Witten. Auch wenn Seniorenheim-Bewohner gegen Corona geimpft sind, kann es noch kein Zurück zur Normalität geben - heißt es von Altenheimen in Witten.

Die Awo Westliches Westfalen hat sich öffentlich zu Wort gemeldet, wünscht sich als Trägerin von Seniorenheimen nach den Corona-Schutzimpfungen der Bewohner für diese mehr Lockerungen. Die hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann jetzt für Alten- und Pflegeheime angekündigt. Warum zwei Wittener Heime weiterhin Vorsicht für das Gebot der Stunde halten.

In den Heimen könne man - trotz der Impfungen - nur mit kleinen Schritten vorangehen, aber noch nicht zu Vor-Corona-Zeiten zurückkehren, sagt Hedwig Deppe, Pflegedienstleiterin des St. Josefshauses in Herbede. Sie verweist auf die steigenden Infektionszahlen und den Vormarsch der Corona-Mutationen. Die 80 geimpften Bewohner ihres Hauses könnten sich in- und außerhalb der Einrichtung - coronakonform - frei bewegen. Bernd Biewald, beim Kreis für die Heimaufsicht zuständig, stellt klar, dass Seniorenheim-Bewohner in NRW zweimal täglich jeweils zwei Besucher in den Heimen empfangen können. Außerhalb der Einrichtungen könnten sie sich sogar zweimal am Tag mit jeweils vier Menschen treffen. Biewald: „Das sieht die Corona-Allgemeinverfügung ,Pflege und Besuche’ des Landes vor.“

Pflegekraft aus Witten hält die Besuchsregelung in Seniorenheimen für „Wahlkampf“

Über diese Besuchsregelung schüttelt eine Wittener Pflegekraft, die anonym bleiben möchte, den Kopf. In Zeiten, in denen jeder seine Kontakte auf ein Minimum reduzieren soll, würden alten Menschen viele ermöglicht. „Das ist Wahlkampf“, kritisiert die Pflegekraft. Pflegedienstleiterin Hedwig Deppe erklärt, dass Besucher des St. Josefshauses einen aktuellen, für 48 Stunden gültigen Corona-Test vorweisen müssen. Sonst werde dieser vor Ort gemacht. „Das ist Pflicht!“ Ende Dezember waren drei Heimbewohner an Covid erkrankt, auch eine Pflegekraft. Jetzt sind alle Bewohner geimpft. Mittlerweile hätten sich auch 21 weitere Mitarbeiter für eine Impfung entschieden, sagt Hedwig Deppe. „Danach sind über 80 Prozent unseres Personals geimpft - nicht nur die Pflegekräfte.“

Pflegedienstleiterin Hedwig Deppe betont: „Die Impfungen haben mir sehr viel Angst genommen.“
Pflegedienstleiterin Hedwig Deppe betont: „Die Impfungen haben mir sehr viel Angst genommen.“ © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Aber: Auch Impfungen böten keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Erkrankung. Sie sorgten aber dafür, dass Corona im Falle einer Infektion nicht so schlimme Folgen für den Betroffenen habe. Nach Angaben des Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle, ist noch nicht abschließend geklärt, ob Geimpfte weiter infektiös sein könnten - sprich, ob sie andere mit dem Virus infizieren können. Alles Gründe, wie Deppe betont, weswegen man in den Heimen weiter vorsichtig sein müsse. „Deshalb testen wir auch unsere geimpften Bewohner immer noch regelmäßig.“

Pflegedienstchefin glaubt: „Die meisten stecken sich im privaten Bereich an“

Die Mitarbeiter des St. Josefshauses machen drei Schnelltests in der Woche. Deppe: „So haben wir festgestellt, dass sich eine Kollegin aus der Hauswirtschaft infiziert hatte.“ Im Umgang mit den Angehörigen setzt die Pflegedienstchefin auf Gespräche. Dabei erläutert sie auch, warum sie es für keine gute Idee hält, eine Seniorenheim-Bewohnerin zur Geburtstagsfeier des dreijährigen Enkels einzuladen. Denn noch immer seien viele Menschen nicht geimpft. „Die meisten stecken sich im privaten Bereich mit Corona an“, ist Hedwig Deppe überzeugt.

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Im Haus Buschey in Witten-Bommern waren rund 20 Bewohner und Mitarbeiter an Corona erkrankt. Seit Mitte Februar ist das Seniorenheim coronafrei.
Im Haus Buschey in Witten-Bommern waren rund 20 Bewohner und Mitarbeiter an Corona erkrankt. Seit Mitte Februar ist das Seniorenheim coronafrei. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Magdalena Pogorzalek leitet das Haus Buschey in Bommern. In diesem war es am 22. Dezember zu einem Coronaausbruch gekommen. Insgesamt erkrankten rund 20 alte Menschen und Mitarbeiter. Nicht alle 78 Bewohner wurden geimpft, sagt die Heimleiterin. Es gebe Senioren, deren Grunderkrankungen gegen eine Impfung gesprochen hätten. Von ihrem Personal seien rund 70 Prozent geimpft, so Pogorzalek.

Wer Bewohner im Haus besuchen möchte, muss sich vorher anmelden und - wie vorgeschrieben - einen aktuellen Coronatest mitbringen oder im Heim einen machen.

Vor Haus Buschey in Bommern sollen kleine Sitzgruppen eingerichtet werden

Auch Pogorzalek sagt, dass man nicht schon zur Normalität zurückkehren könne. „Das wäre derzeit russisches Roulette.“ Zu behaupten, dass Menschen in Seniorenheimen vereinsamten, sei unverschämt, findet sie. Die Bewohner könnten besucht werden und sich auch außerhalb der Häuser bewegen, Menschen treffen, spazieren gehen.

Keine Ausbrüche mehr in Wittener Heimen

In den Pflegeeinrichtungen in Witten gibt es keine Corona-Ausbrüche mehr, so Bernd Biewald, beim Kreis für die Heimaufsicht zuständig. Im Kreis hätten nur zwei Seniorenheime in Gevelsberg noch eine „geringe Zahl von Corona-Kranken“, sagte er auf Anfrage der Redaktion in der vergangenen Woche.

Bis Mitte Februar waren in Witten 61 alte Menschen, die in der Stadt in Altenheimen lebten, an oder mit dem Coronavirus gestorben. Hinzu kommen weitere Todesfälle von Senioren, die noch zu Hause lebten.

Wenn es das Wetter zulässt, sollen vor Haus Buschey an der frischen Luft kleine Sitzgruppen eingerichtet werden. Dass man sich in den Seniorenheimen weiter vorsichtig verhalten müsse, würden die meisten Angehörigen auch mittragen. Magdalena Pogorzalek: „Es gibt einzelne Dispute, aber die gibt es ja überall.“

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