Ruhrgebiet. Die CDU schließt die Reihen und lässt auf Kanzlerkandidat Armin Laschet nichts kommen. Doch die Nervosität nimmt zu. Zwei Ortsbesuche.
Die Wittener CDU ist Kummer gewohnt. In dieser SPD-Bastion im Ruhrtal wuchsen die Bäume für die Christdemokraten noch nie in den Himmel. Im vergangenen Herbst aber gelang der Partei ein Coup: Lars König siegte in der Stichwahl um das Bürgermeisteramt überraschend gegen SPD-Amtsinhaberin Sonja Leidemann. Erstmals in der Geschichte Wittens gibt es nun ein Stadtoberhaupt mit CDU-Parteibuch. Vielleicht liegt es ja daran, dass die Wittener auch jetzt den Mut nicht verlieren.
Auf Umfragen geben sie hier nicht viel
Auf Umfragen geben sie hier jedenfalls nicht viel. Den Erfolg von Lars König hatte damals niemand auf dem Zettel, sagt Stadtverbandschef Ulrich Oberste-Padtberg. Genauso wenig wie drei Jahre zuvor den Sieg von Armin Laschet bei der Landtagswahl 2017. „Aber an den Wahlständen haben wir jedesmal gemerkt, dass sich die Stimmung zu unseren Gunsten dreht“, sagt er.
Der Draht zu den Wählern
Auch diesmal vertraut die Wittener CDU ganz auf ihren Draht zu den Wählern. Absturz in den Umfragen? Häme und Spott für den Kanzlerkandidaten? Nicht so im Wittener Haustürwahlkampf. Dort sei die Resonanz „anders als in den Medien und allgemein sachlicher“, legen Wahlkämpfer wie CDU-Ortverbandschef Siegfried Hillert aus Witten-Heven dem Stadtverbandsvorstand Rechnung ab.
Auf Laschet lässt keiner etwas kommen
Der tagt diesmal in einer Gaststätte namens „Ruhrpottpension Am Stöter“, was ein bisschen irreführend ist. Denn an Ruhrpott erinnert in diesem sehr grünen, sehr ländlichen Teil des Reviers eigentlich nichts mehr: heile Welt in Wittens Süden. Mehr als drei Dutzend Wahlkämpfer sitzen an diesem Abend zusammen.
Auf Laschet lässt hier niemand etwas kommen, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Bei Bier, belegten Brötchen und Currywurst wirkt die Stimmung im Gegenteil geradezu aufgeräumt. Von Nervosität keine Spur. Trotz miserabler Umfragewerte und persönlicher Pannen des Kanzlerkandidaten: Zumindest der sichtbare Grad der Zerknirschtheit tendiert unerwartet gegen Null.
Geschlossenheit ist das Gebot der Stunde
„Die CDU ist immer dann stark, wenn sie geschlossen auftritt. Und das tut sie in Witten“, betont denn auch Oberste-Padtberg. Wer will, kann das als eine Mahnung an die Gesamtpartei verstehen, sich vorbehaltlos hinter Armin Laschet zu stellen. Immerhin: ein Hauch von Kritik am Parteiestablishment.
1500 Haustürbesuche in Witten
Auch Hartmut Ziebs ist da. Der 62-Jährige Schwelmer will im traditionell „roten“ Wahlkreis Ennepe-Ruhr II (Witten, Wetter, Herdecke und Hattingen) erstmals für die CDU in den Bundestag einziehen. Gegenwind für die CDU? Verspürt auch er im Wahlkampf nicht. An 1500 Haustüren hat Ziebs in den vergangenen Wochen geklingelt, hat eine „Kneipentour“ gemacht, ist bei Wittens mittelständischer Wirtschaft vorstellig geworden. Jetzt sagt er: „Dieser Wahlkreis ist machbar für uns.“
Und das Umfragetief? Ziebs, bis 2019 Präsident des deutschen Feuerwehrverbandes und gelernte Bezirksbrandmeister kennt sich aus mit brenzligen Lagen. Man höre ja auch nicht auf, sein Auto zu schieben, nur weil es den Hügel mal raufgeht, sagt er. Irgendwann rolle es dann ja auch wieder von selbst.
Der Team-Player soll sein Team präsentieren
Ob es so kommt, hängt für die Wittener von dem ab, was jetzt folgt. Laschet müsse nun „nach vorne“ gehen, klarer noch als bisher zeigen, welche Sachkompetenz er habe, sagt Regina Fiedler, CDU-Ratsmitglied und Wittener Vizebürgermeisterin. Für Parteichef Oberste-Padtberg ist es an der Zeit, dass der „Team-Player“ Laschet endlich ein Team präsentiert. Ein Schattenkabinett. „Das muss kommen und das wird kommen. Wir haben doch die richtigen Leute“, sagt er.
Will man sich ablenken?
Auch in Dortmund scheint die CDU-Welt so schnell nicht aus den Fugen zu geraten. Der 106. Kreisparteitag, der erste seit zwei Jahren in Präsenz, steht ganz im Zeichen von Parteiroutine. Man beschäftigt sich mit sich selbst. Oder will man sich ablenken? Jedenfalls steht die Neuwahl des Kreisvorsitzenden klar im Vordergrund. Zuvor müssen Mandatsprüfungs- und Stimmzählkommission gewählt, Kreisschatzmeister und Rechnungsprüfer gehört werden. Die Tagesordnung ist lang. „Rechnen Sie mal mit drei Stunden“, sagt Sascha Mader.
Applaus in Dortmund
Am Ende ist der Kriminalbeamte aus dem Ortsteil Schüren neuer alter CDU-Chef der größten Ruhrgebietsstadt. In seiner Antrittsrede lässt Mader dann doch erkennen, dass der Bundestagswahlkampf nicht so läuft, wie es viele in der Partei erhofft haben. „Die CDU hadert diesmal mit sich selbst, sieht mehr die Probleme als die Lösungen“, sagt er.
Nicht alles an der Kampagne gefalle ihm. Armin Laschet aber ist für ihn der richtige Kandidat. „Mir will nicht in den Kopf, dass jemand, der ein 18-Millionen-Einwohner-Land geräuschlos regiert, nicht auch zu anderem fähig sein soll. Ich bin stolz darauf, dass Armin Laschet unser Ministerpräsident ist“, sagt Mader und der Applaus der knapp 120 Parteimitglieder in der Alten Schmiede in Dortmund Huckarde brandet an dieser Stelle besonders laut auf.
Die Stimmung ist nervös, räumt einer ein
Wie in Witten gibt man auch in Dortmund auf die Umfragen nicht viel. Oder will es nicht geben. „Die Stimmung innerhalb der Partei ist nervöser als außerhalb“, räumt einer ein, der schon lange aktives Mitglied ist. Das Gerede über einen Kandidatenwechsel sei freilich „völliger Blödsinn“ und auf den letzten Metern ohnehin nicht umsetzbar.
Mehr Basis-Entscheidung gefordert
Geschlossenheit sei nun das Gebot der Stunde, sagt ein anderer, der sich in dem ganzen Verfahren von Anfang an mehr Mitbestimmung der Basis gewünscht hätte. „Wer weiß, dann wäre vielleicht Friedrich Merz jetzt unser Kandidat.“ Doch der Blick zurück helfe ja nicht, gibt er zu: „Armin Laschet muss jetzt kämpfen. Dass er das kann, hat er bei der Landtagswahl bewiesen.“