Witten. Awo-Chef Jochen Winter schlägt Alarm. Weil Personal in den Kitas fehle, auch in Witten, müssten neue Lösungen her. Er hat da schon einige Ideen.

Einen Masterplan für sozialpädagogische Berufe fordert Jochen Winter. „Andernfalls laufen wir auf einen Betreuungsnotstand zu, dessen Ausmaße wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können“, warnt der Geschäftsführer der Awo im Ennepe-Ruhr-Kreis. Das Personal in den Kitas „geht auf dem Zahnfleisch“, auch in Witten. Eine Lösung könnten die Corona-Alltagshelfer in Verbindung mit neuen Wegen in der Ausbildung zur Erzieherin sein.

Jochen Winter, Geschäftsführer der Awo EN.  
Jochen Winter, Geschäftsführer der Awo EN.   © Bernd Henkel

„So viele Krankmeldungen in den Kitas wie jetzt hatten wir noch nie“, sagt Winter, ohne genaue Zahlen zu nennen. „Das erhöht den Druck auf die verbleibende Belegschaft.“ Knapp 700 Pädagogen arbeiten normalerweise in den 32 Awo-Kitas im EN-Kreis, darunter acht Kitas in Witten.

Alltagshelfer unterstützen Arbeitder Erzieherinnen in Witten

Auch würde man die Gruppen jetzt in der Coronakrise gerne teilen. „Aber dafür haben wir zu wenig Leute “, so der Geschäftsführer. Trotzdem bedeuteten die so genannten Alltagshelfer, die Kitas seit Sommer mit Unterstützung des Landes einstellen können, eine enorme Entlastung. In jeder Awo-Kita versieht jeweils ein Alltagshelfer seinen Dienst. Das Land hat ihren Einsatz gerade bis 31. Juli 2021 verlängert.

„Wir schöpfen das voll aus und haben uns gewundert, wie schnell die Stellen besetzt waren“, sagt Winter. Die Alltagshelfer haben keine oder eine artfremde Ausbildung, seien also in der Regel nicht pädagogisch vorgebildet. Sie desinfizieren Räume und Spielzeug, helfen in der Küche und überall dort, wo Not am Mann ist. „Wir merken aber, dass da großes Potenzial schlummert.“ Deshalb könne er sich vorstellen, sie langfristig für eine Erzieherausbildung gewinnen zu können.

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Denn nicht nur der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bringe die Kita-Träger in personelle Bedrängnis. Nach dem Willen der großen Koalition soll dieser Anspruch ab 2025 auch für Grundschulkinder in der Offenen Ganztagsbetreuung gelten. „Ein toller Plan“, sagt Awo-Chef Winter.

Praxisintegrierte Ausbildung vereint schulische und praktische Arbeit

Dann müsse man aber auch mehr Menschen für den Erzieherberuf gewinnen. Denn bald müsse zusätzlich zu der aktuellen Situation auch die Personallücke geschlossen werden, die entsteht, wenn die Fachkräfte der Babyboomer-Generation jetzt bald in Rente gehen. Deshalb möchte die Awo neue Zugangswege zum Erzieherberuf öffnen – neben den vorhandenen Fachschulen für sozialpädagogische Berufe. „Wir hatten schon überlegt, selbst eine Fachschule zu eröffnen, aber dafür kriegen wir die Lehrer nicht.“

Stadt fehlen fünf Erzieher

In den acht städtischen Kitas arbeiten 124 Fach- und 70 Ergänzungskräfte. Letztere konnten wegen Corona ihre Stundenzahl aufstocken, deshalb sei die Einstellung von Alltagshelfern nicht notwendig gewesen, so Heiko Müller vom Jugendamt. „Erst, wenn’s wirklich brennt, würden wir diese Möglichkeit in Betracht ziehen.“

„Was wirklich fehlt, sind Fachkräfte“, so Müller. Derzeit seien fünf Vollzeitstellen nicht besetzt, außerdem fehlen vier weitere Erzieherinnen, die als Risikopatientinnen gelten und wegen Corona nicht arbeiten können. Immerhin konnte die Stadt acht neue Azubis einstellen. Doch nach wie vor fehlen 86 Kitaplätze.

Immerhin absolvieren schon jetzt 23 angehende Erzieher und Erzieherinnen in Kitas der Awo EN eine praxisintegrierte Ausbildung. Schulische Ausbildung und praktische Arbeit in den Kitas laufen parallel. Winter: „Von Anfang an wird eine Vergütung bezahlt, was vielen die Berufsentscheidung erleichtert.“

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Im Gespräch sei auch ein zusätzliches Angebot zur Vorbereitung auf die so genannte Externenprüfung für Erzieherinnen. Wer im sozialpädagogischen Berufsfeld tätig ist, aber keine einschlägige Ausbildung dafür hat, kann bei Erfüllung bestimmter Zulassungsvoraussetzungen solch eine externe Prüfung ablegen. Der Awo-Chef will die Arbeitsmarktakteure mit ins Boot holen.

Ein erstes Treffen mit Katja Heck, neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur , und Heiner Dürwald, Leiter des Jobcenters EN, habe bereits stattgefunden – und sei positiv verlaufen. Die Awo will nun auf jeden Fall ihre engagierten Alltagshelfer ansprechen, um sie mit einem praxisorientierten Bildungsangebot an den Erzieherberuf heranzuführen. Bestünde Interesse, dann hätten die Awo-Kitas immerhin schon mal 32 neue Mitarbeiter in Aussicht.

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