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Tschernobyl-Initiativen im Vest nahmen erholungsbedürftige Kinder auf – oder reisten mit Hilfsgütern nach Osten. Auch dieses Jahr kommen wieder 25 Kinder aus Weißrussland nach Herten und leben für einige Wochen in Familien.

Sie heißen Sergej, Juri oder Natascha. Auch dieses Jahr kommen wieder 25 Kinder aus Weißrussland nach Herten und leben für einige Wochen in Familien. Längst Gewohnheit für Waltraud „Wally“ Schmidt und ihren Mann Willi, den heutigen Vorsitzenden des Vereins Hilfe für die Kinder von Tschernobyl e.V. Herten.

„Als Dieter Brenne vor 17 Jahren den Verein gründete, dachten alle: Jetzt spinnt er völlig“, erinnert sich Wally Schmidt. Sie war trotzdem von Anfang an dabei. Nachdem sie bereits englische oder französische Austauschschüler ihrer Kinder bei sich hatte, „kamen eben auch weißrussische Kinder hinzu“. Kinder, in deren Heimat das Reaktor-Unglück totgeschwiegen wurde. Mit den Folgen leben sie aber noch immer.

Schilddrüsen- oder Nierenprobleme

„Man sieht ihnen nichts an, aber sie haben oft Schilddrüsen- oder Nierenprobleme, sind schneller müde als unsere Kinder oder bekommen schneller Erkältungen, weil ihr Immunsystem so durcheinander ist“, sagt Wally Schmidt. In den Hertener Gastfamilien sollen die Ju­gendlichen zu Kräften kommen. Sie gehen ins Schwimmbad, besuchen Sehenswürdigkeiten oder gehen Bowlen. „Aber im Vordergrund steht das Familienleben und die Erholung“, so Wally Schmidt.

Das Unglück in Tschernobyl im Jahre 1986 schockierte die Welt. Als einige Jahre später deutlich wurde, welche Folgen die radioaktive Strahlung bei den Menschen hatte, erreichte eine Welle der Solidarität auch das Vest. Es gründeten sich Vereine und Privatinitiativen. Helfer reisten in die Ukraine, nach Belarus (Weißrussland) oder Russland. Sie brachten unermüdlich Hilfsgüter in die verstrahlten Regionen – Medikamente, Krankenhausbetten, Kleidung. Oder aber sie organisierten in Deutschland Familien, die sich bereit erklärten, Kinder bei sich aufzunehmen, um ihnen etwas Erholung und Gesundung zu ermöglichen.

Kindergarten, Schule und Therapiezentrum gegründet

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Von DerWesten

„Die Kinder in Gomel hatten Haut wie Pergament“, erinnert sich Heinz Adler (69) an seine ersten Fahrten in die Ukraine. „Wir sahen, wie die Welt dort aussah“, sagt er, der die Kinderhilfe Tschernobyl Marl vor 16 Jahren gründete. Mit seiner Familie reiste er nach Minsk, fragte gezielt nach Kinderheimen, die er dann später aufsuchte, um zu helfen. Was er sah, erschreckte ihn und bestärkte ihn zugleich in seinem Wunsch zu helfen. „Etwa 80 Prozent der Kinder in den Kinderheimen hatte Behinderungen“, erzählt Heinz Adler. Und so fuhr der heute 69-Jährige jedes Jahr einmal nach Osten, organisierte Transporte von Rollstühlen oder Krankenhausbetten.

Im Laufe der Jahre gründete der Marler Verein in Weißrussland für Kinder mit Behinderungen einen Kindergarten, eine Schule und ein Therapiezentrum.

Heute, 25 Jahre nach der nuklearen Katastrophe, hat sich die Natur in der Sperrzone rund um den Reaktor scheinbar vieles zurückgeholt. Im Schatten eines brüchigen Sarkophags, der den zerstörten Reaktor ummantelt, wuchern Pflanzen und Bäume in Gebäuden der verwaisten Geisterstädte.