Witten. Seit fünf Jahren ist Paul Anschütz Wittens Kinder- und Jugendbeauftragter. Was macht er eigentlich? Ein Gespräch über Spielplätze und Corona.
Seit fünf Jahren ist Paul Anschütz (34) als Kinder- und Jugendbeauftragter Ansprechpartner für alle unter 18 Jahren in der Stadt. Das Anliegen des Witteners: Kinder und Jugendliche als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu sehen, die das Recht haben, sich einzumischen und mitzuentscheiden. Ein Gespräch über Spielplätze, eine Hotline und Corona.
Was sind Ihre Aufgaben?
Neben der Umsetzung des Spielflächenkonzepts bin ich auch für die Kinderbeteiligungen bei Spielplatzplanungen zuständig, um sicherzustellen, dass deren Belange ausreichend berücksichtigt werden. Das Kinder- und Jugendparlament ist der zweite große Bereich meiner Arbeit. Darüber hinaus organisiere ich normalerweise auch den Weltkindertag in der Innenstadt, aber der fällt ja wegen der Pandemie aus.
Welches neue Format haben Sie seit Ihrem Start begleitet?
Wir haben vor drei Jahren die Jugendforen eingeführt, bei denen wir alle 13- bis 17-Jährigen eingeladen hatten, sich zu Problemen in ihren Stadtteilen zu äußern und hierzu in Kontakt mit Politik und Verwaltung zu treten. Auch dieses Format konnte wegen Corona leider nicht fortgeführt werden.
Jugendamt Witten unterstützt Schulklassen im Corona-Alltag
Was macht Kindern und Jugendlichen in Witten gerade zu schaffen?
Ein großes Problem besteht für die Schulklassen, gerade in der Grundschule, die jetzt nach mehr als einem Jahr des Hin und Her mit viel Distanzunterricht das erste Mal wieder aufeinandertreffen und sich als „richtiger“ Klassenverband finden müssen. Hier wollen wir als Jugendamt gerne Angebote zur Unterstützung machen. Glücklicherweise stehen nun die entsprechenden Fördermittel zur Verfügung. Derzeit entwickeln wir mit den Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern dafür Ideen.
Welche Probleme bestehen außerhalb von Schule?
Eine weitere Erkenntnis aus der Pandemie und ein drängendes Problem in der Stadt ist der Mangel an Orten, wo sich Jugendliche friedlich und ohne Randale draußen treffen können. Entsprechende Flächen sind durch zunehmende Bebauung immer weiter zurückgegangen und die Jugendlichen werden an den verbleibenden Plätzen zum Teil als Störung wahrgenommen oder von vornherein nicht geduldet. Bei allem Verständnis für das Bedürfnis nach Ruhe bei Anwohnern und ohne Randale oder Vandalismus schönreden zu wollen, habe ich den Eindruck, dass viele mit zunehmendem Alter vergessen, dass sie als Jugendliche auch nicht den ganzen Tag still und brav im Kinderzimmer gesessen haben. Hier gilt es, ein gesundes Maß zwischen dem Schaffen von Freiräumen und den ordnungspolitischen Aspekten zu finden.
Stadt Witten bietet Hotline für Kinder und Jugendliche
Melden sich Kinder und Jugendliche eigentlich tatsächlich mit Problemen über die Hotline bei der Stadt? Worum geht es da?
Die einzelnen Fälle unterliegen natürlich dem Datenschutz, aber ja, die Hotline (581-2828) wird genutzt, vor allem in Coronazeiten. Die Themen decken im Grunde das gesamte Aufgabenspektrum des Jugendamtes ab: Probleme mit den Eltern, in der Schule, mit anderen Ämtern. In Zukunft wollen wir die telefonische Erreichbarkeit aber um eine niedrigschwellige, anonyme Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch ein Formular im Internet erweitern oder dadurch ersetzen.
Vor der Bundestagswahl: Jugend trifft Politik
Das Jugendamt hat mit dem Stadtjugendring und dem Ring der politischen Jugend ein Format zur Bundestagswahl am 26. September erarbeitet, um die Jugendlichen in Kontakt mit den Kandidaten der einzelnen Parteien zu bringen. „Jugend trifft Politik“ heißt es bei einem Zoom-Meeting mit den Direktkandidaten für Witten am Donnerstag, 9. September, ab 18 Uhr.
Ähnlich wie beim Speed-Dating kann man nach jeder Runde entscheiden, mit welchem Politiker man zum nächsten Thema sprechen möchte. Am Anfang und am Ende finden sich alle in einem Raum zusammen. Über diesen Link kann man teilnehmen: https://us02web.zoom.us/j/81907420968. Meeting-ID: 819 0742 0968.
Wie haben Sie während Corona den Kontakt zu den jungen Wittenern halten können?
Ein Großteil meiner „normalen“ Arbeit beruht auf direkten Gesprächen mit Jugendlichen, Gruppenarbeit und Workshops, Großveranstaltungen wie dem Weltkindertag, den Jugendforen oder den großen Sitzungen des Kinder- und Jugendparlaments. All das war und ist während Corona einfach nicht möglich. Vieles musste ersatzlos gestrichen werden, weil bei solchen Veranstaltungen digitale Konzepte keinen adäquaten Ersatz bieten können. Aber auch sonst stoßen digitale Formate schnell an ihre Grenzen. Es fehlt einfach die Möglichkeit, etwas zwischen Tür und Angel zu klären und – ganz banal – auch an so etwas wie einem gemeinsamen Pizzaessen, um den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Vor diesem Hintergrund war Corona für meine Arbeit wirklich das Worst-Case-Szenario.
Das betrifft auch das Kinder- und Jugendparlament (Kijupa)...
Besonders leid tut es mir für dessen Mitglieder, die ihre zweijährige Wahlperiode zum größten Teil im Homeschooling verbracht haben. All die normalen Bestandteile einer Amtszeit im Kijupa wie der Besuch des Land- oder Bundestags, die Teilnahme an Ausflügen, Seminaren, Rats- und Kijupa-Sitzungen sind für die Jugendlichen ins Wasser gefallen. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserem scheidenden Sprecher Thilo, der sich immer wieder darum gekümmert hat, die Jugendlichen wenigstens zu digitalen Sitzungen zu motivieren.