Velbert. In einer von der Flüchtlingshilfe organisierten Podiumsdiskussion ging es auch um die Frage, wie rassistisch das deutsche Rechtssystem ist.

Es sind drastische Fragen, die Dörte Frisch und ihr Team von der Flüchtlingshilfe Velbert in den Raum geworfen hatten, um sie bei einer Podiumsdiskussion beantworten zu lassen: „Sind Ukrainer Geflüchtete erster Klasse?“ Und danach: „Gerechte Ungerechtigkeit? Oder: Wie rassistisch ist das deutsche Rechtssystem?“

Um solche Fragen zu besprechen, braucht es Menschen, die wissen, wovon sie sprechen. Um kurz nach 18 Uhr also wagten sich die vier Gäste – denen niemand absprechen kann, dass sie wissen, wovon sie sprechen – samt WDR-Moderatorin Gina Niemeier an die Thematik des Abends.

Der Abend in Velbert startete mit einem langen Monolog

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Arian Schiffer-Nasserie, Professor für Politikwissenschaften und Sozialpolitik an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, startete in den Räumen des BBZ Altenkirchen mit einem langen Monolog, in dem er die Situation der Flüchtenden auf der Welt beschrieb und verschiedene Thesen aufstellte, von denen einige sehr gehaltvoll waren, andere wiederum weniger. Zurecht beklagte er etwa, dass Flüchtende in Deutschland oftmals lediglich im Niedriglohnsektor Arbeit fänden, obwohl ihre Qualifikation eigentlich andere Berufe ermöglichen würde.

Professor kritisierte „westliche Medien“

Prof. Dr. Arian Schiffer-Nasserie (Mitte) äußerte sich in Velbert wiederholt kritisch über „westliche Medien“.
Prof. Dr. Arian Schiffer-Nasserie (Mitte) äußerte sich in Velbert wiederholt kritisch über „westliche Medien“. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

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Dann aber zog Schiffer-Nasserie immer wieder über „westliche Medien“ her; welche er stattdessen konsumiert und was das überhaupt sein soll, ein Konglomerat „westlicher Medien“, ließ er unbeantwortet. Das ist in etwa so, als spräche man von „westlichen Professoren“ – die Vielfalt dieser heterogenen Gruppe fällt unter den Tisch.

Gast gab Einblicke in die Arbeit des Flüchtlingsrats

Ebenfalls zu Gast war Ali Ismailovski, der Einblicke in die Arbeit des Flüchtlingsrats NRW gab und von den Erfahrungen in seiner Aachener Heimat berichtete. Er klärte über die „miserable Situation“ der Sinti und Roma in der Ukraine auf und verwies auf die Probleme, die Mitglieder dieser Gruppe hätten, Schutz zu finden.

Moderatorin Gina Niemeier führte souverän durch die von der Flüchtlingshilfe Velbert organisierte Podiumsdiskussion.
Moderatorin Gina Niemeier führte souverän durch die von der Flüchtlingshilfe Velbert organisierte Podiumsdiskussion. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Für Dominik Hüging ist das gesamte Rechtssystem falsch konzipiert

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Da wagte sich der dritte Gast, Dominik Hüging von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA), zum ersten Mal konkret an die Beantwortung der eigentlichen Frage: „Es gab schon immer Geflüchtete zweiter Klasse: die Menschen aus sicheren Herkunftsländern. Die sind nun eben Geflüchtete dritter Klasse.“ Für ihn ist das gesamte Rechtssystem falsch konzipiert: „Man muss die Leute erst einmal nach Europa hereinlassen und dann die Schutzfrage klären.“ Die europäischen Außengrenz-Festungen seien zu hart.

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Flüchtlinge könnten „meine Freundinnen sein“

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Der vierte Gast, die Schriftstellerin Tatjana Kuschtewskaja, erklärte, den ukrainischen Geflüchteten schlage deshalb so viel Solidarität entgegen, weil sie hauptsächlich hochgebildete Frauen mit kleinen Kindern seien, während es sich etwa bei den geflüchteten Syrer meist um kräftige Männer zwischen 20 und 30 Jahren gehandelt habe. Dass die Identifikation mit ersterer Gruppe vielen Deutschen aber trotzdem leichter falle, räumte auch Moderatorin Niemeier ein („sie könnten meine Freundinnen sein“).

Die Besucher verfolgten die rund dreistündige Diskussion interessiert.
Die Besucher verfolgten die rund dreistündige Diskussion interessiert. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

In der Essenz waren sich die vier Diskutierenden einig

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Dass das aber nicht entscheidend für die Asyl-Bewilligung sein dürfe, einte die Gäste allerdings: Weder Bildung noch Geschlecht noch Alter noch Herkunft dürften für die seriöse Prüfung der Asyl-Anträge ausschlaggebend sein. Der präziseste Beitrag des Abends kam kurioserweise aus dem Publikum: Kurz und knapp legte eine Frau dar, wieso das deutsche Asyl-System mehr auf Abschreckung statt auf Schutz beruhe – Verschleppung und Bürokratie gewissermaßen als Strategie: „Hier ist es so kompliziert, es lohnt beinahe gar nicht, einen Asyl-Antrag zu stellen.“ Da brandete Applaus auf, in den selbst die Gäste auf der Bühne einstimmten.

Die Essenz des Abends klang da schon durch: Es gebe Geflüchtete erster, zweiter und dritter Klasse, aber selbst Geflüchteten erster Klasse würden oft zu viele Steine in den Weg gelegt werden – und das habe System.

>>> Weitere Podiumsdiskussionen

In Zukunft will die Flüchtlingshilfe noch mehr Podiumsdiskussionen dieser Art durchführen, es soll eine ganze Veranstaltungsreihe geben.

Die nächste Diskussion ist für Anfang September geplant. Sobald es genauere Informationen dazu gibt, lesen Sie das in Ihrer Velberter WAZ.