Witten. NRW übernimmt nur einen Teil der Flüchtlingskosten, bei Geduldeten sind Städte auf sich allein gestellt. Witten muss 6 Millionen selbst tragen.
Rund 700 Flüchtlinge leben derzeit in Witten. Für 290 von ihnen erhält die Stadt für Unterbringung und Verpflegung eine Pauschale vom Land. Weitere 400 Menschen gelten als geduldet. Für beide Gruppen zusammen muss die Stadt jährlich rund sechs Millionen Euro über den eigenen Haushalt stemmen. „Das ist eine ungerechte Verteilung der Lasten“, klagt Kämmerer Matthias Kleinschmidt. Er sieht das Land und den Bund in der Verantwortung.
Für die Flüchtlinge, die dem Flüchtlingsaufnahmegesetz unterliegen, bekommt die Stadt zwar vom Land eine Pauschale von 866 Euro pro Person im Monat. Rund 10.400 Euro im Jahr. Damit sollen die Ausgaben für Wohnen, Heizen, Hausrat, Betreuung, Ernährung und Gesundheitsfürsorge finanziert werden.
Bis zu fünf Millionen Euro zahlt Witten für Geduldete
Doch die Pauschale ist zu gering, um die tatsächlichen Kosten abzudecken. „Uns fehlen jährlich etwa 2000 Euro pro Person. Bei 290 Menschen macht das insgesamt 580.000 Euro“, sagt Christoph Noelle vom Amt für Wohnen und Soziales. Kommunale Verbände wie der Städtetag Nordrhein-Westfalen kritisieren schon seit längerem diese Finanzierungslücke und fordern eine Anhebung der Pauschale.
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Den weitaus größeren Anteil machen aber die rund 400 Geduldeten aus. Für sie zahlt die Landesregierung nur drei Monate lang. Dann muss die Stadt allein die Kosten für Unterbringung und Verpflegung aufbringen. „Hier zahlen wir etwa 10.000 bis 12.000 Euro jährlich pro Kopf“, sagt Noelle. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf vier bis fünf Millionen Euro. NRW ist das einzige Flächenland mit dieser Dreimonatsfrist.
Geduldete müssen über längere Zeit finanziert werden
Ungerecht sei diese „Finanzierungslogik“ auch deshalb, weil die Menschen schließlich nicht bewusst nach Witten gekommen seien, weil es hier so schön sei, sagt Kleinschmidt. „Sondern weil sie sich in Deutschland eine sichere Zukunft erhoffen und der Stadt zugeteilt wurden.“
Die Flüchtlinge, die in Witten als Geduldete leben, wohnen in der Regel schon seit mehreren Jahren hier, heißt es seitens der Ausländerbehörde. „Trotz aller Bemühungen, diese Menschen zurückzuführen, ist davon auszugehen, dass ein großer Anteil über lange Zeit weiter zu finanzieren ist“, so Noelle vom Amt für Wohnen und Soziales. Denn nur ein kleiner Teil der Geflüchteten werde – zumindest kurzfristig gesehen – in sozialversicherungs- und steuerpflichtige Beschäftigung kommen.
Land zahlte Integrationspauschale nur teilweise an Städte aus
Hinzu kommen noch Ausgaben für die Integration der Geflüchteten, etwa Sprachkurse. Finanziert werden sollen diese Ausgaben eigentlich über die Integrationspauschale, die vom Bund über das Land an die Städte fließen soll. „Sie ist aber nur einmal vollständig und sonst gar nicht oder nur teilweise an die Städte weitergeleitet worden“, erläutert Kleinschmidt. Für Witten waren das insgesamt in allen Jahren seit 2015 rund drei Millionen Euro.
Geduldete haben oft psychische Erkrankungen
Die knapp 400 Geduldeten, die in der Stadt leben, kommen hauptsächlich aus dem Kosovo (53), Albanien (36), Serbien (33), dem Libanon (29), Irak (21), Ghana (20) und der Russischen Föderation (20).
In zwei Dritteln aller Fälle sind fehlende Ausweispapiere oder der gesundheitliche Zustand der Menschen der Grund für die derzeitige Duldung. Oft handelt es sich dabei um psychische Erkrankungen. Wenn minderjährige Kinder krank sind, müssten auch deren Eltern das Land nicht verlassen.
Der städtische Haushalt umfasst jährlich knapp 300 Millionen Euro, sechs Millionen davon entfallen auf die Flüchtlingskosten. „Für eine Haushaltssicherungskommune wie uns ist das natürlich eine zusätzliche Last, die wir da tragen“, sagt Kämmerer Kleinschmidt. Dennoch habe die Stadt seit 2016 immer Haushalte mit leichten Überschüssen vorgelegt. „Wir bewältigen das“, so Kleinschmidt. Dabei hilft, dass knapp die Hälfte der Integrationspauschale für Unterbringung und Versorgung von Geduldeten „zweckentfremdet“ werden darf.
Besonders bitter aus Sicht der Stadt: Das Land erzielte 2019 einen Haushaltsüberschuss von 1,2 Milliarden Euro. Knapp die Hälfe davon ist auf gesunkene Ausgaben für Flüchtlinge zurückzuführen – weil diese in den Status geduldet gewechselt haben und somit nicht mehr die Landeskasse, sondern die einzelnen Städte finanziell belasten.