Velbert. Bei WKW und Erbslöh in Velbert-Neviges machen Gerüchte über eine mögliche Verlagerung der Produktion ins Ausland die Runde.
Am WKW- bzw. Erbslöh-Standort in Velbert-Neviges gibt es derzeit fast nur ein Thema: Gibt es Pläne, die Produktion – oder Teile davon – ins Ausland zu verlagern? Gleich mehrere Mitarbeitende des Automobilzulieferers haben sich in den vergangenen Tagen in der WAZ-Redaktion gemeldet, von ihren Sorgen und Ängsten berichtet. Grund dafür sind Aussagen, die der neue – erst Anfang Januar angetretene – Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Braun gegenüber dem Betriebsrat und später auch gegenüber der IG Metall getätigt haben soll. In diesen Äußerungen soll es, so berichten es Mitarbeitende, um eine Verlagerung der Produktion mit mehr als 1000 Beschäftigten in so genannte „Billiglohnländer“ gegangen sein.
Auf Anfrage der WAZ bestätigt der Betriebsrat der WKW AG, dass es im Antrittsgespräch mit Braun um dieses Thema gegangen sei – ohne dass es dabei konkret geworden sei. Weil man die Aussagen nicht habe einordnen können, habe man Hakan Civelek als Geschäftsführer der IG Metall in Velbert eingeschaltet und gebeten, das Gespräch mit dem neuen Vorstandschef zu suchen.
Gespräch zwischen IG Metall Velbert und dem neuen WKW-Vorstandschef
Ja – dieses Gespräch habe es dann gegeben – und es sei darin „ab der ersten Minute“ um das Thema „Verlagerung“ gegangen, sagt Civelek auf Nachfrage. So habe der Vorstandsvorsitzende – laut Civelek – beispielsweise ausgeführt, dass es aus seiner Sicht ein „Missverhältnis bei der Anzahl der Beschäftigten zwischen deutschen und ausländischen Standorten“ gebe – und dass man dieses umdrehen müsse. Sogar Prozentsätze seien gefallen, berichtet der Gewerkschafter weiter: 80 Prozent der Arbeitsplätze im Ausland, 20 Prozent in Deutschland. So schwebe es dem Vorstandsvorsitzenden vor, berichtet Civelek. Weiter soll Braun ausgeführt haben, dass nach seiner Vorstellung nur das Hauptquartier und ein Kompetenzzentrum in Deutschland bleiben sollen – die Produktion hingegen in Länder mit niedrigeren Löhnen verlegt werden solle.
WKW spricht von „Nonsens“ und einer „Fehlinformation“
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Auf die in der Belegschaft kursierenden Diskussionen angesprochen, sagt Unternehmenssprecherin Monika Kocks: „Die Aussage, die Produktion ganz oder teilweise verlegen zu wollen, ist von Dr. Braun niemals getätigt worden.“ Das werde von der IG Metall Velbert kolportiert und handele sich komplett um „Nonsens – eine absolute Fehlinformation“, so Kocks weiter. Es sei nichts an diesem Gerücht dran. „Der Standort Velbert wird nicht geschlossen, es ist nicht geplant, Mitarbeiter zu entlassen.“ WKW.automotive sei weiterhin in einer finanziell schwierigen Situation – „aber wir tun derzeit alles dafür, um diese zu überstehen und mit aller Kraft nach vorne zu schauen.“ Möglicherweise wolle die IG Metall, sagt Kocks, Ängste schüren, um so neue Mitglieder zu gewinnen.
An ein „Missverständnis“ will die Gewerkschaft nicht glauben
„Was für ein Blödsinn“, kontert Hakan Civelek. Im Gegenteil könnte er sich sogar vorstellen, „dass Mitglieder, die durch den vor zwei Jahren geschlossenen Transformationsvertrag auf viel Geld verzichten, sauer auf uns als Gewerkschaft sind, wenn der Arbeitgeber dann direkt nach Ablauf des Vertrages – Ende 2024 – über eine Verlagerung von Arbeitsplätzen nachdenkt“. Über konkrete Pläne habe Braun in der Tat nicht gesprochen – und Civelek glaubt auch, dass es diese aktuell noch nicht gibt. „Aber dass alles ein großes Missverständnis war, die es der Vorstand nun versucht, darzustellen, glaube ich eben auch nicht“, so Civelek.
So reagieren die Betriebsräte der WKW AG und von Erbslöh Aluminium
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„Es ist schon ein starkes Stück, dass Herr Dr. Braun erst auf unterschiedlichen Ebenen von Verlagerung spricht und jetzt, weil es Unruhe und Unmut gibt, dies als falschverstandenes Missverständnis relativiert. Wir stehen hinter unserer Gewerkschaft und fordern ein Standortgarantie bis 2028. Und wenn es nur ein Missverständnis war, dann dürfte eine Standortgarantie ja kein Problem darstellen“, sagt Tarifkommissionsmitglied und Betriebsratsvorsitzender der WKW AG, Andreas Althaus.
Gleiches fordert auch Vassilios Athanassiou, Betriebsratsvorsitzender der Erbslöh Aluminium GmbH. Er appelliert an den Vorstand, sich mit den Vertretern der IG Metall an einen Tisch zu setzen, um in einem offenen und konstruktiven Gespräch gemeinsam Lösungen zu finden.
Betriebsrat spricht von Skandal und fühlt sich hinters Licht geführt
„Wir haben vor zwei Jahren in dem Glauben dem Transformationstarifvertrag zugestimmt, damit in unser Werk in Neviges kräftig investiert wird. Nun soll perspektivisch verlagert werden. Da fühlt man sich schon hinters Licht geführt. Letztendlich finanzieren wir mit unserem Beschäftigtenbeitrag die Verlagerung und unsere eigene Abfindung. Das ist ein Skandal“, sagt Spiridon Grammozis, Tarifkommissionsmitglied und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der WKW AG.
„Bei uns im Werk arbeiten Familien in der dritten bzw. vierten Generation. Wir haben immer 100 Prozent gegeben uns jetzt sollen wir unseren Kopf für die Managementfehlentscheidungen der letzten Jahre hinhalten. Das ist unfair. Als dreifacher Familienvater stehe ich vor dem Abgrund“, sagt Tarifkommissionsmitglied Memet Daskin. „Wir sind in Neviges eine große Familie und wir wollen auch eine bleiben“, ergänzt Tarifkommissionsmitglied Udo Lange.
>>> Transformationstarifvertrag
Vor zwei Jahren hatten sich IG Metall und der Vorstand der WKW-Gruppe auf einen Transformationstarifvertrag verständigt.
Dieser sieht unter anderem vor, dass Mitarbeitende entweder auf die Hälfte von Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten oder aber mehr arbeiten, ohne dies ausgezahlt zu bekommen.
Zudem beinhaltet der Vertrag,dass bei einem Tarifabschluss – egal, wie hoch dieser ausfällt – die Löhne der Beschäftigten nur um 0,5 Prozent steigen.
Laut Civelek verzichten die Beschäftigten so auf 60 Millionen Euro.