Velbert. Bis Jahresende könnten 120 Flüchtlinge nach Velbert kommen. Die Unterkünfte sind jedoch voll, der Wohnungsmarkt erschöpft. Was die Stadt tut.
„Wir laufen voll.“ So lautet – nüchtern und sachlich – Gerno Bölls Feststellung zum Thema Flüchtlinge in Velbert. „Wir haben in diesem Jahr bereits mehr als 100 Personen von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen bekommen“, bilanziert der Erste Beigeordnete und in der Sache zuständige Fachdezernent, „und werden bis zum Jahresende noch 120 weitere bekommen.“ Das bedeute nicht zuletzt, erklärte Böll auf WAZ-Anfrage weiter, „dass wir diese Menschen ab Oktober mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten nicht mehr unterbringen können.“
Sein Bericht „Entwicklungen im Bereich Flucht“ und die ins Auge gefassten Maßnahmen stehen als neunter Punkt auch auf der Tagesordnung des Ratsausschusses für Soziales, Familie und Senioren.
Für Zuweisungen nach Velbert ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig
Städte und Gemeinden in NRW müssen per Gesetz ausländische Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen. Die Zuweisung macht die Bezirksregierung Arnsberg nach einem Verteilschlüssel, der alle Städte und Gemeinden gleichsam berücksichtigen soll. Für jede wird berechnet, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen muss. Gibt es vor Ort eine Unterbringungseinrichtung des Landes, werden diese Plätze von der berechneten Aufnahmeverpflichtung abgezogen. Velbert lag zu Monatsbeginn bei einer Erfüllungsquote von fast 96 Prozent.
Höchststand der Zuweisungen lag 2015 bei 833 Personen
Fakt ist: Es sind über die Jahre bereits Tausende in Velbert angekommen, wenngleich längst nicht alle auch geblieben sind. Die Übersicht der Fachverwaltung weist für 2015 mit 833 einen Höchststand an Zuweisungen von Flüchtlingen aus. Dieser Wert ist danach nicht getoppt worden; im Vorjahr betrug er 468. Die größte Gruppe nach Herkunftsländern stellen derzeit Syrer, gefolgt von Ukrainern (aktuell halten sich 812 in Velbert auf), Afghanen, Irakern, Serben und Somaliern.
80 Flüchtlinge ziehen in Bürogebäude in der Röbbeck in Velbert
Bei der eingangs genannten Zahl von 120 legt Gerno Böll die NRW-Prognose fürs laufende Jahr zugrunde; auf Basis der Voraussage für 2024 müsse Velbert mit ca. 330 Zuweisungen rechnen. „Der Wohnungsmarkt ist erschöpft“, konstatiert er und berichtet, dass man ab Ende Oktober einen Teil eines Bürogebäudes in der Röbbeck nutzen werde. Dort kämen 80 Menschen unter und sei baulich kaum noch was zu tun, ergänzt Jürgen Wosimski. Der Mietvertrag, so der Fachbereichsleiter Bürgerdienste, sei unter Dach und Fach.
Anfang 2024 müsste wieder eine Sporthalle für Unterbringung genutzt werden
Zudem müsse man spätestens Anfang 2024 eine erste Turnhalle für den Sport schließen, um dort Plätze für Flüchtlinge zu schaffen. Man könne nicht ausschließen, dass hier noch weitere Schritte nötig werden würden. Außerdem läuft im Rathaus die Prüfung, ob es kurzfristig einen Standort für eine Wohnanlage in Modulbauweise für 200 bis 300 Flüchtlinge gibt, hält die Fachverwaltung hält einen Komplex analog zur Talstraße in massiver Bauweise für ebenfalls 200 bis 300 Personen für erforderlich. Sämtliche Überlegungen hängen von der Verfügbarkeit entsprechender Flächen ab.
Hohlstraße fertig – Standort Heeger Straße verzögert sich
Die Inbetriebnahme des Standortes Heeger Straße verzögere sich (erst Anfang 2025), hingegen sei die Hohlstraße fertig, so der Dezernent. Er persönlich stehe einer Großeinrichtung bzw. Landesunterkunft in Velbert nach wie vor positiv gegenüber, bekräftigt Böll; allerdings wäre es hilfreich, wenn das Land nicht auf der Größenordnung von 500 Plätze beharren würde. Bei 200 oder 300 wäre die Akzeptanz mancherorts gewiss größer. Bei einer solchen Landesunterkunft wäre Velbert von der Verpflichtung entbunden, in entsprechender Anzahl für die soziale Infrastruktur mit Kita- und Schulplätzen zu sorgen.
Velberter Verwaltung übt Kritik am Land
Angesichts des weiter kräftigen Anstiegs der Zahlen, kritisiert der Erste Beigeordnete, habe er kein Verständnis dafür, dass das Land bei der „Schaffung zusätzlicher und dringend notwendiger Plätze in Ersteinrichtungen“ nicht mehr leiste. „40.000 sollten es wohl schnellstmöglich sein.“
>>> Ausschuss tagt
Der Ausschuss für Soziales, Familie und Senioren tagt an diesem Donnerstag, 21. September, um 17 Uhr im Saal Velbert des Rathauses (Thomasstraße 1).
Auf seiner Tagesordnung stehen u. a. auch diese Themen: Senioren- und Pflegeplan Kreis Mettmann, Stärkungspakt NRW und Richtlinie „Soziale Förderung“.
Interessierte Bürgerinnen und Bürger sind zur Teilnahme an der öffentlichen Sitzung eingeladen.