftemangels. „Die Leute können nicht mehr“ – immer mehr wenden sich ab.

Nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie droht sich der Fachkräftemangel in der Pflege nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi NRW weiter zu verschärfen. Immer mehr Fachkräfte gingen dem Beruf zumindest teilweise verloren.

Aus Krankenhäusern gebe es immer häufiger die Rückmeldung, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeiten reduzieren, sagte Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär bei Verdi NRW. „Die Leute können nicht mehr, sie sind ausgebrannt.“

Die Pandemie noch durchhalten – aber dann nichts wie weg

Oft habe es geheißen, die Pandemie wolle man noch durchhalten, aber dann sei man weg. „Die Rückmeldungen, die wir erhalten, sind alarmierend“, so Gewerkschaftssekretär von Hagen.

In den NRW-Kliniken haben im März 2021 knapp 134.400 Fachkräfte in der Krankenpflege, Geburtshilfe und im Rettungsdienst gearbeitet. Das geht es aus einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervor. Seit Dezember 2020 ist ihre Zahl damit zwar um rund 1000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gesunken. Im Vergleich zu März 2020 ist sie aber um rund 3700 gestiegen.

Die Zahl der Teilzeitkräfte ist in der Pflege traditionell hoch. Landesweit haben Arbeitgeber in der Kranken- und Altenpflege im September 4000 bzw. 4500 offene Stellen gemeldet. Das entspricht den Vorjahreswerten. In den Kliniken ist die Zahl offener Stellen für Pflegefachkräfte zuletzt wieder leicht auf knapp 600 gestiegen.

Nicht mal jeder Fünfte glaubt, es bis zur Rente zu schaffen

Verdi verweist auf eine bundesweiten Befragung unter fast 12.000 Beschäftigten aus Kliniken, Psychiatrien, Pflegeheimen und Servicebetrieben. Darin haben Betroffene im Frühjahr 2021 von Überlastung, fehlender Zeit und Sorgen um die eigene Gesundheit berichtet. Nur 18 Prozent der Befragten glaubten, unter diesen Bedingungen bis zum gesetzlichen Rentenalter durchhalten zu können.

Viele Pflegende wollen den Job wechseln, wie der Berufsverband DBfK mit Blick auf eine eigene Umfrage in Kliniken und Heimen warnt: Zwei Drittel der Befragten haben erklärt, an den Berufsausstieg zu denken. 2018 waren es rund ein Viertel.

Moritz Heß, Professor für Gerontologie an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, hat sich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen Pflegekräfte zurück in den Beruf kommen. Zentral sind demnach unter anderem mehr Wertschätzung durch Vorgesetzte, mehr Zeit für hochwertige Pflege und menschliche Zuwendung sowie ein höheres Gehalt. Laut seiner Analyse mit der Arbeitnehmerkammer Bremen könnten allein durch eine Arbeitszeitaufstockung von Teilzeitkräften in der Alten- und Krankenpflege deutschlandweit zwischen 92.000 und 170.000 zusätzliche Vollzeitstellen besetzt werden, so Heß.