Herten / Recklinghausen. . Zum 100-jährigen Bestehen öffnet die Gelsenwasser AG am 2. September die Türen zu ihren beiden Wassertürmen an der Stadtgrenze von Recklinghausen und Herten. Die Giganten werden momentan saniert und gestrichen - in passender Farbe.

32 beziehungsweise 29 Meter hoch recken sich die gedrungenen Türme an der Stadtgrenze Herten/Recklinghausen an der Westerholter Straße in die Höhe. Vor mehr als 100 Jahren galt einer der beiden Wassertürme mit seinem Fassungsvermögen von 4000 Kubikmetern als technisches Wunderwerk und als ein Bau für die Ewigkeit. 1935 wurde der zweite Wasserturm nebenan gebaut.

Beide geben ein Zeugnis der Industriekultur ab. Im Prinzip erfüllen die beiden Riesenbehälter aus zwei Zentimeter dickem Stahl auf massigen Stelzen die Funktion, die sie bereits zu Beginn ihrer Fertigstellung hatten: Sie sorgen für den Druck, der das Wasser aus den Hähnen in Hertener und einen Teil der Recklinghäuser Haushalte fließen lässt.

Technik ohne aufwendige Pumpsysteme

Damals überwachte ein Wasserwerksmeister, der im Fuß des Turms wohnte, dass der Riesentank nicht überlief. Heute wird dies elektronisch von der Warte in Haltern am See aus reguliert. Vom Halterner Stausee werden die Wassertürme, die auf einer Höhe von 104 m NN errichtet wurden, über 20 km Leitungsweg hinweg ständig mit Trinkwasser befüllt. Von dort aus drückt das 4000 bzw. 5000 Tonnen schwere Eigengewicht das Trinkwasser ins Netz der Gelsenwasser AG. Eine Technik, die heute noch ohne aufwenige Pumpsysteme auskommt.

„Eine kostengünstige Angelegenheit“, sagt Diplom-Ingenieur Edgar Boer, der Betriebsdirektor der Gelsenwasser. Zudem wird das Frischwasser aus den Türmen als Reserve für Spitzenzeiten genutzt. Das heißt, wenn zu bestimmten Zeiten viel Wasser verbraucht wird, wie es zum Beispiel in der Halbzeitpause eines Fußball-Länderspiels vorkommen kann. 70 000 Haushalte können täglich mit der Wassermenge beliefert werden.

70.000 Haushalte versorgen

Die Türme sind aktuell außer Betrieb genommen. Sie werden von Grund auf saniert. Ein Blick ins Innere, das wie eine riesige Rundsporthalle wirkt, lässt nur erahnen, welche Mengen und welches Gewicht auf der ausgeklügelten Unterkonstruktion aus Mauerwerk und Beton wirken. Dort gibt beim Laufen deutlich spürbar der Boden nach, gerät leicht in Schwingungen. „Das muss auch so sein. Starre Konstruktionen würden brechen. Der Turm muss mitgehen“, sagt Edgar Boer. Ah ja!

Zur Zeit werden die Türme in „Gelsenwasser blau-grün“ gestrichen. 1,7 Tonnen Farbe werden als Grundierung aufgetragen. 1,8 Tonnen wiegt der Zwischenanstrich, ehe 1,3 Tonnen Farbe für den Endanstrich aufgetragen sind. Auf 1200 qm wird Korrosionsschutz aufgetragen sein. 700 qm Fassade müssen auf dem Beton- und Mauerwerksockel gestrichen werden. Rund 550.000 Euro werden dafür investiert. Der älteste Hochbehälter aus dem Jahre 1908 wird Ende August wieder in Betrieb gehen können. Der zweite (mit 5000 Kubikmeter Fassungsvermögen) aus dem Jahr 1935 wird voraussichtlich Mitte bis Ende September folgen.

Materialientransport mit dem Holzkarren 

Beide Türme sind ein Stück regionale Industriekultur schlechthin. Angefangen von der Bauweise bis hin zur Funktionalität. Beide Stahlbehälter sind – wie einst auch im Schiffsbau („Titanic“) üblich – nicht geschweißt, sondern genietet worden. „Zigtausende von Nieten sind von Hand an Ort und Stelle gefertigt und eingesetzt worden“, sagt Edgar Boer mit einer gewissen Hochachtung in der Stimme.

Auch die Arbeitsbedingungen sind mit denen von heute nicht zu vergleichen. „Damals,“ so Gelsenwasser-Sprecher Felix Wirtz, „gab es bei Gelsenwasser nur einen Lkw. Die Materialien wurden mit Holzkarren transportiert, deren Radstand so konstruiert war, dass die Karre auch auf Straßenbahnschienen geschoben werden konnte.“

Ein Blick hinein

Die handwerkliche Leistung könne nicht hoch genug bewertet werden. Die Arbeitsbedingungen seinerzeit dürften aber jeden Sicherheitsbeauftragten heutzutage um den Schlaf bringen, angesichts der alten Schwarz-Weiß-Bilder, die in der ehemaligen Wasserwerksmeisterwohnung hängen. Darauf sind Arbeiter zu sehen, die in etwa 30 Meter Höhe auf den zwei Zentimeter breiten Stahlblechen sitzen oder auf einem gerade mal fußbreiten Rand ohne Sicherung stehen und die Nieten einschlagen.

Heute bewegen sich die Arbeiter auf Gerüsten, 120 Tonnen Gerüst ist aufgebaut, und sind mehrfach abgesichert. Am Sonntag, 2. September, haben Interessierte die einmalige Gelegenheit, die Wassertürme zu besichtigen. Dann öffnet Gelsenwasser zum 100-jährigen Bestehen die Türen seiner Türme. Neben Einblicke ins Innere des Industriedenkmals wartet ein herrlicher Weitblick auf dem 32 Meter hohen und 340 Quadratmeter großen Stahlbehälterdach. Er zeigt, dass die Region heute noch industriell geprägt ist.

Nacht der Industriekultur

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