Witten. Die Museumsbahnstrecke hat in Witten plötzlich wieder besondere Bedeutung bekommen. Was es mit der speziellen Ladung der Güterzüge auf sich hat.

Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Herbede ist seit ein paar Tagen aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Dort lagern momentan unzählige Festmeter an frisch geschlagenen Baumstämmen. Sie treten eine lange Reise an.

Gigantische Greifarme verladen das Holz auf Waggons. Schwere Dieselloks ziehen die Züge über die beschauliche Strecke der Museumsbahn zunächst nach Hagen-Vorhalle. Passanten, Spaziergänger und Autofahrer wundern sich: „Was passiert mit dem Holz? Wo kommt es her? Wo soll es hin?“

Spaziergänger wundern sich über Baumstämme auf Güterzügen aus Witten

Die Fläche wird vorübergehend von der Firma Holzlogistik & Güterbahn (HLG) als Umladeplatz genutzt. Das Holz stammt aus heimischen und regionalen Wäldern - dem EN-Kreiswald, dem Märkischen Kreis, dem Sauerland und zahlreichen privaten Waldungen. „In unseren Wäldern gibt es momentan viel Totholz und somit jede Menge Arbeit“, sagt Thomas Jansen vom Landesbetrieb Wald und Holz. „Die Trockenheit und der Borkenkäfer haben den Bäumen arg zugesetzt.“ Täglich kreischen derzeit die Motorsägen. Jansen: „Mittlerweile haben wir einen derart großen Holzüberschuss, dass es keine Kapazitäten in unseren Sägewerken mehr gibt.“

Baumstämme ohne Ende: Der ehemalige Bahnhof in Witten-Herbede ist zum Umladeplatz für Holz geworden. In den Wäldern hat sich viel Totholz angesammelt.
Baumstämme ohne Ende: Der ehemalige Bahnhof in Witten-Herbede ist zum Umladeplatz für Holz geworden. In den Wäldern hat sich viel Totholz angesammelt.

Dem kann Stadtförster Klaus Peter nur beipflichten. „Das Holz muss raus aus dem Wald. Also werden die Hölzer ins Ausland, manchmal sogar nach Übersee exportiert.“ Erstes Ziel des „Holzlagers“ am Bahnhof Herbede ist Österreich. Von da aus soll es weiter in Richtung Rumänien gehen. Dort ist der Holzbedarf in den Möbelfabriken beispielsweise von Ikea groß. Vielleicht kehren unsere Hölzer ja dann demnächst als Billy-Regal oder Norden-Klapptisch irgendwann zu uns zurück...

Geländegängige Forst-Lkw mit Langholz-Anhängern bringen die Stämme aus den Wäldern zum Umladeplatz nach Herbede. „Aus Umweltgründen und wirtschaftlichen Überlegungen soll das Holz nicht auf der Straße die langen Wege bis zum Ziel zurücklegen“, sagt David Uhr, Geschäftsführer des Eisenbahn-Verkehrsunternehmens „railflex“. Es ist für die Lager-und Umlade-Logistik verantwortlich.

Für das Verladen in Container oder auf Holz-Waggons braucht man eine große freie Fläche mit Gleisanschluss. Was lag da näher als mit dem Besitzer des Herbeder Geländes Kontakt aufzunehmen, der Touristik Eisenbahn Ruhrgebiet GmbH (TER), damit das Holz reibungslos aus dem Wald auf die Schiene kommt?

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TER-Betriebsleiter Heiko Hecht war sich schnell mit der Holzlogistik-Firma einig, die die Fläche nutzt. Das Gelände ist jetzt vorübergehend als Lagerfläche vermietet. Der Platz in der Größe von rund acht Fußballfeldern wurde aufgeräumt und mit 380 Tonnen Schotter befestigt. Bis zum Jahresende sind 120 Holz-Züge geplant.

Vom Lkw-Anhänger auf die Schiene: Die Baumstämme werden in Witten-Herbede gelagert und dann umgeladen.
Vom Lkw-Anhänger auf die Schiene: Die Baumstämme werden in Witten-Herbede gelagert und dann umgeladen.

Jeder der 500 Meter langen Züge hat rund 30 Waggons und 50 Tonnen Holz geladen. „Die E-Lok verbraucht nur ein Viertel der Energie - also ein wertvoller Beitrag fürs Klima“, sagt David Uhr, der Geschäftsführer von „railflex“. Ein Zug ersetzt mit seinen 1500 Tonnen Ladung 75 Lkw auf der Straße, „die unsere Umwelt nicht belasten“, sagt Hecht.

Der erste Zug hat seine Fahrt nach Hagen bereits angetreten. Ob die alte Bahnstrecke nun langfristig verkehrstechnisch wiederbelebt wird, steht allerdings noch in den Sternen. Railflex übernimmt mit Dieselloks lediglich die „letzte Meile“. Gemeint sind die 30 Kilometer zwischen Herbede und Hagen-Vorhalle. Von dort tritt das Holz zunächst mit weiteren Güterzügen den Weg in die weite Welt an.

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