Witten. Monatelang hat ein Jugendlicher aus Wetter mit einer Bande in Witten für Unruhe gesorgt. Jetzt sitzt er in U-Haft – nicht nur wegen Diebstahls.

Der junge Wetteraner, der als mutmaßlicher Kopf einer Bande viele Monate lang die Wittener Innenstadt aufgemischt haben soll, ist am Dienstag (6.8.) in Witten festgenommen worden. Auf das Konto des inzwischen 15-Jährigen gehen laut Polizei hunderte Einbrüche und Diebstähle – auch noch in letzter Zeit.

Der Jugendliche wurde per Haftbefehl gesucht. Polizeibeamte in Zivil, die ihn gut kennen, entdeckten den jungen Mann gegen zehn Uhr in der Galenstraße nahe der Wittener City, wie jetzt bekannt wurde. Sie nahmen ihn fest und führten den Wetteraner beim Amtsgericht Hagen vor. Nun sitzt er in der Justizvollzugsanstalt in Iserlohn, einer Jugendstrafanstalt, in Untersuchungshaft.

Polizei spricht von „Eigentumsdelikten in großer Zahl“

Die Staatsanwaltschaft Hagen ermittelt. „Ihm werden weitere Eigentumsdelikte in großer Zahl vorgeworfen“, sagt Bochums Polizeisprecher Volker Schütte. Er sei oft in der Gruppe unterwegs gewesen, in stets wechselnden Konstellationen. Vermutlich werde es zum Prozess kommen. Dann werde entschieden, was mit ihm passiert – ob er etwa längere Zeit ins Gefängnis muss.

Im vergangenen Dezember hatten sich besorgte Wittener Geschäftsleute, darunter der ehemalige Wirt des inzwischen geschlossenen Ratskellers, in der Wittener Lokalredaktion gemeldet. Sie fühlten sich von einer Bande Jugendlicher bedroht. In einem Thaimassage-Laden an der Johannisstraße hätten sie den Standort der Kasse ausspioniert, in einem Nagelstudio eine Geldkassette gestohlen. Auch Gastronom Robin Schmidt hatte über ständige Randale und Sachbeschädigungen geklagt.

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Tatsächlich wurden dem Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt schon über 100 Delikte und Straftaten angelastet – von Schwarzfahren, Ruhestörung und Sachbeschädigung bis hin zu Diebstahl, Körperverletzung, Drogenvergehen und Raubversuch. In seiner Heimatstadt war er bereits mehrfach als vermisst gemeldet worden.

Der Jugendliche wurde in der Psychiatrie begutachtet

Auf Bitte des Jugendamtes in Wetter, das den Jugendlichen schon länger betreut haben soll, hatten Polizeibeamte den damals 14-Jährigen am Wochenende des 15./16. Dezember 2019 in Witten aufgegriffen und in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie gebracht. Dort wurde er auf seine Schuldfähigkeit untersucht. Laut Kreispolizei EN hatte der Junge zuvor bereits am Hilfsprogramm „Kurve kriegen“ teilgenommen, das kriminelle Karrieren früh verhindern soll. Wegen mangelnder Mitwirkungsbereitschaft habe er das Programm aber wieder verlassen müssen.

„Jugendliche in diesem Alter können die Tragweite ihres Handelns nicht erfassen“, erklärt dazu auf Anfrage Sascha Rogowski, Pädagogischer Leiter der Kinder- und Jugendhilfe „Flow“. Sie arbeitet seit 2004 auch in Witten und ist für die, wie Rogowski sie nennt, „herausforderndsten Jugendlichen“ zuständig.

Freiwillige Hilfe hat der 15-Jährige nicht angenommen

Bei dem 15-Jährigen liegt der Fall offenbar noch ein wenig anders. Wie unsere Redaktion erfahren hat, soll der Junge Autist sein und eine geistige Behinderung haben. Zwar werde ein junger Mensch mit 14 strafmündig, sagt der Flow-Pädagoge. Doch in den seltensten Fällen verurteile ein Gericht ihn zu einer Gefängnisstrafe. Wenn freiwillige Angebote – wie offenbar bei dem Wetteraner – nicht fruchten, könne er zum Beispiel in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden. Doch davon hält Sascha Rogowski nichts.

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Von Annette Kreikenbohm

„Man muss den Jugendlichen aus seinem gewohnten Umfeld herausholen, ihn aber dabei nicht völlig entwurzeln“, sagt der Experte. Deshalb unterhalte Flow keine dezentrale Einrichtung im Ausland, wo die Sprache fremd und die Kultur eine andere ist als in Deutschland. „Wir haben ein Haus in der Oberlausitz mitten im Wald. Da haut keiner ab, wenn er ein Wolfsrudel heulen hört.“

„Man braucht jemanden, der eine authentische Beziehung zu dem Jugendlichen aufbauen kann“, so der Pädagoge. Und man müsse neue Anreize schaffen – solche, die interessanter sind als Klauen und Prügeln. „Und da haben wir“, sagt Rogowski, „einen langen Atem.“ Die Chancen, dass dieser junge Mensch wieder aufs rechte Gleis zurückfinde, „stehen 50:50“.