Witten. Gleich zwei Paare feiern im Josefshaus in Witten Eiserne Hochzeit. Die vier Senioren haben eine bewegte Vergangenheit – und sind beste Freunde.
Rund 15 Jahre sind Paare in Deutschland derzeit im Schnitt verheiratet, wenn sie sich scheiden lassen. Jede dritte Ehe scheitert. Zahlen, über die Erika und Heinz Köppen sowie Dorle und Reinhold Trojan nur lachen können. Die Wittener feiern in diesem Jahr ihre Eiserne Hochzeit. 65 Jahre sind die Paare verheiratet – und 66 Jahre miteinander befreundet.
Anfang der 50er-Jahre lebten die Familien Tür an Tür in der Crengeldanzstraße – heute leben die beiden Paare gemeinsam im St-Josefshaus in Herbede. Am 17. März 1956 läuteten für Erika und Heinz die Hochzeitsglocken, am 4. August für Dorle und Reinhold. „Und ab der Hochzeit haben wir alle Feiern zusammen gemacht“, erzählen die Vier.
Ehepaar aus Witten folgt den besten Freunden ins Seniorenheim
2017 zogen zunächst die Trojans ins Seniorenheim – und wurden regelmäßig von ihren Freunden besucht. „Wir haben unseren Kindern immer gesagt: Wenn wir nicht mehr können, wollen wir auch da hin, wo Dorle und Reinhold sind.“ Das Seniorenpaar folgte seinen langjährigen Freunden 2020. Doch wegen der Corona-Pandemie konnten sich die Paare zunächst nicht sehen, sondern nur gegenseitig am Fenster winken.
Onkel und Tante nennen die Kinder das jeweils andere Paar. „Auch noch jetzt mit ihren 60 Jahren“, schmunzelt Reinhold Trojan. Der heute 90-Jährige sah seine Dorle als junger Mann jeden Tag in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit. Und eines Tages sprach er sie an. „Dorle war ein hübsches Mädchen, da hat der Reinhold zugegriffen“, scherzt Heinz Köppen. „Wir haben das ja damals miterlebt.“
Vor dem Ja-Wort musste der Lohnzettel vorgezeigt werden
Als sich die Trojans das Ja-Wort geben wollten, musste der 25-jährige Reinhold eine Genehmigung seiner Schwiegermutter vorlegen. Denn heiraten durfte man damals mit 21 – und seine Verlobte war erst 19 Jahre alt. „Und dem Standesbeamten musste ich dann noch meinen Lohnstreifen vorzeigen – um zu beweisen, dass ich eine Familie ernähren kann.“
Heinz und Erika Köppen lernten sich bei einem Tanzabend in ihrem damaligen Wohnort in Schleswig-Holstein kennen. Doch ganz zufällig war das nicht. „Ich habe damals Milch ausgefahren und hatte sie schon ein paar Mal gesehen“, erzählt der 86-Jährige. Also ergriff er seine Chance und forderte die damals 17-Jährige zum Tanzen auf. „Und da haben wir uns gleich ineinander verknallt.“ Später siedelte zuerst Heinz nach Witten um, holte seine Liebste kurz darauf nach.
Flucht aus Westpreußen endete fast tödlich
Dass die beiden sich überhaupt treffen konnten, verdanken sie auch einem glücklichen Zufall. Denn Köppen, der später jahrzehntelang im Stahlwerk von Thyssen arbeitete, musste mit seiner Familie aus Westpreußen (heute Polen) flüchten. Und stand bereits auf der Zugangsbrücke zur Wilhelm Gustloff, einem Passagierschiff, das noch am selben Tag von sowjetischen Torpedos versenkt wurde. 9000 Menschen starben.
„Aber wir wurden weggeschickt, weil wir einem anderen Schiff zugeteilt waren“, erinnert sich Köppen. So gelangte er schließlich nach Schleswig-Holstein und traf seine Erika, die aus Ostpreußen über die DDR schließlich in den Westen gelangt war. Von den acht Kindern der Familie hatten nur fünf die Flucht überlebt.
„Man muss auch mal zurückstecken“
Aus Ostpreußen war am Ende des Zweiten Weltkriegs auch Reinhold Trojan geflüchtet. In einem Viehwaggon wurden er und seine Familie mit weiteren Flüchtlingen nach Sachsen in ein Sammellager gebracht. Später zog es ihn in die Lüneburger Heide. Von dort aus überquerte er dann eines Nachts mit einem Freund die Zonengrenze – eine Mauer oder richtige Grenzbefestigungen gab es da noch nicht – dafür russische Wachsoldaten. „Dem einen habe ich 70 Mark gegeben, dann hat er uns den Weg in den Westen gezeigt.“ Weil die Tante seines Freundes in Witten lebte, kam er in die Ruhrstadt und baute sich hier ein Leben auf.
Doppelte Hochzeitsfeier im Sommer geplant
Sollte die Corona-Lage es erlauben, möchte das St.-Josefshaus für seine eisernen_Ehepaare im Sommer eine etwas größere Feier mit Gottesdienst im Garten der Einrichtung ausrichten. Auch die Goldene und die Diamantene Hochzeit haben die beiden Paare schon miteinander gefeiert. Das Josefshaus ist verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise gekommen. Derzeit sind Besuche von Angehörigen und Freunden erlaubt, allerdings darf immer nur eine Person gleichzeitig zu den Bewohnern. Voraussetzung ist die Vorlage eines negativen Schnelltests. Ab Montag bietet das Haus auch direkt vor Ort die Möglichkeit zum Schnelltest an.
„Einer muss dem anderen Recht geben, man muss auch mal zurückstecken“, fasst der 90-Jährige das Geheimnis seiner langen Ehe zusammen. „Zank gibt es überall mal, aber das ist ja kein Grund“, ergänzt seine Frau Dorle. Das sehen ihre Freunde genauso. „Heute werfen die Leute sich so schnell weg, das finde ich gar nicht schön“, sagt Heinz Köppen. Als er damals bei den Schwiegereltern um die Hand seiner Angebeteten anhielt, antworteten sie, er solle gut auf ihr Mädchen aufpassen. „Und das habe ich getan“, sagt der 86-Jährige und seine Augen füllen sich mit Tränen. „Und das tue ich auch weiter, da lass ich nicht locker.“