Witten. Schnee und Eis haben Witten fest im Griff. Bus und Bahn stehen immer noch still, Auto fahren wird zum Abenteuer. Auch Fußgänger leben gefährlich.
Inge ist 83 und schleppt ihre beiden Einkaufstaschen gerade zu Fuß nach Hause. Zum Glück sind Edeka und Aldi ja fast nebenan. Aber selbst ein Fußweg von wenigen hundert Metern gerät bei diesen Wetterverhältnissen zum riskanten Hindernislauf. Mal eben die Straße überqueren? Gar nicht so einfach, wenn sich der Schnee an den Rändern auftürmt. Und die Kapellenstraße ist wie die meisten Seitenstraßen in Witten an diesem Montagmorgen schon wieder zugeschneit. Bloß nicht hinfallen.
Der Reporter hat sich auf das Wagnis „Stadtrundfahrt“ eingelassen. Auf dem Redaktionsparkplatz in der City liegt der Schnee fünf bis zehn Zentimeter hoch. Sein alter Volvo, den er selten fährt, ist nicht mehr silberfarben, sondern weiß. Wenn der Schnee einmal weggefegt ist, tauchen ganze Eisschollen darunter auf. Frostschutz? Der Meister bei Lente schüttelt den Kopf: „Wie soll ich denn die Motorhaube aufkriegen?“ Wir haben es dann doch noch irgendwie geschafft und zum Glück noch Luft nach oben: minus 40 Grad.
Die Temperaturanzeige zeigt sieben Grad minus in Witten an
Die Temperaturanzeige zeigt sieben Grad unter null Außentemperatur an. In der schmalen Gasstraße parken die DEW-Mitarbeiter wie immer dicht an dicht auf beiden Seiten. Aufpassen! Immerhin: Die meisten sind offenbar zur Arbeit erschienen. Wir fahren den Bodenborn rauf. Überall liegt grauer Schnee. Abbiegen in den Bommerfelder Ring ist gar nicht so einfach. Dort hat ihn offenbar noch keiner weggeschoben.
In der Neuen Mitte schneien wir einmal kurz bei Edeka rein, wo die Kassiererin froh ist, wenn jemand was aufs Band legt. „Freitag und Samstag war hier die Hölle los. Die Leute haben sich alle eingedeckt“, sagt sie. Gerade die Älteren blieben jetzt zu Hause. Vor allem sie sind einem erhöhten Sturzrisiko ausgesetzt.
Chirurg aus Witten: Es gibt mehr Brüche als sonst
Ja, es gebe mehr Brüche als sonst, bestätigt ein Chirurg gegenüber der WAZ. Er klagt darüber, dass die Hauptstraßen schlecht gestreut seien. „Die in Österreich können das doch auch!“ Nun, vermutlich tut man den Trupps vom Betriebsamt da ein wenig Unrecht. Sie schlagen sich die Tage und Nächte um die Ohren – und können es doch keinem wirklich recht machen.
„Die letzten Kollegen sind um zwei Uhr nachts eingerückt und die ersten um fünf Uhr morgens wieder rausgefahren“, sagt Vize-Amtsleiter Thomas Bodang am Montagmittag. Mann und Maus sind auf der Straße. An der Ardeystraße/Ecke Dortmunder kommen uns gleich zwei große orangene Streuwagen mit hohem Tempo und wehenden Flaggen entgegen. Helden der Straße, ohne die gar nichts mehr ginge.
Wann die Seitenstraßen in Witten gestreut werden? Vielleicht ab Mittwoch
Aber selbst sie kommen bei diesem Wetter an ihre Grenzen. Wenn sie mit den Hauptstraßen durch sind, geht’s wieder von vorne los. Seitenstraßen? Vielleicht ab Mittwoch. Kein Wunder, dass die Anwohner in der Alte Straße noch keinen Streuwagen gesehen haben. „Obwohl hier doch auch der Bus herfährt“, sagt ein Mann. Theoretisch stimmt das. Doch der ÖPNV traut sich immer noch nicht raus. Die VER hat es frühmorgens mal versucht, gab um sieben wegen Schnee und Glatteis aber wieder auf. Warten auf den Winterdienst.
Nun, unser Volvo kommt die steile Alte Straße in Bommern, die noch voller Schnee liegt, ganz gut rauf. Nur später am Kohlensiepen in Annen drehen die Räder einmal durch. Mit Winterreifen und Tempo 30 geht es einigermaßen. Zumal es mittags kaum noch schneit. Ein BMW drängelt und überholt. Wir bleiben vorsichtig und kehren über die Ardeystraße in Richtung Innenstadt zurück, die verschlafen unter einer dichten Schneedecke liegt. Unterwegs sieht man Kinder, die vom Schlitten fallen, und Menschen, die schippen, schippen, schippen.
Lkw-Fahrer aus Witten kam morgens nicht einmal vom Hof
An der Steinstraße treffen wir Lkw-Fahrer Lucas (22), der gerade den Bürgersteig vor Bennos Brauhaus freischaufelt. Er hat schon Feierabend, nachdem er morgens nicht mal vom Hof gekommen sei, „so vereist war der“. Der junge Mann wünschte sich besser gestreute Hauptstraßen und Gewerbegebiete. Auf der Brauckstraße stellte sich morgens ein Laster quer.
Doch nicht nur Auto- und Lkw-Fahrer haben Probleme. Am Bahnhof stehen die Pendler wieder dick vermummt vor der Anzeigentafel in der Halle und warten darauf, dass da mal was anderes steht als „Zug fällt heute aus“. „Früher war doch auch Winter. Da ist doch auch nicht gleich alles zusammengebrochen“, wundert sich Thomas (53), der zur Arbeit nach Dortmund wollte. Ins Homeoffice in Gelsenkirchen? Ute (64) kann das Wochenende bei ihrem Freund in Witten wohl noch verlängern.
Wir biegen nach unserer Schnee-Fahrt durch Witten wieder in die enge Parkbucht hinter der Redaktion am Berliner Platz ein. Nur die arme Mülltonne nimmt dabei etwas Schaden. Das gelingt uns aber sonst auch, ganz ohne Schnee...
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