Langenberg. Von Osten her rückten im April 1945 amerikanische Truppen auf Velbert und Langenberg vor. Die Einheiten gehörten zum so genannten Ruhrkessel.
Über Stüter und das Deilbachtal kamen sie, die amerikanischen Truppen. An diesem 16. April 1945 rückten die Truppen an der Südflanke des Ruhrkessels vor. „In Elfringhausen, in der Nähe vom Marienhof, fanden schon mehrere Kämpfe statt“, berichtet Peter Dettling, damals ein kleiner Junge, der gemeinsam mit Bernhard Vetter zahlreiche Zeitzeugen befragt und die Antworten niedergeschrieben hat.
Die Amerikaner, das waren Teile der 8. Infanterie Division und der 13. Panzerdivision, wie Lokalhistoriker Jürgen Lohbeck recherchiert hat und in seinem Buch „Der Krieg vor unserer Haustür“ darlegt. In der Einsatzchronik des Combat Command „R“ (CC„R“) heißt es zum dem Vormarsch auf Langenberg lapidar: „Am folgenden Tag wurden bei nur sporadischem Widerstand beträchtliche Gewinne gemacht“, und weiter: „Einige feindliche Panzer stellten vorübergehend eine Bedrohung dar, doch während des Tages wurde nur eine verteidigte Straßensperre vorgefunden. Die Städte Wülfrath, Neviges, Langenberg und Nierenhof wurden eingenommen.“
Ortsgruppenleiter stachelt Hitlerjungen an
Für Langenberg allerdings hatte der „sporadische Widerstand“ aber erhebliche Folgen. Bernhard Vetter erinnert sich: „Die Amerikaner kamen aus Nierenhof in Richtung Bahnhof. Dort lag ein Hitlerjunge mit einer Panzerfaust und schoss auf den ersten Panzer, den er sah.“ Peter Dettling spricht sogar von drei Hitlerjungen. Beide, Vetter und Dettling, sind sich aber einig, dass die Jugendlichen vom Ortsgruppenleiter derart aufgestachelt worden waren, dass sie sich in den aussichtslosen Kampf gestürzt hatten.
Der Junge bezahlte seinen Beschuss mit dem Leben, denn die Panzer feuerten zurück, der Jugendliche erlitt schwere Verletzungen und starb später in einem der zahlreichen Lazarette in Langenberg, berichtet Peter Dettling. „Danach haben die Amerikaner kehrt gemacht und sich zurückgezogen“, erzählt Bernhard Vetter.
Artilleriegranaten treffen das Stadtzentrum
Aus Richtung Elfringhausen nahm dann etwas später Artillerie das Langenberger Stadtzentrum unter Feuer. Die Zeitzeugen, mit denen Peter Dettling gesprochen hat, sprechen von vielen Todesopfern, besonders die Hauptstraße bekam schwere Treffer ab. „Langenberg war Lazarettstadt“, erinnert sich Bernhard Vetter, unter anderem im Bürgerhaus und am Wewersbusch seien welche gewesen. „Und solche Städte sind normalerweise nicht beschossen worden.“
Aber weil eben der Ortsgruppenleiter die jungen Männer „so verrückt gemacht hat“, hätten die geschossen und so die Antwort der Amerikaner provoziert. „Die sind ja kein Risiko eingegangen. Wenn die angegriffen wurden, haben die lieber massiv geantwortet“, erinnert sich Vetter.
Zeitungen berichten nicht über den Vormarsch
Der Status als Lazarettstadt ist allerdings nicht gesichert. Stadtarchivar Christoph Schotten schreibt dazu: „Gleichzeitig bemühten sich hohe Militärs, die mit zahlreichen Verwundeten belegte Gemeinde Langenberg zur Lazarettstadt erklären zu lassen.“ Interessant ist auch, dass lokale Zeitungen wie „Die Heimat am Mittag“ – die letzte Ausgabe erschien am 11. April 1945 – nicht über den Vormarsch der Alliierten berichtet hatten.
Bernhard Vetter selbst hat den Einmarsch der Amerikaner in Langenberg vor allem vom Keller aus mitbekommen. „Da waren wir, vier Kinder und meine Mutter, ja die meiste Zeit.“ Den ganzen Abend und die halbe Nacht seien die Fahrzeuge die Wilhelmshöher Straße hinauf gefahren.
Den Tod des Freundes miterlebt
Dort oben, auf dem Nieding, hätten fünf Granatwerfer gestanden. Die Erinnerung daran ist bei Bernhard Vetter noch stark präsent, schließlich ist sein „Freund und Spielkamerad Ludi Benkert“ dort ums Leben gekommen. „Wir waren öfter da oben, die Dinger haben wohl Richtung Essen gefeuert“, erzählt der 85-Jährige. Denn dort habe es auch Pferde gegeben, „die haben mich besonders interessiert. Aber Ludi wollte die Granatwerfer sehen.“
Ein Splitter eines Rohrkrepierers habe den damals Zehnjährigen eines Tages am Kopf getroffen, auch ein deutscher Soldat kam bei dem Unfall ums Leben. „Ludis Großvater hat seinen Enkel dann auf dem Handkarren nach Hause geholt“, erzählt Vetter und die Trauer ist im auch heute, 75 Jahre danach, noch anzumerken. „Sie können sich nicht vorstellen, wie das für einen Zehnjährigen ist“, erzählt er weiter. „Ich habe nächtelang nicht geschlafen.“
Gefangene mit Soldaten verwechselt
Solch tragische Geschichten gab es mehrere rund um den 15. April. Wie Peter Dettling in Erfahrung gebracht hat, trafen die Truppen bei ihrem Vormarsch in Bonsfeld auf französische Gefangene, die dort im großen Saal des Schützenhofs untergebracht gewesen seien. Die Gefangenen seien begeistert auf die Straße gelaufen, um ihre Befreier zu begrüßen. Irrtümlich hätten die Amerikaner die Männer aber für versprengte deutsche Truppen gehalten und gefeuert. „Dabei wurden mehrere Franzosen getötet.“
In den Unterlagen der amerikanischen Truppen ist dieser Vorfall nicht verzeichnet. Im Einsatzbericht des 45. Panzerbattalions heißt es allerdings: „Unsere Marschspitze wurde bei der Einfahrt in die Stadt von einer großen Gruppe Displaced Persons stürmisch begrüßt, die aus einem großen Lager gekommen waren.“
Krieg endete für Langenberg im April
Ob es sich dabei allerdings um den Vorfall in Langenberg handelt oder eine andere Begebenheit in den Tagen der Einnahme von Langenberg, Neviges und Velbert gemeint ist, ist aus dem Bericht nicht ganz ersichtlich.
Für Langenberg jedenfalls endete der Zweite Weltkrieg an jenem 16. April 1945. Gut drei Wochen später, am 8. Mai 1945, unterzeichnete das Oberkommando der Wehrmacht die Kapitulation.
Neviges wird hart getroffen
Einen Tag nach Langenberg nahmen die Amerikaner auch Neviges und Velbert ein. Für Neviges war dieser letzte Kriegstag ein tragischer: Die deutschen Truppen feuerten aus Geschützbatterien rund um Tönisheide auf die anrückenden Truppen, besonders die Panzer sollten bekämpft werden.
Die Antwort der Amerikaner bestand – so steht es in „Velbert - Geschichte dreier Städte“, herausgegeben vom Bergischen Geschichtsverein – „in einem massiven Artilleriebeschuss des Stadtzentrums von Neviges in der Nacht vom 15. auf den 16. April“. 44 Menschen kamen dabei ums Leben.
In den amerikanischen Quellen ist diese Episode nicht explizit erwähnt. Im Einsatzbericht des 497. gepanzerten Feldartillerie-Battalions ist zu lesen: „Am 15. und 16. April stießen wir weiter nach Süden, dabei hielten wir, schossen ein paar Salven, hielten wieder, und immer so weiter.“ Und: „In diesen Tagen war der deutsche Widerstand sehr unregelmäßig. Manche ergaben sich zu tausenden, andere kämpften so lange, wie es irgendwie ging.“