Oberhausen. Die Sozialdaten sind durchschnittlich, die Zahl der AfD-Wähler überdurchschnittlich. Beim Stadtteil-Check erhält Borbeck aber gute Noten.
Der Stadtteil Borbeck schneidet in unserem Stadtteil-Check verblüffend gut ab: Die dort lebenden Oberhausener geben der Lebensqualität in ihrem Stadtteil die Schulnote 1,98. Borbeck erobert damit Platz 4 nach Königshardt (Note: 1,45), Walsumer Mark (1,67) und Schmachtendorf (1,72) in der Gesamtbewertung.
Die Ur-Borbeckerin Ulrike Ottersbach überrascht die hervorragende Benotung keineswegs. Vier Jahre wohnte die heute 60-Jährige nicht in Borbeck, sondern an der Essener Straße. „Ich hatte während dieser Zeit immer Heimweh nach Borbeck“, sagt sie. Schließlich zog sie zurück. „Auch viele andere Leute, die irgendwann mal weggezogen sind, kommen wieder hierher.“
Durchschnittliche Sozialdaten
Dabei ist in Borbeck nicht alles eitel Sonnenschein: Die Sozialdaten des Stadtteils sind im Gegensatz zum best benoteten Oberhausener Norden nur durchschnittlich. Nicht selten haben Borbecker das Gefühl, dass sie am Rande der Stadt, eingekeilt zwischen Autobahnen, Kanal, Eisenbahn und Gewerbegebieten, auch mal schnell von der Stadtpolitik vergessen werden. Das Baustellen-Wirrwarr mit schwacher Infopolitik des Rathauses ist für die Bürger dort ein negatives Beispiel. Ein gewisser Unmut der Borbecker zeigt sich auch daran, dass die AfD bei der Landtagswahl 2017 in Borbeck nach Lirich-Nord (16,1 Prozent) ihr bestes Wahlergebnis aller Stadtteile mit 14,7 Prozent (Gesamtstadt: 11,0 Prozent) holte.
Und doch, spricht man mit Bürgern vor Ort, zeigt sich: Ja, Borbeck ist ganz besonders. Denn ausgerechnet die auffällige Insel-Lage macht’s. Im Westen der Gehölzgarten Ripshorst, im Norden der Rhein-Herne-Kanal, im Süden die Güterzuglinie. Und den Ostrand prägt vor allem das weitgehend grüne Grenzgebiet zu Bottrop: Die Borbecker sind ein eigenes Völkchen mit eigener Oberhausener Identität. Ihr Borbeck nennen sie „unser Dorf“ – und wer an einem strahlend sonnigen Sommertag über die Einbleckstraße spaziert (wenn nicht gerade mal wieder Baustelle angesagt ist), kann diesem Empfinden nachspüren. Überraschend still und idyllisch ist es hier. Man kennt sich, man grüßt sich. Und manchmal hört man wirklich nur den Sommerwind und die zwitschernden Vögel.
Die besondere Borbecker Lage
Renate Glombitza als Vorsitzende des Bürgervereins Oberhausen-Borbeck kennt dieses Stadtteil-Feeling bestens. Und sie bringt die Besonderheit der Borbecker Lage so auf den Punkt: „Man muss nach Borbeck wollen, sonst fährt man nicht nach Borbeck.“
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Seit 2005 kümmert sich der Bürgerverein engagiert um die Borbecker Interessen. Damals galt es, für eine neue Ripshorster Brücke über die Bahnlinie zu sorgen, nachdem die alte Überführung abgerissen worden war. Der Bürgerverein hatte Erfolg. Jetzt wäre es aus Sicht von Renate Glombitza und Ulrike Ottersbach allerdings sinnvoll, wenn auch wieder ein Linienbus über diese Brücke fahren und Borbeck direkt an den Bereich Hausmannsfeld anbinden würde.
Umfrage ergibt ein gutes Stimmungsbild
Die Umfragen „Stadtteil-Check“ liefern ausdrücklich keine repräsentativen Ergebnisse, weil die Teilnehmer nicht gezielt nach sozio-demografischen Merkmalen ausgewählt wurden, sondern selbst nach Aufrufen über ihre Teilnahme entschieden haben. Die Umfrage-Resultate geben die subjektive Meinung wieder.
Aber: „Der Stadtteilcheck liefert wegen der sehr großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild“, sagt Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin. „Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde.“
Die berücksichtigten Teilnehmerzahlen reichen von 50 (Brücktorviertel) bis 337 (Alstaden). Eine Ausnahme bilden Vondern und Vonderort. Dort hatten zu wenige Leser (16 und 5) teilgenommen, gleichwohl geben wir die Benotungen in den Übersichten der Vollständigkeit halber an. Die Umfrage fand im Februar 2020 statt – die Auswertung wurde wegen der Corona-Pandemie auf das zweite Halbjahr 2020 verschoben.
Vor 2005 war das der Fall. Und da sind wir auch schon beim Thema Nahverkehr, wo Borbeck beim Stadtteil-Check nicht so gut abgeschnitten hat. Vielleicht liegt’s ja an der fehlenden Anbindung Richtung Hausmannsfeld. Um mit dem Linienbus 957 nach Alt-Oberhausen zu kommen, müssen die Borbecker als Stoag-Passagiere derzeit jedenfalls den „Umweg“ über die Neue Mitte nehmen.
Eine Zensur schlechter als der Stadtdurchschnitt gab’s auch beim Thema Einkaufen. Das können Renate Glombitza und Ulrike Ottersbach nicht ganz nachvollziehen. „Wir haben hier ja zum Glück den Markant-Markt an der Einbleckstraße!“ Insofern sei der Stadtteil gut versorgt.
Neuer Park mit viel Bewegung
Borbeck hat in jüngster Zeit durchaus Positives mit stadtweiter Beachtung zu verzeichnen: An der Ankerstraße entsteht – pünktlich zum Jubiläum von SuS 21 Oberhausen im Jahr 2021 – ein neuer Bewegungs- und Begegnungspark. Neben dem Sportplatz mit Kunstrasen soll es auch Beachvolleyballplätze, Fitness-Geräte, Liegewiesen und Grillplätze geben. Sogar an eine Rollator-Übungsstrecke ist gedacht – eine alles in allem äußerst wichtige 1,1-Millionen-Euro-Investition für den Stadtosten. Auch für ihren Schulstandort haben die Borbecker tapfer und erfolgreich gekämpft.
Allerdings gab es auch Rückschläge – gerade in jüngerer Zeit: Das Aus für St. Judas Thaddäus als katholische Kirche ist für den Stadtteil ein schmerzlicher Vorgang; die Katholiken teilen sich nun das Gemeindezentrum an der Quellstraße mit der evangelischen Nachbargemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede.
Und dann gibt es immer wieder die vielen Baustellen mit Sperrungen und Umleitungen in Borbeck, oft im direkten Grenzbereich zu Essen. Da fühlen sich die Borbecker meistens schlecht informiert und arg benachteiligt. Zuletzt sorgte die angeblich vorübergehende Tieferlegung der Straße unterhalb der Bahnbrücke Ripshorster Straße/Unterbruch für viel Frust. Borbeck muss infolge der Maßnahme für mindestens ein Jahr wohl mehr Lkw- und Einsatzwagenverkehr verkraften – im Interesse der Nachbarstadt Essen. Zudem ist nun die Straße Unterbruch abgebunden.
Der Stadtteil der beiden Weltstars
Schillerndes Borbeck: 1966 drehten hier Romy Schneider und Michel Piccoli den Film „Schornstein Nr. 4“. Das Melodram schildert den verzweifelten Kampf einer verheirateten Frau um ihr uneheliches Kind.
Archivfotos von den Dreharbeiten zeigen Romy Schneider auf dem Gelände des heutigen Seniorenparks, aber auch in den Straßen Buschkämpen und Unterbruch.
Eine Ur-Borbeckerin wie Ulrike Ottersbach möchte gleichwohl nicht mehr weg aus ihrem Sehnsuchts-Heimatstadtteil mit Insel-Effekt: „Man kennt hier jeden, man trifft sich hier und da – man fühlt sich in Borbeck einfach zuhause.“
Hier können Sie die Ergebnisse aller Stadtteile im Überblick lesen.
14 Fragen an Lesern für den Stadtteil-Check
Im Februar 2020 haben wir Leserinnen und Leser aufgefordert, 14 Fragen zu beantworten. Mitgemacht haben 3490 Leserinnen und Leser aus Oberhausen. Sie beantworteten mindestens zehn der 14 Fragen, die folgendermaßen lauteten:
In welchem Stadtteil leben Sie?
Wie beurteilen Sie die Sicherheit in Ihrem Stadtteil?
Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil?
Wie beurteilen Sie die Sauberkeit in Ihrem Stadtteil?
Wie bewerten Sie den Nahverkehr in Ihrem Stadtteil?
An die Autofahrer: Wie ist die Parkplatzsituation in Ihrem Stadtteil?
Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung in Ihrem Stadtteil?
Wie beurteilen Sie die Seniorenfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil?
Vergeben Sie eine Schulnote für die Kinderfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil.
Vergeben Sie eine Schulnote für die Einkaufsmöglichkeiten in Ihrem Stadtteil.
Wie ist das gastronomische Angebot in Ihrem Stadtteil?
Wie beurteilen Sie das Freizeit- und Naherholungsangebot in Ihrem Stadtteil?
Vergeben Sie eine Schulnote für das Gemeinschaftsgefühl in Ihrem Stadtteil.
Wie gerne leben Sie in Ihrem Stadtteil? Welche Gesamtnote geben Sie Ihrem Stadtteil?