Velbert. Die zuletzt dramatischen Prognosen sind im Bereich Flucht so nicht eingetroffen. Doch von Entspannung der Lage kann in Velbert keine Rede sein.
Der Platz für Flüchtlinge werde jetzt knapp, bei ihrer Unterbringung gehe es nun an die Reserven. So hieß es die beiden letzten Male. Die Fachverwaltung erstattet seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine regelmäßig Bericht über die „Entwicklung im Bereich Flucht“ in Velbert. So auch jetzt wieder im Ratsausschuss für Soziales, Familie und Senioren. Das vorweg: Die zuletzt zum Jahresende 2022 hin geäußerte Einschätzung, die Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge werde sich über den Winter deutlich erhöhen, ist so nicht eingetroffen. Und eine weitere Prognose ebenfalls nicht.
Allein 468 Menschen Velbert offiziell zugewiesen
„Spätestens bis Ende des ersten Quartals 2023 sind die rund 200 Plätze in der Reserve ausgeschöpft“, hatte nämlich Gerno Böll zuletzt gemutmaßt. Die „Hochrechnung“ des Fachdezernenten war allerdings keineswegs aus der Luft gegriffen, sondern basierte auf den bis dato vorliegenden Zahlen und Entwicklungen. Und von einer Entspannung der Situation kann tatsächlich nicht die Rede sein.
In Velbert leben über 760 ukrainische Staatsbürger
Zum Stand der Dinge: 2022 sind durch die Bezirksregierung Arnsberg 468 Menschen aus verschiedenen Ländern zugewiesen worden. Das reicht zwar auf den ersten Blick bei weitem nicht an den Höchststand aus 2015 von 833 heran, liegt jedoch sehr deutlich über den Zahlen der dazwischenliegenden Jahre, die von 94 bis 126 reichen (bzw. 305 in 2016), aber vor allem täuscht es gewaltig. Denn letztes Jahr sind über diese Zuweisung hinaus rund 500 Ukrainer angekommen. Momentan leben insgesamt 764 ukrainische Staatsangehörige in der Schlossstadt. Seit Januar gab es übrigens bisher – Stand diese Woche – lediglich 14 Zuweisungen unterschiedlicher Nationalitäten. Velberts Erfüllungsquote liegt derzeit über 94 Prozent.
NRW-Prognose umgemünzt
Die weitere Entwicklung der Zuweisungen bzw. Zuzüge? „Das ist nicht abschätzbar“, antwortet Jürgen Wosimski. Man habe lediglich eine NRW-Prognose für dieses Jahr, führt der Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste und Soziales weiter aus, die auf dem Verlauf der Antragszahlen seit 2005 fuße. Deren Ergebnis auf Velbert umgemünzt bedeute, dass der Stadt heuer noch etwa 235 Menschen zugewiesen würden.
Es gibt ständig Fluktuation
Nach Auskunft des Beigeordneten verfügt Velbert – ohne Turnhallen – noch über eine freie Kapazität für etwa 170 Personen. Das sei teils in freien Wohnungen, erklärt Böll, aber z. B. auch im Jugendgästehaus, wo man noch belegen könne, außerdem 80 Plätze in einem ehemaligen Bürogebäude in der Röbbeck. Ferner „in geringem Umfang“ noch in Unterkünften der Stadt. Allerdings könne man die Zahlen – also verfügbare Plätze und erwartbare Zuweisungen – nicht absolut nehmen, merkt Wosimski an: „Da ist ja immer auch Fluktuation drin.“ Ein Teil gehe in andere (Bundes-)Länder oder ziehe in andere Städte, und manche Ukrainer gingen auch wieder zurück in ihre Heimat.
Neuerdings auch Geld für Baumaßnahmen
So enttäuschend aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände kürzlich der so genannte Flüchtlingsgipfel in Berlin war, so positiv berichten sowohl Böll als auch Wosimski, dass sich der Austausch zwischen dem Land NRW und den zugehörigen Kommunen „deutlich verbessert“ habe. Düsseldorf habe viele Anregungen aufgenommen, und Integrationsministerin Josefine Paul sei auf allen Regionalkonferenzen gewesen. „Es gibt ja jetzt auch Geld für bauliche Maßnahmen“, berichtet der Fachbereichsleiter, „ein erster guter Schritt.“
Auf der Suche nach Bestandsimmobilien
„Wir sind froh, dass das Land jetzt regelmäßig einen Newsletter bereitstellt, u. a. mit den jeweils aktuellen Prognosen und Aufnahmen in den Ersteinrichtungen“, sagt der Dezernent. Er pocht aber weiterhin darauf, dass das Land „seine Zusage einhält und die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen erhöht“. Für Velbert sei das Thema einer solchen Landeseinrichtung mit 300 oder noch deutlich mehr Plätzen im Stadtgebiet „erst einmal vom Tisch“, heißt es im Rathaus. Das Land kapriziere sich bei seiner Suche nach Standorten und Optionen „bevorzugt auf Bestandsimmobilien“.
Immer nur Momentaufnahmen möglich
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Die Fachverwaltung betont, dass es keine echte Planungssicherheit gebe, sondern es sich stets eher um Momentaufnahmen handele. „Wir wissen z. B. aus der Vergangenheit, dass die Zahlen in der wärmeren Jahreszeit und den Sommermonaten eigentlich immer zunehmen“, erzählt Gerno Böll. Und lobt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Wobau. „Der Betrieb an der Hohlstraße läuft reibungslos, die Immobilie Heeger Straße ist in Bau.“ Man habe eigentlich den Standort Kuhler Straße vom Netz nehmen wollen, das wegen des Zustroms aber bislang noch nicht gekonnt: „Wir haben das weiter im Blick“, versichert er.
Grundschulen laufen voll
Zu den Maßnahmen zählen u. a. ein Belegungsmanagement, die Beibehaltung der Reserveunterkunft Turnhalle Fontanestraße, mittel- bis langfristig Bau oder Anmietung eines Komplexes analog der Unterkünfte Talstraße und ein permanentes Schülerzahlen-Monitoring: „An den Grundschulen wird’s richtig eng!“
>>> Zuweisung macht NRW-weit die Bezirksregierung Arnberg
Hierzulande müssen die rund 400 Städte und Gemeinden in NRW per Gesetz ausländische Flüchtlinge aufnehmen und unterbringen.
Die Zuweisung – dafür gibt es einen Verteilschlüssel – macht zentral die Bezirksregierung Arnsberg.
Existiert in einer Stadt bzw. Gemeinde eine Unterbringungseinrichtung des Landes, werden deren Plätze von der berechneten Aufnahmeverpflichtung abgezogen.