Witten. Die Feuerwehr Witten will bei künftigen großen Flutereignissen gefährdete Anwohner an der Ruhr mit Sirenen warnen. Welche Lehren sie noch zieht.

Anwohner nahe der Lakebrücke in Heven mussten mit Booten gerettet werden, auch auf dem überfluteten Campingplatz Steger in Bommern stand es Spitz auf Knopf. Hätten die Menschen in Witten nicht vor der großen Flut gewarnt werden müssen? Überall wird nach dem Jahrhundert-Hochwasser derzeit über den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz diskutiert.

Wie der Zufall so will: Ausgerechnet nach der Starkregennacht von Mittag (14.7.) auf Donnerstag (15.7.) vergangener Woche hatte die Stadt morgens bei der Feuerwehr zu einem Gespräch über ihre neu geplanten 27 Sirenen auf Hausdächern im ganzen Stadtgebiet eingeladen. Angesichts hunderter Hochwasser-Einsätze in den letzten zwölf Stunden schien das Thema zunächst nebensächlich zu sein. Doch nun, ein paar Tage später, zeigt sich, wie brisant es auf einmal ist.

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Längst nicht jeder in Witten hat oder achtet auf die Warn-App „Nina“

Überflutet war der Campingplatz Steger in Witten-Bommern. Dort wurden fünf Menschen von der Feuerwehr gerettet.
Überflutet war der Campingplatz Steger in Witten-Bommern. Dort wurden fünf Menschen von der Feuerwehr gerettet. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Natürlich kann jeder selbst auf die Wetterkarte gucken und sich über die Warnapp „Nina“ informieren.. „Doch nicht alle haben zum Beispiel ein Smartphone“, sagt Feuerwehr-Vize Dirk Lieder, der selbst von „Dauer und Intensität“ des Regens und seinen Folgen überrascht wurde. „Gestern“, räumte denn auch die Abteilungsleiterin für Verwaltung und allgemeine Gefahrenabwehr, Claudia Link, an jenem Donnerstagmorgen ein, „hätte man die neuen Sirenen schon gebrauchen können.“

Nun, vielleicht ja beim nächsten Mal, das hoffentlich noch in weiter Ferne liegt. Sirenen könnten bei Katastrophen jeder Art heulen, ob Feuer, Hochwasser oder Erdbeben. Die Wittener Feuerwehr wird in jedem Falle Konsequenzen aus der in diesem Ausmaß nie dagewesenen Flut ziehen und bestimmte Komponenten noch mehr in ihr Lagebild einbeziehen. Denn allein auf die Unwetterwarnungen könne man sich nicht verlassen, sagt Abteilungsleiter Lieder. „Die gibt es bei den Gewittern im Sommer fast wöchentlich. Wenn wir da jedes Mal warnen würden, nähme das keiner mehr ernst.“

Vize-Feuerwehrchef aus Witten: „In 30 Jahren noch nicht eine solche Überschwemmung innerhalb weniger Stunden erlebt“

Künftig soll ein massives Schlecht-Wetter-Ereignis noch stärker mit dem Ruhrpegel verbunden und daraus eine mögliche Warnung der Bevölkerung in besonders gefährdeten Überschwemmungsgebieten wie Steger, untere Uferstraße, In der Lake oder Alter Fährweg abgeleitet werden – sofern Menschenleben in Gefahr sind. Lieder: „Wenn die Sirenen stehen, ist das ein Szenario, das wir in jedem Fall einplanen.“

An jenem verhängnisvollen Mittwoch hatte die Feuerwehr den Ruhrpegel zwar auch abgefragt, so der 56-Jährige. „Doch bis 20, 21 Uhr war er noch nicht so stark gestiegen.“ Erst in der Nacht schnellte er dramatisch hoch, auf über sieben Meter. „Der für uns maßgebliche Pegel bei Wetter ist dann irgendwann ausgefallen. Eine so akute Überschwemmung innerhalb weniger Stunden habe ich in 30 Jahren bei der Feuerwehr noch nicht erlebt“, sagt Dirk Lieder.

Ab einem Ruhrpegel von 6,50 Metern könnte die Feuerwehr Bewohner in Witten per Sirene alarmieren

Innerhalb weniger Stunden schwoll die Ruhr in Witten in der Nacht von Mittwoch (14.7.) auf Donnerstag (15.7.) stark an. Der Pegel kletterte auf über sieben Meter: Jahrhundert-Hochwasser!
Innerhalb weniger Stunden schwoll die Ruhr in Witten in der Nacht von Mittwoch (14.7.) auf Donnerstag (15.7.) stark an. Der Pegel kletterte auf über sieben Meter: Jahrhundert-Hochwasser! © www.blossey.eu | Hans Blossey

Wenn die Ruhr künftig ab einem Pegelstand in Wetter von beispielsweise 6,50 Metern über die Ufer zu drohe, dann könne ein Sirenenalarm in den besonders betroffenen Gebieten Sinn machen. In das aktuelle Lagebild soll auch die Analyse von Gewässerkarten des Ruhrverbandes einfließen. Darin werden bestimmte Überflutungsgebiete ausgewiesen.

Unterm Strich habe Witten aber noch Glück gehabt, da sich das Wasser in den kaum bewohnten Ruhrauen ausbreiten konnte, sagt der stellvertretende Leiter der Feuerwehr, der selbst in Hagen wohnt und dort die verheerenden Auswirkungen der stark gestiegenen Flüsse Ruhr, Volme, Lenne und Ennepe erlebte. Aktuell hilft die Wittener Feuerwehr schon wieder woanders aus. Zehn Kräfte sind momentan in Euskirchen im Einsatz, einem der großen Flut-Katastrophengebiete in NRW.