Oberhausen. Die Deutsche Bahn AG plant, die Güterbahnstrecke Betuwe auch im Abschnitt Oberhausen-Sterkrade bis Dinslaken auszubauen. Anwohner erhalten Lärmschutz und ein besseres Sicherheitskonzept – der Fall von Tanja und Peter Wolters zeigt, wie nötig das ist: Sie leben wenige Meter neben den Gleisen.

Und dann muss Peter Wolters mitten im Satz eine Pause machen. Keine zwei Meter vom Gartenzaun entfernt, an dem Peter Wolters über Bahnlärm sprechen will, donnert ein schwerer Güterzug über die nahen Schienen. Der Boden vibriert, der Krach füllt den Garten der Wolters mit gewaltiger Kraft randvoll, dass das ungeübte Ohr schmerzt. Peter Wolters zieht an seiner Zigarette. Als der Güterzug in der Ferne kleiner wird, sagt er: „Wenn der Zug kommt, ist Werbung.“ Wie im Fernsehen – das Programm wird unterbrochen.

Seit 13 Jahren leben Peter und seine Frau Tanja in ihrem Haus an den Gleisen. Sie wohnen in der Dunkelschlag-Siedlung an jener Strecke, die die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren ausbauen will. 1,5 Milliarden Euro soll es kosten, die Betuwe-Linie zwischen Oberhausen und Emmerich zur Hochleistungsstrecke zu erweitern. Ein drittes Gleis wird gebaut, Erschütterungsschutz ist geplant, bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände sollen Anwohner abschirmen – eine vier Meter hohe Wand wird am Grundstück von Peter und Tanja Wolters stehen.

Pläne liegen aus

Der Ausbau der Betuwe-Strecke ist in zwölf Abschnitte unterteilt. Planungsunterlagen zum sieben Kilometer langen Sterkrader Abschnitt liegen ab Montag, 3. Februar, im Technischen Rathaus, Bahnhofstraße 66, öffentlich aus. Anwohner und Bürger können sie bis zum 3. März im Raum 232 einsehen: mo bis fr, 8.30 bis 12 Uhr; mo bis mi, 14 bis 16 Uhr; do, 14 bis 18 Uhr.

Betroffene können bis 17. März bei der Bezirksregierung, Am Bonneshof 35 (Düsseldorf), oder der Stadt Oberhausen, Fachbereich 5-6-10, Bahnhofstr. 66, schriftlich oder zur Niederschrift Einwände erheben.

Die Sonne scheint im gepflegten Garten. Ein Windrad dreht sich im Beet, der Rasen ist getrimmt, die Laube mit dem Schild „Peters Hüttenzauber“ aufgeräumt. Im Sommer spielt sich das Leben der Familie im Garten ab, das war schon früher so, als Tanja Wolters Mutter hier noch wohnte. Nun kommen Wolters Enkel zum Spielen – auch wenn alle paar Minuten ein Zug am Garten vorbeiprescht. Zwischen Haus und Gleisen liegen nur wenige Meter.

Mörtel bröselt aus der Fassade

„Als wir das Haus vor 13 Jahren gekauft haben, war der Zugverkehr noch nicht so schlimm“, sagt Peter Wolters. Jetzt sei es so, als sei das dritte Gleis schon gebaut. „Es wird immer mehr, einige der Güterzüge scheppern richtig.“ Nachts quietschen Bremsen, morgens fegen die Wolters Mörtel vor dem Haus zusammen, der durch die Erschütterungen aus der denkmalgeschützten Backsteinfassade bröselt.

Schallschutz

Schallabsorbierende Lärmschutzwände von mehr als zehn Kilometern Länge sollen rechts und links der auszubauenden Betuwe-Güterbahnstrecke am Sterkrader Abschnitt errichtet werden. Ausgespart ist, das zeigte eine Grafik dieser Zeitung, die Deponie Hühnerheide nördlich der Gleise.

Südlich der Gleise ist hingegen eine Lärmschutzwand geplant – zwischen vier und drei Meter wird sie hoch sein, um Anwohner der dortigen Siedlung vor zu erwartendem Krach zu schützen.

Trotz des Lärms, Drecks und Gestanks mancher Güterzüge – „Wegziehen werden wir nicht“, sagt Tanja Wolters. „Ich fühle mich hier wohl“ – auch wenn, so ihr Mann, er das Haus unter heutigen Bedingungen nicht kaufen würde. Das resolute Paar macht das Beste aus Umständen, die es nicht ändern kann: Als im Sommer die Gleise saniert wurden, boten die Wolters den Arbeitern kalte Getränke an.

Mit dem Betuwe-Ausbau wird sich die Situation des Paares wohl verbessern – nicht nur mit einer Lärmschutzwand. Die Wolters haben die Bahn nach der Bürgerversammlung im Januar angeschrieben und innerhalb von nur drei Tagen, loben sie, erfahren, dass sie mit dem Bahnausbau Anrecht auf spezielle Lärmschutz-Fenster haben.

Bis dahin müssen die Wolters aber mit dem Baustellendreck leben, wenn die Bahn nach 2015 an diesem Streckenabschnitt zu arbeiten beginnt. Sorge, dass der gepflegte Garten an den Gleisen als Baustraße genutzt wird, hat die Bahn aus der Welt geschafft. Ein Teil des Gartens ist zwar Bahn-Grundstück, das Peter Wolters gegen kleines Geld angemietet hat: „Die Bahn benötigt das Grundstück aber nicht als Baustraße.“

Initiative fordert mehr Lärmschutz 

Besserer Lärmschutz und ein besseres Sicherheitskonzept, das sind zentrale Forderungen der Bürgerinitiative (BI) „Betuwe - so nicht“. In der Kritik steht der sogenannte Schienenbonus und ein aus Sicht der Feuerwehren nur unzureichendes Sicherheitskonzept.

Laut Schienenbonus darf Zugverkehr lauter sein als Straßenverkehr – Grenzwerte für Lärmschutzmaßnahmen sind weniger strikt; bisher zumindest, denn den Eisenbahn-Bonus soll es ab 2015 nicht mehr geben. Der Sterkrader Betuwe-Abschnitt ist aber mit dem Bonus geplant, obwohl der Bau erst nach 2015 beginnt.

Manfred Flore, Sprecher der BI, kritisiert das scharf: „Betuwe ist die erste neu zu bauende Güterbahnstrecke seit Kriegsende. Eine moderne Hochleistungsstrecke braucht modernen Lärmschutz.“

Auch Gefahrgut wird transportiert

Ein Großteil der Güterzüge, die künftig die Betuwe-Strecke nutzen, wird zudem Gefahrgut transportieren. Weil die Lärmschutzwände über weite Teile die Strecke komplett umschließen, sind rechtlich Türen für Feuerwehren vorgesehen – aber nicht genug, meint Flore: „Die Deutsche Bahn darf sich bei diesem gewaltigen Vorhaben nicht auf uralte Sicherheitsrichtlinien berufen. Damit werden wir Bürger uns nicht zufrieden geben.“

Unterstützung bekommt er unter anderem von Grünen-Fraktionssprecherin Regina Wittmann, die bei einer Bürgerversammlung im Januar sagte: „Bei Betuwe hat die Bahn die Chance, ein Vorzeigeobjekt zu schaffen.“