Witten. Sandra Tribuzio (33) ist Intensivpflegerin im Ev. Krankenhaus Witten. Sie erzählt von ihrem Arbeitsalltag, den Corona gerade prägt.

Blinkende Monitore, piepsende Geräte und laute Alarmtöne gehören zu ihrem Alltag. Sandra Tribuzio arbeitet auf der Intensivstation des Evangelischen Krankenhauses Witten (EvK). Dort liegen derzeit auch fünf Covid-Patienten im künstlichen Koma, vier von ihnen werden beatmet. "Das ist für alle eine außergewöhnliche Situation", sagt die 33-Jährige über das gesamte Corona-Jahr.

Über die Weihnachtsfeiertage hatte Sandra Tribuzio Nachtschicht. Sogar an Heiligabend musste sie um kurz nach 20 Uhr aus dem Haus. Die Bescherung lag da längst hinter der kleinen Familie. Der dreieinhalbjährige Sohn war schon im Bett verschwunden und der Papa passte auf. "Einen richtigen Biorhythmus hat man da nicht", sagt die junge Frau zum Wechseldienst.

EvK Witten hat einzige Infektionsstation im Kreis

Schmal wirkt sie in ihrem blauen Arbeitsanzug und macht doch einen starken Eindruck. Kein Wort des Jammerns kommt über ihre Lippen. Schließlich, sagt Sandra Tribuzio, habe sie sich ja bewusst für diesen Beruf entschieden. "Ich wollte immer in den sozialen Bereich, wollte Menschen helfen." Nach dem Abi begann sie 2007 ihre Ausbildung an der Pflegefachschule des EvK und fing danach gleich auf der Intensivstation an. Dort blieb sie und leitet die Station seit 2015 als Stellvertreterin.

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Zehn Betten haben sie dort auf der zweiten Etage. Im Notfall können auch zwölf Patienten betreut werden. Und gleich zu Beginn der Pandemie hat das EvK mit kleinen baulichen Veränderungen einen Bereich schaffen können, der durch eine Schleuse komplett vom Rest der Intensivstation abgetrennt ist. Ganz schwere Verläufe werden dennoch in größere Häuser verlegt.

Intensivpflegerin im EvK Witten: Ein bisschen Angst ist immer dabei

Auf dem Flur direkt gegenüber befindet sich die Infektionsstation - die einzige im Ennepe-Ruhr-Kreis, wie Pflegedienstleiter Dennis Klaebe erklärt. Insgesamt 25 Corona-Patienten liegen gerade in der Klinik. Auch zehn Mitarbeiter sind (Stand Mittwoch, 30.12.) positiv.

Die Angst vor Ansteckung begleitet das Personal tagtäglich. Es gebe immer noch Engpässe bei Schutzkitteln, sagt der Pflegedienstleiter. Dafür seien inzwischen mehr Mitarbeiter mit FFP2-Masken ausgerüstet. Im gesamten Krankenhaus gilt Maskenpflicht.

"Ein bisschen Angst ist immer dabei", gesteht Sandra Tribuzio. Vor allem das Tückische des Virus' mache ihr zu schaffen. Aber man sei ja im Prinzip daran gewöhnt, "wir haben ja auch sonst mit vielen anderen Infektionskrankheiten zu tun". Sie erinnert an die Influenza-Welle zum Jahreswechsel 2017/2018.

Zehn Stellen im Pflegebereich des EvK Witten unbesetzt

Sie und ihr Team - 33 Pflegende insgesamt - haben sich eingearbeitet in den Corona-Alltag. Sie stemmen die Schutzmaßnahmen beim zeitaufwändigen Ein- und Ausschleusen. Schaffen den Dienst auch, wenn manchmal kein Land in Sicht ist. Stellen sich jeden Tag neuen Herausforderungen, an denen Menschenleben hängen.

"Abläufe ändern sich ständig. Man kann selten nach Plan arbeiten", sagt die Intensivpflegerin. Zu den Covid-Patienten kommen ja noch all die anderen, denen es schlecht geht. Patienten nach Bauch-OPs oder mit Herz-Kreislauf-Versagen. Auch für die Reanimation sind sie als interdisziplinäre Intensivstation zuständig. Überstunden machen sie nicht erst seit der Pandemie. Zehn der 187 Vollzeitstellen im Pflegebereich des EvK sind unbesetzt, sagt Dennis Klaebe.

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Was den Pflegekräften derzeit tatsächlich zu schaffen macht: Sie dürfen wegen Corona nur noch alleine Pause machen. Der kurze Austausch zwischendurch fällt weg. Doch natürlich könne jeder bei Bedarf über belastende Erlebnisse im Dienst sprechen, sagt Sandra Tribuzio. Denn sie sehen ja nicht nur Menschen, die gesund werden, sondern auch viel Leid und, im schlimmsten Fall, Sterbende. "Wir versuchen uns Zeit zu nehmen, diese Menschen angemessen zu begleiten", sagt sie. Es fällt ihr schwer zu sagen, dass die Zeit dafür nicht immer reicht.

Intensivpflegerin: Die Familie bringt mich auf andere Gedanken

Sandra Tribuzio gelingt es meist, nach ihrer Schicht, die mal acht oder mal zehn Stunden dauert, belastende Gedanken nicht mit nach Hause zu nehmen. Die junge Mutter lächelt: "Das Familienleben lenkt mich ab." Als Heldin des Alltags sieht sie sich eher nicht. "Ich mache nur meinen Job. Und der war auch vorher hart." Sorge bereitet ihr dennoch, dass eine dritte Infektionswelle kommen könnte. Corona-Leugner lädt sie ein, sich die Lage im Krankenhaus mal anzusehen.

An Silvester und Neujahr hatte Sandra Tribuzio frei. Für 2021 wünscht sie sich nicht, dass wir Corona endlich in den Griff kriegen, sondern schlicht "Gesundheit". Aber das ist ja eigentlich dasselbe.

>>>Info:

Das Ev. Krankenhaus Witten gehört zur Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel mit insgesamt vier Häusern. Um auf jede Auswirkung der Pandemie umgehend reagieren zu können, wurde eine übergeordnete Task-Force eingerichtet. Im Evk Witten selbst wurde ein Krisenstab gebildet, der sich mindestens zweimal pro Woche trifft, wie Pflegedienstleiter Dennis Klaebe erklärt.

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