Witten. Der neue Bürgermeister von Witten ist 100 Tage im Amt. Die Redaktion sprach mit Lars König nicht nur über Schnee von gestern und die Familie.
Nach 100 Tagen als Bürgermeister ist Lars König (50) immer noch Lars König. Er isst seine Currywurst auch mal auf einer Bank am verwaisten Berliner Platz, spricht gerne über seine Tochter und behält meistens die Ruhe. Im WAZ-Interview verrät er nicht nur, wie sich sein neues Amt mit seinem Privatleben verträgt und wer ihm derzeit im Büro Gesellschaft leistet.
Herr König, Schnee und Eis haben Corona zuletzt von Platz 1 der wichtigsten Themen verdrängt. Sind Sie zufrieden damit, wie Straßen und Bürgersteige geräumt wurden?
Absolut. Die Mitarbeiter vom Betriebsamt haben alle mit Hochdruck gearbeitet und einen wirklich guten Job gemacht. Aber wir sind nicht in Österreich im Skigebiet. Wir können nicht unendlich Leute und Fahrzeuge vorhalten, wenn alle zehn Jahre mal Schnee fällt.
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Sie sind Vater einer zehnjährigen Tochter. Wie erleben Sie den Ausnahmewinter mit Ihrer Familie?
Ich finde nicht, dass man von einem Ausnahmewinter sprechen kann. Natürlich haben wir uns gefreut, das der Holzschlitten ausgiebig zum Einsatz kam und wir einen richtigen Schneemann bauen konnten. Die Piste haben wir gleich hinterm Haus, wenn auch nur 60 Meter lang.
Lässt Ihnen das neue Amt eigentlich noch private Zeit?
Natürlich ist das Privatleben von montags bis freitags noch einmal deutlicher eingeschränkt als früher, denn die Arbeitstage sind sehr lang. Aber da es zurzeit coronabedingt nicht viele Veranstaltungen gibt, gehört das Wochenende wie gewohnt der Familie.
Sie wirken sehr ruhig und bedächtig, wie schon am Abend Ihres großen Wahlsiegs. Ist das Typsache oder brodelt da was unter der Oberfläche? Können Sie auch emotional werden?
Natürlich. Ich glaube, ich bin ein sehr ausgeglichener Typ. Aber selbstverständlich gibt es auch eine Amplitude (Schwingung/Pendel, Anm.d.Red.) nach oben oder unten. Alles andere wäre ja auch traurig.
Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Haben Sie schon etwas erreicht, was Sie sich vorgenommen hatten?
Definitiv. Mit dem Ratsbeschluss von Dezember haben wir die Dreifachsporthalle Hardenstein auf den Weg gebracht, die schon in meiner Zeit als Sportausschussvorsitzender auf der Agenda stand.
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Mit dem Einbringen des Stellenplans konnten zusätzliche Akzente gesetzt werden. Es soll 14 Stellen für den Ingenieursbereich in der Bauverwaltung geben, weil es immer wieder Hinweise gibt, dass Prozesse gerne schneller gesehen würden. Außerdem wollen wir den Radverkehr aufwerten. Für die technische Umsetzung suchen wir einen Ingenieur. Außerdem haben wir zum zweiten Mal die Stelle eines Radverkehrsbeauftragten ausgeschrieben.
Es gibt aber Kritik, dass sich immer noch nichts beim Radverkehr tut. Waren das leere Versprechungen?
Nein, sie finden die zusätzlichen Stellen wie gesagt im Stellenplan wieder. Sie müssen aber noch besetzt werden. Wir geben deutlich mehr Geld dafür aus. Hinzu kommt, dass Baumaßnahmen im Winter ohnehin eingeschränkt sind und die Dinge technisch teilweise etwas anspruchsvoller sind, wenn es etwa um Kontaktschleifen oder Ampelschaltungen geht. Wie an der Husemannstraße wird aber daran gearbeitet. Auch an der Ruhrstraße sind die Dinge aufgrund von Risiken für die Radfahrer nicht so leicht umzusetzen.
Aber Sie sind da dran?
Natürlich, persönlich und das Dezernat 4 von Herrn Rommelfanger (Stadtbaurat, Anm.d.Red.). Es gibt eine breite Mehrheit für das Radkonzept und ich habe keine Bedenken, dass wir am Ende gute Ergebnisse bekommen. Aber ich kann gut verstehen, dass es Einzelnen nicht schnell genug geht.
Sie wollten auch die Baustelle Pferdebachstraße vorantreiben. Haben Sie da was bewirken können?
Ich glaube nicht, dass ich das so formuliert hatte. Ich wünschte mir am Beispiel der Pferdebachstraße ein anderes Baustellenmanagement. Bei laufenden Projekten ist das natürlich schwer zu ändern. Es gilt aber für künftige Projekte.
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Das Bauamt soll schneller arbeiten können und besser besetzt werden. Wann ist damit zu rechnen?
Wenn der Rat den Stellenplan am Montag beschließt, kann Anfang März die Ausschreibung erfolgen. Natürlich müssen sich dann noch geeignete Bewerber finden. Das geht alles nicht von heute auf morgen.
Natürlich wurde Rom nicht an einem Tag erbaut, Sie haben ja mindestens fünf Jahre Zeit, die wir Ihnen auch gerne geben wollen. Trotzdem liegen die drängenden Probleme vor der Haustür. Wie lange gucken wir zum Beispiel noch auf ein leerstehendes Kaufhofgebäude und den immer noch unbebauten Kornmarkt?
Das sind zwei wichtige Punkte. Der Kornmarkt ist seit 25 Jahren in der Diskussion. Derzeit haben wir ein schwebendes Verfahren und einen Investor.
Aber Sie haben noch einen?
Ja, sonst hätten wir das ja in der WAZ gelesen. Wir werden zeitnah wissen, ob da was passiert. Es ist aber kein drängendes Problem, das in zwei Monaten einer Entscheidung bedürfte. Was das Kaufhof-Gebäude angeht: Wir sind nicht der Eigentümer, aber natürlich beschäftigten wir uns mit dem Projekt. Der Besitzer will wieder Handel entwickeln. Ich glaube nicht, dass wir eine komplette Lösung noch in diesem Jahr haben werden. All das ist abhängig von den Entscheidungen des Eigentümers. So gerne ich dort Leben sähe: Wir werden Geduld brauchen, was man ja auch an anderen Städten sieht.
In Hattingen und Herne standen die Gebäude von Karstadt bzw. Hertie jahrelang leer.
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Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen. Es kann Jahre dauern. Ich gucke direkt aus meinem Büro auf Kaufhof. Er ist stets Gegenstand von Gesprächen, aber mir gehört das Gebäude nicht. Ein bisschen Bewegung wird es aber geben. Dazu später mehr.
Was wird aus Ihrer angekündigten Offensive für mehr Kita-Plätze und mehr Sicherheit gerade in der Innenstadt?
Was die Kita-Plätze angeht. Hier seien drei Projekte genannt. Für eine neue Kita am Karl-Marx-Platz, der umgebaut wird, gibt es einen Investor. Kita Nummer 2 ist der Neubau in Buchholz, der ganz weit oben auf der Agenda steht, und Nr. 3 ist Durchholz. Zum Thema Sicherheit: Wir sind dabei, eine Ausschreibung für den kommunalen Ordnungsdienst auf den Weg zu bringen. Zur Zeit haben wir da mit fünf Mitarbeitern nur die halbe Mannstärke. Ich war nicht aus Spaß mit den Kollegen in der Silvesternacht unterwegs. Präsenz zu zeigen, der repressive Bereich, ist das eine, soziale Unterstützung durch Streetworker das andere. Ich bin optimistisch, dass wir die Sicherheit deutlich verbessern.
Sie haben Silvester wirklich Nachtschicht gemacht?
Ja, ich habe mich um 0.15 Uhr mit den Kollegen vom Ordnungsamt getroffen und war mit ihnen bis vier Uhr morgens unterwegs.
Was haben Sie da erlebt?
Jemand hat mit einer Schreckschusspistole geschossen, es gab Einsätze wegen Ruhestörung und wir haben die Schulhöfe von Hardenstein bis Bruchschule kontrolliert. Da herrschte zum Glück Ruhe.
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Noch ein Wort zur Corona-Krise: Wann rechnen Sie mit Lockerungen in Witten?
Wir brauchen ein klares zeitliches Ziel, alles andere ist schwer zu vermitteln. Es wird zunehmend schwer, Disziplin zu halten und der Vielzahl an Einschränkungen gerecht zu werden. Da ist zum Beispiel das Thema „Kinderbetreuung“: Wenn meine Frau arbeitet, kommt meine Tochter bis zum Mittagessen mit mir ins Büro. Aber ich bin privilegiert. Für viele Alleinerziehende und Familien ist das eine große Belastung und für die Gewerbetreibenden kaum noch erträglich.
Wo steht Witten am Ende dieses zweiten Corona-Jahres und was möchten Sie bis dahin unbedingt erreicht haben?
Was ich erreichen möchte und realistisch kann, steht im Haushalt. Für uns Bürger wünsche ich mir, dass wir wieder in unserer vertrauten Normalität leben und uns wieder guten Gewissens die Hand geben können.
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