Witten. Nach der Jahrhundertflut wird über den Katastrophenschutz diskutiert. Hätten Anwohner in Witten, im EN-Kreis früher gewarnt werden müssen?
Die Debatte über den Katastrophenschutz in Deutschland geht nach dem Jahrhundert-Hochwasser weiter. Kamen die Warnungen zu spät oder gar nicht? Auch in Witten mussten Häuser und Wohnwagen evakuiert werden. Kreisbrandmeister Rolf-Erich Rehm, Leiter der Abteilung „Bevölkerungsschutz“, sieht zwar keine Fehler bei seiner Behörde. Das Ausmaß des Starkregens hat aber auch ihn überrascht.
„Wovor hätten wir warnen sollen außer vor viel Regen?“ fragt Rehm. „Aus meiner Sicht haben wir da nichts falsch gemacht.“ Es sei ja auch gewarnt worden, über die App „Nina“. „Die Wetterwarnungen sind alle rausgegangen. Hier sehe ich keine Defizite, definitiv nicht.“ Doch wegen einer Warnung vor Regen räume noch niemand seinen Keller leer. Zumal Warnungen des Deutschen Wetterdienstes vor Gewittern oder Unwettern immer wieder am EN-Kreis spurlos vorübergegangen seien, in diesem Sommer schon zehnmal.
Kreisbrandmeister auch für Witten fragt: „Wie kriegen wir nach dem Sirenenalarm die Information an die Bevölkerung?“
Und selbst wenn die Sirenen geheult hätten, wie es laut Rehm in Wetter aufgrund der vorhandenen Anlagen schon möglich wäre, „wie kriegen wir danach die Information an die Bevölkerung?“ Der Bürger müsse wissen, was er tut, wenn er die Sirene hört. Denn eins dürfe dann nicht geschehen: Dass Nicht-Betroffene die 112 wählen und den Notruf blockieren.
Was nicht heißen soll, dass Rehm nicht die Rückkehr der Sirenen befürwortet, wie sie jetzt in Witten bevorsteht. Das sei das Mittel der Wahl, sagt er, um die Bevölkerung zu alarmieren. Es müsse aber klar geregelt sein, wie die Menschen hinterher informiert werden. Wittens Feuerwehr-Vize Dirk Lieder denkt da zum Beispiel an eine Bandansage unter einer bestimmten Hotline-Nummer (wir berichteten).
Kreisbrandmeister: „Wir fordern seit zwölf Jahren eine Zwangs-SMS für alle“
„Was wir seit zwölf Jahren fordern“, sagt Rehm, „ist eine SMS, die zwangsweise alle bekommen.“ Der Katastrophenschutz müsse nach dieser Flut auch darüber nachdenken, kleinteiliger zu warnen, in bestimmten besonders gefährdeten Ortsteilen, etwa mit Lautsprecherdurchsagen. In Witten waren gerade die Straßen nahe der Ruhr betroffen, etwa In der Lake, Uferstraße, Herbeder Straße oder Alter Fährweg.
Gleichzeitig weist Rehm darauf hin, wie sich die Dinge am Mittwochabend (14.7.) vergangener Woche überschlagen hätten – nachdem es zwar vorher schon stark geregnet hatte, bis zum frühen Abend aber nur relativ wenige Einsätze gab. „Was dann im Einzelnen passiert ist, konnte keiner abschätzen.“ Wo Feuerwehrleute gerade wieder abrücken wollten, sei das Wasser plötzlich aus dem Gulli geschossen.
„Dezentrale Einsatzführung“ in Flut-Nacht
Die Feuerwehr im Kreis hatte sich nach den Wetterwarnungen am Montag (12.7.) mit Niederschlägen von bis zu 200 Liter pro Quadratmeter auf eine, so Rehm, „dezentrale Einsatzführung“ eingestellt. „Alle wussten, da kommt was. Es wurde ja ständig gewarnt: Vorsicht, Starkregen“. Am Ende sei dessen Geschwindigkeit einfach zu groß gewesen. „Da kam man nicht mehr hinterher.“ Im Kreis fuhr die Feuerwehr – jede war auf sich gestellt („dezentral“) – um die 1200 Einsätze. Zwei Kräfte wurden leicht verletzt.
In vier Altenheimen fiel der Strom aus, in Herdecke wurden die Bewohner in eine höhere Etage verfrachtet, in Gevelsberg ging ein ganzes Umspannwerk in die Knie. Noch sind die Gesamtschäden nicht zu beziffern. „Kellerwände wurden beschädigt, Bodenplatten“, aber ganze Häuser wie in anderen Regionen seien nicht von der Flut zerstört worden. Insgesamt steht Rehm, seit über 40 Jahren Feuerwehrmann, ähnlich fassungslos wie die meisten dieser Katastrophe gegenüber. „Zum Glück gab es bei uns keine Toten.“