Waltrop. .
Bei Thilo Sarrazins Besuch in Waltrop standen sich Gegendemonstranten und Anhänger des rechten Spektrums gegenüber. Die Polizei sah großes Konfliktpotenzial unter den Besuchern.
Für allzu großes Interesse sorgte Thilo Sarrazins Besuch in Waltrop nicht. Nur etwa 150 Gäste kamen zu seiner Lesung in die Stadthalle.
Wie am Flughafen schlossen sich um 19.30 Uhr die Türen hinter den Sicherheitskontrollen und der Autor betrat die Bühne.
„Deutschland schafft sich ab“, sein Buchtitel, ist für Sarrazin keine Provokation, sondern „die Wahrheit“, denn dass die Deutschen weniger werden, lasse sich statistisch beweisen, suggerierte er: „Die Zahl der Deutschen nähert sich asymptotisch der Null-Linie – wer das nicht versteht, sollte verstanden haben, dass wir weniger werden“, so der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbanker.
Nicht nur der demografische Wandel macht dem dem 66-Jährigen zu schaffen, sondern auch die Einwanderung. „Wo immer es klemmt, sollen Migranten es richten“, sagte er. Seiner Meinung nach bestehen Probleme gerade im Bildungssystem und in der Integrationspolitik. Einen Unterschied macht es für den Autor -- schon aus statistischer Sicht – ob es sich um europäische Migranten handle oder um Migranten aus der Türkei, Afrika oder dem Nahen Osten, denn: „Diese Gruppe macht 70 bis 80 Prozent aller Integrationsprobleme aus“, sagte Sarrazin und führte wie immer Studien für seine Thesen an.
Dass nicht alle mit dem Besuch in Waltrop einverstanden waren, zeigte eine Gegendemonstration des Aktionsbündnisses gegen Rassismus. Gewerkschafter brachten ihren Unmut zum Ausdruck, dass ein Provokateur für sich und sein Buch wirbt. „Wir mussten vom Ort direkt vor der Stadthalle auf den Herne-Bay-Platz ausweichen, weil die Polizei ein zu großes Konfliktpotenzial mit den Besuchern sah“, erklärte Wolfgang Porrmann, Kommunalpolitiker von der Linkspartei, den knapp 30 Teilnehmern der Gegendemonstration. Das Aktionsbündnis wollte sich gegen den Sarrazin-Besuch aussprechen und ein Zeichen dafür setzen, dass Waltrop keine Stadt für Rassismus ist.
Beobachter aus dem rechten Spektrum
Beobachtet wurden die Teilnehmer der kleinen Kundgebung von einer Gruppe junger Männer, die kurz vor Beginn der Lesung auf dem Marktplatz auftauchte. Die 15 bis 20 Personen in schwarzer Kluft erkannte der örtliche Polizeichef Hans-Werner Hamann sofort als „Personen des rechten Spektrums“. Auf Flugblättern warben sie für Sarrazins Thesen und riefen zum „nationalen Denken“ auf. Doch es blieb friedlich und der gesamte Abend verlief störungsfrei, wie die Polizei später verkündete.
Für Kopfschütteln sorgten die rechtsgerichteten Flugblätter jedoch einigen jungen Menschen mit Migrationshintergrund, die fernab von Politik gekommen waren, um Sarrazin einmal zu sehen. „Von 100 Prozent der Ausländer beschreibt Sarrazin maximal 0,2 Prozent“, sagt Fatih Akar (25) und sein libysch-stämmiger Freund Ali Omeirat ergänzt: „Ich fühle mich in Waltrop willkommen und er hetzt die deutsche Jugend auf uns.“ Gesehen haben sie den Immer-noch-Sozialdemokraten aber nicht, da Sarrazin gut gesichert durch den Hintereingang die Stadthalle betrat.
Drinnen kamen Fragen aus dem Publikum, ob der Redner nicht doch an die Spitze der „Sarrazin-Partei“ wolle. „Ich habe die Rolle des Erbbösewichts, der ausgeschlossen werden soll“, sagte er über seine Rolle in der SPD. Doch ein Austritt komme nicht in Frage. Für Sarrazin sind die etablierten Parteien wie eine Festung. Mit dem Satz „Der Feind muss drin sein“, so erklärte er sich selbst zum SPD-„Partisan“.
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