Witten. In Witten und im Wahlkreis 139 wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen ums Direktmandat erwartet. Wer hat welche Chancen bei der Bundestagswahl am Sonntag?

Nicht nur die Frage, wer neuer Kanzler oder Kanzlerin wird, ist so spannend wie lange nicht mehr. Der Kampf ums Direktmandat für Witten, Herdecke, Wetter, Hattingen und Sprockhövel ist bei der Bundestagswahl am Sonntag ebenfalls nichts für schwache Nerven. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD, CDU und vielleicht ja noch den Grünen.

Um mit Letzteren anzufangen: Noch vor einigen Monaten schien gut möglich, wovon bis dahin nie eine Grüne oder ein Grüner zwischen Breckerfeld und Witten zu träumen gewagt hätte: ein Direktmandat im einst tief rotgefärbten Wahlkreis 139 zu gewinnen. Da waren die Grünen bundesweit noch obenauf. Die CDU zerfleischte sich selbst und die SPD steckte im Umfragetief.

Wahlamtsleiter aus Witten: Mit den Grünen ist auch beim Kampf ums Direktmandat noch zu rechnen

So schnitten die Parteien (Zweitstimmen) bei der Bundestagswahl 2017 in Witten ab.
So schnitten die Parteien (Zweitstimmen) bei der Bundestagswahl 2017 in Witten ab. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Doch dann kam der Bundestagswahlkampf mit einem vergeigten Start der grünen Kanzlerkandidatin und plötzlichen Umfragehochs für die SPD. Die Grünen stürzten ab und liegen mittlerweile in den Prognosen auf Platz drei. Trotzdem sei mit ihnen noch zu rechnen, auch im EN-Kreis, sagt Wittens Wahlamtsleiter Michael Muhr (58).

Er erinnert an ihren Sieg bei der Europawahl in Witten und ihr gutes Ergebnis bei der Kommunalwahl, als sie mit 20,6 Prozent nur knapp hinter CDU und Grünen landeten. Auch im Kampf ums Direktmandat „sind sie noch nicht raus. Das wird unheimlich eng werden“, glaubt Muhr.

Mit Ina Gießwein aus Schwelm haben die Grünen eine 38-jährige Logopädin ins Rennen geschickt. Allerdings, gibt Muhr zu bedenken, werde es nicht reichen, in grünen Hochburgen wie Witten zu punkten. „Da gibt es ja noch vier andere Städte.“ Vor vier Jahren holten die Grünen nur 8,6 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis 139.

CDU-Kandidat für Witten und den Wahlkreis 139 rechnet sich gute Chancen aus

Gute Chancen auf das Direktmandat rechnet sich trotz des zwischenzeitlichen Absturzes der Bundespartei in den Umfragen und der nicht enden wollenden Kritik am Kanzlerkandidaten immer noch CDU-Bewerber und Ex-Feuerwehrpräsident Hartmut Ziebs (62) aus – was angesichts der einstigen SPD-Dominanz früher ebenfalls undenkbar gewesen wäre. Rückenwind verspürt der mittelständische Unternehmer auch deshalb, weil die CDU erstmals in der roten Hochburg Witten den Bürgermeister stellt.

„Es wird unheimlich eng werden“: Auch für Wahlamtsleiter Michael Muhr ist der Ausgang der Wahl völlig offen.
„Es wird unheimlich eng werden“: Auch für Wahlamtsleiter Michael Muhr ist der Ausgang der Wahl völlig offen. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Zwar dürfte der aktuelle SPD-Kandidat Axel Echeverria (41) – da sind sich die Beobachter einig – von den aktuell immer noch guten Werten seiner Partei vermutlich profitieren. Doch sicher ist nichts mehr. Statistiker Muhr erinnert daran, wie sehr die SPD noch bei der letzten Kommunalwahl in Witten abgestraft wurde.

Einen deutlichen Warnschuss gab es auch schon bei der Bundestagswahl 2017, als Ralf Kapschack (66) das Berlin-Ticket mit 36,7 Prozent und nur knapp vier Punkten Vorsprung vor Ralf Brauksiepe (54) für die SPD ins Ziel rettete.

Tatsächlich war am Freitag so etwas wie Wechselstimmung zu spüren, als die Redaktion vier zufällig ausgesuchte Wählerinnen und Wähler vor dem Briefwahlbüro in der Stadtgalerie befragte. Deren Wunsch ging in Richtung Rot-Rot-Grün oder Ampel.

Wechselstimmung bei vier Wählern im Briefwahlbüro in Witten

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„Wir hoffen beide, dass sich klimatechnisch einiges ändert. Die CDU ist ein bisschen ausgelutscht“, sagen Jana (28) und Katrin (27), die wir vor dem umfunktionierten Ladenlokal neben „Nanu Nana“ treffen. Christel und Tomo (beide 85) halten ihrerseits nicht viel von Laschet. „Was hat er denn für Städte wie Witten getan?“ fragen sie. Wie das Ehepaar haben bis Freitag schon über 30.000 Briefwähler – mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten in Witten – ihr Kreuzchen gemacht.

55 Wahllokale geöffnet

Die 55 Wahllokale sind am Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Die Zahl der Wahlkabinen wurde von zwei auf drei erhöht. Es gibt nur einen Stimmzettel. Mit der Erststimme wählt man den Wahlkreiskandidaten, mit der Zweitstimme die Partei.

Das Briefwahlbüro ist seit Freitagabend geschlossen. Umschläge können noch bis Sonntag, 18 Uhr, in den Rathausbriefkasten eingeworfen werden. Die Wahl verfolgen kann man auf waz.de/witten

Ausgezählt wird aber erst am Sonntag ab 18 Uhr. Wegen der vielen Briefwähler liegt das Endergebnis womöglich erst zwischen 22 und 23 Uhr vor. Die SPD will im Irish Pub in der Bellerslohstraße feiern, die Grünen im studentischen Knut’s mitten im Wiesenviertel, die CDU bei der TSG im Sportlerheim in Sprockhövel. Es dürfte ein langer Abend werden.