Velbert. Von Hebesatz-Erhöhungen lässt man in der Regel möglichst lange die Finger. Velberts prekäre Finanzlage fordert aber Taten. Etat-Entwurf liegt vor
Grundschul- und Gesamtschul-Neubauten, zusätzliche Kita-Plätze, mehr Raum für den Offenen Ganztag – alles prima, möchte man meinen. Die Kehrseite dieser Medaillen: „Es ist alles defizitär und kaum noch zu finanzieren“, sagt Dirk Lukrafka. Daran, dass er als Velberts Bürgermeister grundsätzlich hinter solchen Projekten steht, lässt er allerdings nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen: „Das ist alles toll und wünschenswert“, bekräftigt er, „aber wir schrauben uns eben in den Aufwendungen immer höher.“
Gemeinsam mit Stadtkämmerer Christoph Peitz erläuterte er im Vorfeld der Ratssitzung mit Einbringung des Haushaltsplanentwurfs für 2024 dieses neue Zahlenwerk. Rein formal ist sogar ein leichter Überschuss geplant. Damit aber am Ende tatsächlich diese schwarzen 300.000 und in 2025 rund 500.000 Euro als positives Saldo stehen, müssen auch höhere Steuer-Einnahmen her.
2003 und 2013 letzte Hebesatz-Erhöhungen in Velbert
„Wir wissen eigentlich, dass es das falsche Signal und die Abgabenlast eh zu hoch ist“, so der Bürgermeister auf Nachfrage; deshalb habe man sich auch 20 bzw. zehn Jahre gegen einen solchen Schritt gesträubt. Doch nun schlagen er und der Kämmerer notgedrungen ein Anheben des Hebesatzes bei der Gewerbesteuer von 440 auf 475 vor – bei der Grundsteuer B, die Eigentümer zahlen müssen und die auf Mieter umgelegt werden kann, von 550 auf 650 Punkte. Beides zusammen macht einen Effekt von sieben Millionen mehr im Jahr aus. Die Grundsteuer B wird für bebaute und bebaubare Grundstücke sowie für Gebäude fällig.
Millionen-Minderaufwand betrifft Stadtverwaltung, Rat und Bürgerschaft
Weiter ist als zweiter wesentlicher Aspekt ein so genannter globaler Minderaufwand von bis zu sechs Millionen vorgesehen. „Das hört sich lapidar an, betrifft aber nicht nur die Mitarbeiter in der Verwaltung, sondern auch den Rat und die Bürger“, sagt Dirk Lukrafka. Ein Faktor sei das Personal, wo Wiederbesetzungen vakanter Stellen mitunter länger dauerten; der eine oder andere Aufwandsposten müsse abgespeckt oder geschoben werden und manch geplante Maßnahme müsse aufgrund äußerer Faktoren und Bedingungen ja ohnehin auf später vertagt werden. „Wir sehen übers Jahr, was wir noch füllen müssen.“
Ein Stückchen Ausgleich
Hintergrund: Das Land NRW hat das Maß für den globalen Minderaufwand von einem auf zwei Prozent der ordentlichen Aufwendungen ausgedehnt. Das sei ein Versuch, meint Christoph Peitz, ein Stück Ausgleich dafür zu gewähren, dass die Möglichkeit der bilanziellen Isolierung – so praktiziert bei Corona-Folgen und Ukrainekrieg-Auswirkungen – als kurzfristige Etat-Entlastung passé sei. Zudem falle hierzulande der tatsächliche Jahresabschluss ohnehin in der Regel deutlich besser aus als die Planung.
Aufwand wächst schneller als Ertrag
Zum Haushaltsvolumen: Der Aufwand beträgt 300 Millionen. Das sind „maßgeblich bedingt durch externe Einflüsse“ (Peitz) 3,75 Prozent mehr als im Vorjahr. „Es ist ja nicht so, dass wir Geld verprassen“, fügt der Kämmerer hinzu. Hingegen sind es beim Ertrag bloß plus 1,5 Prozent auf 294 Millionen Euro. Die Stadt Velbert nimmt rund 100 Millionen neue Investitionskredite auf; größter Posten ist das Gesamtschul-Projekt Neviges.
Gesetze auf Kosten der Kommunen
Kritik kommt aus den Kommunen nun schon seit Jahren, ja Jahrzehnten: an unzureichender Finanzausstattung, mangelnder Unterstützung, gegen zusätzliche Lasten und Belastungen ohne Ausgleich. Für Christoph Peitz hat sich jetzt das Ganze allerdings noch wesentlich verschärft und zugespitzt. Z. B. auch durch das Wachstumschancengesetz und Zukunftsinnovationsgesetz vom Bund - beides gehe arg und nachhaltig auf Kosten der Kommunen, prangert er an.
Die Perspektive macht den Unterschied
NRW-weit gehe ein Großteil seiner Kollegen davon aus, in die Haushaltssicherung zu müssen, schildert Velberts Kämmerer die Lage. „Im Kreis gibt‘s kaum eine Stadt, die nicht ihre Hebesätze erhöhen muss.“ Bei der Gewerbesteuer gehe Velbert ungefähr auf das Niveau von Heiligenhaus, bei der Grundsteuer rangiere man leicht darunter. Im Kreis-Vergleich seien die vorgeschlagenen Sätze „schon recht hoch“. Peitz weiter: „Aber wenn Sie Richtung Ruhrgebiet schauen, liegen wir ganz gut.“
>>> So sieht der weitere Ablauf aus
Nach jetzigem Zeitplan ist die Verabschiedung des Haushalts durch den Stadtrat für Mitte April vorgesehen.
Anschließend muss der Etat dem Kreis Mettmann als Kommunalaufsicht „angezeigt“ bzw. zugeleitet und vorgelegt werden. Ein formales Genehmigungsverfahren ist aber nicht erforderlich.