Velbert. Die Bodendenkmalpfleger haben den Bunker jetzt mit allerlei Ausrüstungsgegenständen ausgestattet. Und auch außen gibt es Neues zu entdecken.
Hunderte Nachtscheinanlagen ließen die Nazis im Zweiten Weltkrieg in Deutschland bauen, sie sollten die alliierten Bomber von kriegswichtiger Industrie und Infrastruktureinrichtungen ablenken. Die Kruppsche Nachscheinanlage auf dem Rottberg ist etwas ganz Besonderes, da sie im Gegensatz zu den anderen relativ gut erhalten ist. Ein Team von ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern kümmert sich um die Anlage und hat sie in den vergangenen Jahren zu einem kleinen Museum ausgebaut.
Nur der Bunker blieb stehen
Anfang 2012 entdeckten die Hobby-Forscher die Reste der Anlage, die von Anwohnern nach dem Krieg beinahe restlos verwertet, sprich abgerissen wurde. Nur der massive Leitbunker blieb stehen. Diese Bunkeranlage ist in Deutschland damit einer der ganz wenigen Überreste einer solchen Scheinanlage überhaupt, weshalb sie historisch nahezu einzigartig ist und im September 2013 unter Denkmalschutz gestellt wurde. In dem Bunker, den die Forscher zu besonderen Gelegenheiten wie am Tag des offenen Denkmals zugänglich machen, haben die Denkmalpfleger einige der Überreste ausgestellt, die sie im Gelände gefunden hatten, so original Schienen der Bahn, die auf dem Gelände herumfuhr.
Ausstattungsgegenstände wurden angeschafft
Mit viel Liebe zum Detail wurden zeitgenössische Telefone angeschafft, wie sie einst auch in dem Bunker gestanden haben werden. Auch die Schalttafel des Bunkers haben die Forscher rekonstruiert mit Originalschaltern von Krupp aus der Zeit. Genaue Bauanleitungen dieser Scheinanlagen sind in den Archiven erhalten geblieben. Mit einem kleinen Zuschuss des Denkmalamtes konnte auch die Tür des Notausgangs originalgetreu rekonstruiert werden.
Nach zeitgenössischen Plänen
Auch außen hat sich in den letzten Jahren Einiges getan. So wurde eine Schein-Signalrakete nach zeitgenössischen Plänen wieder aufgebaut. Ein Teil ist echt, stammt von einem Bodenfund aus Bayern. Diese Raketen wurden abgefeuert, um die alliierten Bomber zu irritieren.
Sheddach-Anlage nachgebaut
Neu ist auch der Nachbau einer Sheddach-Attrappe, von diesen standen 500 bis 600 auf dem Areal am Rottberg. Durch eine raffinierte Beleuchtung der Attrappe wurde der Eindruck erweckt, dass das Innere der Fabrik beleuchtet und die Produktion in vollem Gange sei. Die Täuschung durch die Scheinanlage funktionierte so lange, bis die Amerikaner in den Krieg eintraten. Denn während die englischen Bomber nur nachts flogen, kamen die US-amerikanischen auch bei Tag und somit wurde die Nachtscheinanlage überflüssig und geriet in Vergessenheit, bis die Bodendenkmalforscher sie 2012 wieder entdeckten.
Vortäuschung gefährdeter Anlagen
Vor allem im Zweiten Weltkrieg versuchten sich die Kriegsparteien wegen der zunehmenden Luftangriffe durch Vortäuschung von gefährdeten Anlagen wie Bahnhöfen, Flugplätzen oder Industrieanlagen zu schützen. Auch die Positionierung von Scheinschiffen z. B. vor den Küsten des Ärmelkanals, ist bekannt.
Tagesscheinanlagen waren aufwändig und daher eher selten. Im Deutschen Reich experimentierte man seit 1937 auf zwei Versuchsgeländen in Hamm in Westfalen und in Pausin im Kreis Nauen mit der Entwicklung von Täuschungsgeräten. Die Ergebnisse mündeten in den „Bau- und Betriebsgrundsätzen für Scheinanlagen“ des Reichsluftfahrtministeriums vom November 1942. Darin wurden neben den topographischen Bedingungen zur Errichtung einer Scheinanlage auch die Bauanleitungen von 21 Täuschungsgeräten veröffentlicht. Durch die Entwicklung des Radars und die damit verbesserte Zielführung wurden in der Mitte des Zweiten Weltkriegs viele Scheinanlagen wirkungslos.
800 Besucher an einem Tag
Seitdem hat sich die Einzigartigkeit herumgesprochen. „Beim Tag des offenen Denkmals hatten wird 800 Leute hier auf der Anlage“, berichtet Jürgen Lohbeck, einer der Bodendenkmalpfleger mit einer ganzen Portion Stolz. Erstmals nahm die Anlage im September auch an der Neanderland Museumsnacht teil. In zwei Gruppen wurden die Menschen über das abgelegene Gelände geführt.
Aus der gesamten Bundesrepublik
Die Interessierten kommen mittlerweile aus der gesamten Bundesrepublik auf das Gelände am Rottberg, berichtet Wolfgang Erley, auch er Bodendenkmalpfleger. Und letztens war, so berichtet Jürgen Lohbeck, einer dabei, ein Spanier, der hat zu Beginn der 60-er Jahres des vergangenen Jahrhunderts mit seiner Familie, insgesamt sechs Personen, in dem ehemaligen Leitbunker gewohnt – ohne fließend Wasser und Heizung.