Langenberg. Nicht in allen Familien gibt es Frieden: Seit 75 Jahren kümmert sich die Stiftung Mary Ward in Velbert-Langenberg um Kinder, die Hilfe brauchen.

Ist es ein Anlass zur Freude oder doch auch ein Mahnmal, eine ständige Erinnerung daran, dass in Familien nicht immer alles so rund läuft, wie man sich das wünscht? Die Stiftung Mary Ward feiert nämlich am Wochenende 75-jähriges Bestehen – heißt: Seit einem Dreiviertel-Jahrhundert bietet die Einrichtung Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen an der Bökenbuschstraße ein Zuhause und versucht, sie fit für ein eigenständiges Leben zu machen.

„Für uns bedeutet das erst einmal Freude“, sagt Peter Huyeng, Leiter der Stiftung. „Denn wir leisten hier gute und wichtige Arbeit.“ Er wünsche sich aber, dass die Jugendhilfe im Allgemeinen „eine bessere Lobby bekommt.“

Die nämlich, habe er festgestellt, „fällt immer ein wenig hinten runter oder kommt erst viel später an die Reihe.“ Kitas oder inklusive Einrichtungen hätten es da wesentlich einfacher. „Über unsere Arbeit wird einfach ungern geredet, weil wir uns mit Problemfällen befassen.“

Stiftung Mary Ward in Velbert-Langenberg hilft Kindern und Jugendlichen

Dennoch: „Hilfe und Bildung“ verspricht das kleine Dorf am Hang des Bökenbuschs. Das Versprechen gilt rund 180 Kindern und Jugendlichen, die dort wohnen bzw. in der Kita und der OGS betreut werden. Betreut von Erziehern und Lehrern, Sozialarbeitern und Psychologen.

Nur die Eltern fehlen vielen. Die Kinder sind überwiegend von Mitarbeitenden des Jugendamtes aus kritischen Situationen in den Familien geholt und in die Betreuung der Mary-Ward-Stiftung gebracht worden.

Englische Ordensfrau gründet die Einrichtung 1948

Ein Blick zurück: „Haus Maria Frieden“ hieß die Einrichtung, als sie 1948 in einem neu gebauten Fachwerkhaus am Rand der Langenberger Altstadt auf Initiative der Ordensfrau Mary Ward errichtet wurde. Elternlose Flüchtlingskinder, die es nach Niederberg verschlagen hatte, wurden hier zuerst untergebracht und versorgt.

Präsent im Stadtbezirk: Die Stiftung Mary Ward beteiligt sich regelmäßig an Veranstaltungen oder Aktionen – so wie hier am Karnevalszug im März 2019.
Präsent im Stadtbezirk: Die Stiftung Mary Ward beteiligt sich regelmäßig an Veranstaltungen oder Aktionen – so wie hier am Karnevalszug im März 2019. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Hilfe und Bildung“ – für die Unterstützung sorgen die zahlreichen Mitarbeitenden auf dem Gelände, für die Bildung die Langenberger Schulen. „Die Kinder sollen nicht als Heimkinder diskreditiert werden,“ erläutert der Leiter der Einrichtung, Peter Huyeng. „Darum versuchen wir, sie einzeln und ohne Pulkbildung in unterschiedlichen Schulen und Klassen unterzubringen, ihnen ein Stück Normalität zu ermöglichen.“

Schwerpunkt ist dabei die Grundschule Kuhstraße, „aber auch mit allen anderen läuft die Zusammenarbeit gut und intensiv“, freut sich Stiftungsleiter Peter Huyeng. Was für die Schulen von Vorteil sei: „Wir sind gut erreichbar als Ansprechpartner.“

Ständige Anpassung – räumlich und konzeptionell

Durch Um- und Neubauten im Gelände der Stiftung passt sich die Einrichtung mit der Zeit auch räumlich den geänderten Anforderungen eines Kinder- und Jugendheims an. Da sind die Langzeitbewohner, deren Rückkehr „nach Hause“ auf absehbare Zeit nicht möglich ist. Andere Kinder sind nur für eine Übergangszeit am Bökenbusch und haben ihr eigenes Haus. Auch Frauen mit ihren meist noch sehr kleinen Kindern werden aufgenommen.

Neben der steten Entwicklung – nicht nur der Ausbau bei den Immobilien, auch die ständige Anpassung des Konzepts – sind zwei Ereignisse in der Geschichte der Stiftung Mary Ward hervorzuheben: Da wäre zum einen der verheerende Brand im Juli 1982, zum anderen der Übergang der Trägerschaft 2016.

Zwei Kinder sterben bei einem Großbrand

Tragödie: 1982 sterben bei einem Brand zwei Kinder.
Tragödie: 1982 sterben bei einem Brand zwei Kinder. © FUNKE Foto Services | Repro: Victor Gurov

Die Schulferien hatten in jenem Sommer vor 41 Jahren gerade begonnen. Viele Kinder saßen im Speisesaal beim Mittagessen. Die Jüngeren waren bereits zum Mittagsschlaf auf die oberen Zimmer gebracht worden. Um 13.13 Uhr alarmierte eine Mitarbeiterin die Anwesenden, ging noch davon aus, dass lediglich das Dachgeschoss in Flammen stand.

Leider aber brannte nicht nur das: Das Fachwerkhaus, 1948 errichtet, stand vom ersten Obergeschoss an in voller Ausdehnung in Flammen, wie der damalige Bericht der Feuerwehr dokumentiert. Für zwei Kinder, zwei und drei Jahre alt, kommt jede Hilfe zu spät. Sie sterben in dem Inferno.

Am Nachmittag stürzten Teile des Hauses zusammen. Das neue Kinderdorf befand sich zwar schon im Bau, war aber noch nicht bezugsfertig. Zum Glück durfte die Jugendherberge auf dem Hordtberg für fünf Monate die Schwestern und Kinder aufnehmen, zum Teil kamen sie bei Pflegeeltern unter. Bürger spendeten Bettwäsche, Kleidung, Spielzeug.

Trägerschaft wechselt im Januar 2016

Das „Haus Maria Frieden“ geht im Januar 2016 in neue Trägerschaft über: Künftig wird es nicht mehr von der „Congregatio Jesu“, sondern von der Stiftung Mary Ward getragen. Im Bild: Leiter Peter Huyeng und Schwester Sabine, Provinzoberin der Mitteleuropäischen Provinz der Congregatio Jesu.
Das „Haus Maria Frieden“ geht im Januar 2016 in neue Trägerschaft über: Künftig wird es nicht mehr von der „Congregatio Jesu“, sondern von der Stiftung Mary Ward getragen. Im Bild: Leiter Peter Huyeng und Schwester Sabine, Provinzoberin der Mitteleuropäischen Provinz der Congregatio Jesu. © WAZ FotoPool | Uwe Möller

Ein zweites wichtiges Datum ist der Januar 2016: In diesem Monat ging die Trägerschaft der vormals als „Haus Maria Frieden“ bekannten Einrichtung an die kirchlichen Stiftung „Mary Ward – Hilfe und Bildung für Kinder, Jugendliche, Familien und Menschen mit Behinderung“ über. Mehr als 60 Jahre lang hatten zuvor die Maria-Ward-Schwestern der „Congregatio Jesu“ die Einrichtung an der Bökenbuschstraße geleitet.

Nun also wird groß gefeiert: Am Samstag, 19. August, gibt es zwischen 11 und 15 Uhr rund um das Jahresprojekt „Ich bin wertvoll durch und durch“ ein Bühnenprogramm. Wer ausführlicher in die Geschichte der Einrichtung eintauchen will, findet auch eine Ausstellung zur Chronik. Eine besondere Einladung gilt allen Ehemaligen, die sich am Ehemaligen-Treff austauschen können.

>>>Kita gibt es seit 40 Jahren<<<

Nach dem Brand im Juli 1982 wird auch gleich eine Kindertagesstätte mit gebaut. Die, so berichtet es Stiftungsvorstand Peter Huyeng, habe es inoffiziell aber schon länger gegeben: Vorläufer sei eine Mutter-Kind-Gruppe gewesen.

Zwar hänge die Kita eng mit der Stiftung zusammen, „aber wir sind auch eine ganz normale Einrichtung für den Stadtteil“, sagt Peter Huyeng. So ergebe sich vor Ort eine ganz besondere Mischung – mit Kindern aus Langenberg und mit Kindern, die aus der Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Betreuung stammen.