Langenberg. Ein Mal pro Woche sind fünf Gymnasiastinnen zu Gast in der Stiftung Mary Ward und basteln mit Kindern. Ehrenamtlich. Warum sie das tun.

Draußen scheint die Sonne, es wird sommerlich, eigentlich der perfekte Tag, um viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Christa, Amy und Nina aber haben andere Pläne: Sie stürmen den Werkraum der Stiftung Mary Ward, schließlich können sie hier nun gut eine Stunde lang nach Herzenslust basteln.

„Guck mal, so kann man das machen“: Amélie (17/oben) ist eine von fünf Gymnasiastinnen, die derzeit den Kindern der Stiftung Mary Ward aus Velbert-Langenberg eine wöchentliche Bastelstunde anbietet.
„Guck mal, so kann man das machen“: Amélie (17/oben) ist eine von fünf Gymnasiastinnen, die derzeit den Kindern der Stiftung Mary Ward aus Velbert-Langenberg eine wöchentliche Bastelstunde anbietet. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

Angeleitet werden die – heute – drei Mädchen von fünf Gymnasiastinnen. Ida, Amélie, Juliana, Erza und Nele sind alle 17 Jahre alt, besuchen das Immanuel-Kant-Gymnasium in Heiligenhaus und fahren ein Mal in der Woche mit dem Bus nach Langenberg, um sich mit den Kindern aus dem Jugendhilfezentrum zu beschäftigen.

Schülerinnen und Schüler ins Ehrenamt bringen

Dahinter steckt der Verein „Be Strong for Kids“, der Schülerinnen und Schüler dazu motiviert, ehrenamtlich tätig zu werden – etwa im Seniorenheim mit Bewohnerinnen und Bewohnern zu backen. Oder eben bei der Stiftung Mary Ward mit Kinder zu basteln.

„Wir konnten uns frei aussuchen, was wir machen“, erzählt Amélie, während sie die Bastelmaterialien für die heutige Stunde auf dem Tisch ausbreitet. Die angehenden Abiturientinnen finden das Projekt gut, und auch der Weg nach Langenberg ist dem Quintett nicht zu weit.

„Es ist schön, wenn wir den Kindern hier etwas mitgeben können“, sagt Ida, „vor allem, weil die Kinder hier ja nicht gerade die schönste Kindheit haben.“

Die Kinder freuen sich über das Angebot der Abiturientinnen

Auch die drei Mädchen sind begeistert: „Wir können basteln und malen, ganz wie wir wollen“, sagt Amy, während sie eine braune Papiertüte mit einem großen „A“ für Amy und mehreren Aufklebern verziert. Und wofür sind die Tüten gedacht?

„Da kommt alles rein, was wir bis jetzt so alles gebastelt haben.“ Zum Beispiel Traumfänger oder Kartoffelstempel. Oder Sachen aus Salzteig, oder einen eigenen Kalender.

Die Bastelmaterialien bringen die Schülerinnen des Gymnasiums selber mit. Sie könnten sich sogar die Kosten erstatten lassen, „aber das ist ja nicht so viel, das ist uns nicht so wichtig“, sind sich die fünf einig.
Die Bastelmaterialien bringen die Schülerinnen des Gymnasiums selber mit. Sie könnten sich sogar die Kosten erstatten lassen, „aber das ist ja nicht so viel, das ist uns nicht so wichtig“, sind sich die fünf einig. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

„Die Ideen haben wir entweder selber oder wir holen uns Inspiration“, erzählt Erza, während sie Amy bunte Stifte anreicht. „Zum Beispiel bei Pinterest oder im Internet.“ Natürlich dürfen auch die Kinder eigene Ideen äußern. „Und wir schauen dann, was machbar ist.“

Das Material bringen die fünf Abiturientinnen selber mit. „Manches haben wir zu Hause, andere Sachen kaufen wir ein.“ Theoretisch könnten sie sich die Kosten sogar ersetzen lassen. „Aber das ist ja nicht so viel, was wir hier ausgeben, das ist für uns also nicht so wichtig.“

Ein Jahr lang begleiten die Schülerinnen das Projekt

Für ein Jahr ist das Projekt angesetzt, noch bis Oktober kommen die Schülerinnen vom Heiligenhauser Gymnasium regelmäßig nach Langenberg. Gut, finden das die fünf, denn so entstehe eine richtige Bindung zu den Kindern.

Ein Jahr lang dauert das Projekt und das ist gut, finden alle Beteiligten. Denn so entsteht zwischen den Kindern und den Schülerinnen eine echte Bindung – wie hier gut zu sehen: Erza lässt sich von einem der Mädchen, die an der wöchentlichen Bastelstunde teilnehmen, die Hand verzieren.
Ein Jahr lang dauert das Projekt und das ist gut, finden alle Beteiligten. Denn so entsteht zwischen den Kindern und den Schülerinnen eine echte Bindung – wie hier gut zu sehen: Erza lässt sich von einem der Mädchen, die an der wöchentlichen Bastelstunde teilnehmen, die Hand verzieren. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

Letztere ist tatsächlich gewachsen: Die Kinder aus der Stiftung Mary Ward kennen gegenüber den älteren Betreuerinnen keinerlei Scheu mehr, quatschen fröhlich und offen drauf los. Zum Beispiel über die eigenen Haustiere oder die Lieblingsfächer in der Schule und Berufswünsche.

Blick in die Zukunft

„Ich werde Vermessungstechnikerin“, posaunt Amy fröhlich heraus. Bitte was? Ja, erläutert die Grundschülerin ausführlich, eine Verwandte hätte diesen Beruf ergriffen. „Und das ist auch gar nicht schwer. Man muss sich nur mit Zahlen auskennen.“ Ist Amy denn gut in Mathe? „Klar“, kommt die prompte Antwort.

Für Ida, Erza, Juliana, Amélie und Nele wiederum ist die Schule bald vorbei. Und dann? Vielleicht ein Studium oder eine Ausbildung im sozialen Bereich? „Ich weiß noch nicht“, sagt Ida, „aber ich finde es schon wichtig, Kindern zu helfen und sie zu unterstützen.“ Sie wolle daher in Zukunft auch weiterhin „solche Projekte“ unterstützen – auch wenn es sie beruflich vielleicht doch in eine andere Richtung verschlägt.

>>>Kommentar – von Sascha Döring

„Die Jugend von heute“ – diesen Satz hat wohl so ziemlich jeder schon einmal gehört oder vielleicht sogar selber gesagt. Und immer wieder heißt es: Die interessiert sich nur für sich selbst, ist faul und will nichts leisten. Natürlich ist das Quatsch, denn die Klage ist so alt, wie die Menschheit. „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ ist etwa bereits um 3000 vor Christus auf einer Tontafel der Sumerer zu lesen.

Und es ist auch deshalb Quatsch, weil es genug Gegenbeispiele gibt. Eines davon sind die fünf Mädchen vom Gymnasium Heiligenhaus, die sich freiwillig und ehrenamtlich nach der Schule engagieren. Ebenso wie zahlreiche Mitschülerinnen und Mitschüler, die derzeit ebenfalls über den Verein „Be Strong“ in anderen Einrichtungen unterwegs sind. Und das nicht nur einmalig, sondern über ein Jahr. Jede Woche. Auch in so manchem Sportverein steigt die Zahl der Jugendlichen, die sich ins Vereinsleben einbringen, sei es als Trainer(-Assistent) oder als Schiedsrichterin. Alle kommen sie aus der gleichen Altersgruppe, alle sind zwischen 15 und 18 Jahren alt. Vielleicht also ist die heutige Jugend ja doch gar nicht so schrecklich, wie manch älterer Zeitgenosse gerne behauptet.