Velbert. Die Zahl der Tankstellen schrumpft, wirklich freie sind rar. Diese in Velbert dient nicht nur dem Auftanken, man geht auch nie mit leeren Händen.
Die rein zahlenmäßige Hochzeit der Tankstellen ist hierzulande längst passé. Ende der 1960er Jahre betrug die Dichte - wohlgemerkt allein in Westdeutschland - insgesamt rund 47.000. Ein Höchststand. Seither ging‘s bergab; in 2022 waren es deutschlandweit nur noch ca. 14.500. Und eine wirklich freie Tankstelle ist mittlerweile doch eine ziemliche Rarität. Aber die Velberter haben ein solch seltenes Exemplar, genauer gesagt mitten im schönen Langenhorst. „Wir kaufen selbst und machen auch die Preise selbst“, erzählt Eigentümerin Marika Marpe. Doch an ihrem „Tank-Shop“ - Slogan: „Kraftstoffe & mehr“ - gibt‘s noch weitere Besonderheiten. Etwa die, dass man sie als Kunde nicht nur mit neuem Super oder Diesel im Fahrzeug - es gibt hier nur diese zwei Sorten - verlässt, sondern dass man eigentlich auch nie mit leeren Händen geht.
Hier kommen kleine und große Velberter auf ihre Kosten
So zieht auch Oskar (2) glücklich mit einem Kinderriegel ab. Er ist mit seiner Mama Beatrix da. Die 34-Jährige, sie wohnt im Bereich Nordpark und hat im Langenhorst soeben die „Familien-Kutsche“ betankt, steuert mit ihrem Filius einfach gerne ihre Tanke an. „Man kommt immer ins Gespräch“, sagt sie, „klein und groß kommen hier auf ihre Kosten. Und man fühlt sich selbst mal wieder wie ein Kind.“
Immer eine Beigabe nach Wahl
„Immer gibt‘s was dazu. Wahlweise einen Apfel oder was Süßes und für den Hund ein Leckerli, das ist ne Schuckel-Tradition“, erzählt Beate Stawitzke. „Manche kommen nach Jahren wieder her und fragen, ob es das immer noch gibt.“ Die heute 62-Jährige hat schon beim Schuckel-Vorgänger „Mat-te Kfz“ - die Tankstelle selbst an der Langenhorster Straße 75 existiert bereits seit 1965 - gearbeitet. Und über sie ist ihre Mutter Marika, eine Essenerin und gelernte Verkäuferin, überhaupt erst in den Langenhorst gekommen, um dort ebenfalls als Kassiererin zu arbeiten.
Umgestaltet und schön gemacht
Karl-Heinz Schuckel hat die Tankstelle im Jahr 2000 gekauft und „in mühseliger Kleinarbeit alles umgestaltet und schön gemacht“, berichtet Marika Marpe (80). Das Ganze illustriert von A bis Z ein Fotobuch, das ein Kunde zusammengestellt hat. „Dem K. H. Schuckel seine Tankstelle. Eine wahre Geschichte“ steht vorne drauf. Zur gesamten Geschichte gehört vor allem, dass Marika und Karl-Heinz ein Paar wurden. Er war bis 2019 Eigentümer und überschrieb vor seinem Tod seiner Lebensgefährtin die gesamte Immobilie. Nicht nur sein diamantener Meisterbrief an der Wand und ein Foto von ihm mit Trauerflor im Regal gegenüber halten liebevoll die Erinnerung an ihn wach.
Preise von einer Lieferung bis zur nächsten unverändert
In früheren Jahren gehörte die Langenhorster mal dem „Bundesverband freier Tankstellen“ (bft) an. Zu ihm zählen nach eigener Auskunft „522 unabhängige mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Tankstelle, Mineröl- und Heizölhandel“. Vielfach führten die Mitglieder das bft-Warenzeichen. „Unsere Preise sind über Tage fix, immer von Lieferung zu Lieferung“, erklärt die ebenso agile wie freundliche Eigentümerin. Den Werkstatt-Betrieb habe sie vor vier Jahren aufgegeben. Übrigens: Die große Preisanzeige für die vier Super E5- und Diesel-Säulen wird nach wie vor von Hand gewechselt; dafür geht‘s die Leiter hoch.
Keine „Lauflage“ - dennoch hunderte Kunden
Um die 200 Kunden führen pro Tag vor, montags bis freitags von 7 bis 18 und samstags von 8 bis 16 Uhr. „Das schwankt aber auch und ist oft sehr unterschiedlich“, merkt Beate Stawitzke an. Die Kunden seien überwiegend sehr liebenswürdig, „viele halten schon über zig Jahre die Treue. Egal ob zwei Cent billiger oder teurer, die kommen immer“, erzählt Marika Marpe. Was ihr am meisten Freude mache? „Die Kunden“, antwortet sie, fügt hinzu: „Das hier ist einfach mein Leben.“
Lobende Superlative
Dann muss sie fix nach vorne in den Verkaufsraum, die nächste Kundin steht vor der Theke. Nur schnell eine Schachtel Zigaretten kaufen, die Tochter wartet im Auto. Aber für ein kurzes Lob hält die Frau inne: „Die schönste Tankstelle, die nettesten Leute.“ Und tschüss. „Ich wohne seit 1993 im Langenhorst und natürlich tanke ich auch dort“, sagt Anwohner Bernhard Wieneck, „schon bei den Vorgängern.“
Respekt und gute Wünsche für die Einzelkämpfer
„Das sind tatsächlich absolute Einzelkämpfer, was heutzutage wirklich schwierig ist“, kommentiert Jörg Wichelhaus. Der Wuppertaler Heizölhändler beliefert den „Tank-Shop“, der seit 15 Jahren zu seinem Kunden-Kreis gehört, mit Diesel. Zweimal in der Woche. Besonders hebt Wichelhaus „die hohe Preiskontinuität“ hervor. „Absolut ein Unikat“, sagt er, „das hoffentlich noch lange besteht.“