Oberhausen. Im Norden der Stadt Oberhausen wird die Hochleistungs-Güterbahnstrecke Betuwe auf sieben Kilometern ausgebaut. Rund 40.000 Bürger sind von den Baumaßnahmen betroffen. Doch nur etwa 300 Betroffene kamen am Mittwochabend zu einer Infoversammlung der Bahntochter “DB Projekt-Bau GmbH“.

Wohl kaum eine Baumaßnahme wird den Straßenverkehr, das Stadtbild und das Leben in Oberhausen so massiv beeinflussen wie der von der Bahn AG geplante Ausbau der neuen Hochleistungs-Güterbahnstrecke Betuwe ab Ende 2015. Bei einer Infoversammlung am Mittwochabend hat die Bahntochter „DB Projekt-Bau GmbH“ zum Start der Bürgerbeteiligung über ihre Vorhaben in Sterkrade gesprochen. 300 Betroffene kamen – mit Fragen zum Lärmschutz.

In zwölf Abschnitten plant die Deutsche Bahn (DB) im Auftrag des Bundes den Ausbau der Güterbahnlinie für 1,5 Milliarden Euro, um mehr Transportverkehr auf die Schiene zu bringen.

Strecke in zwei Abschnitte aufgeteilt

Betuwe gehört zum wichtigsten Schienenkorridor Europas, der die Häfen Rotterdam und Genua verbindet. Die Strecke teilt sich in Oberhausen in zwei Abschnitte auf – vom Hauptbahnhof bis Sterkrade und von dort bis zur Stadtgrenze Dinslaken. Der zweite Abschnitt, dessen Beteiligungsverfahren jetzt beginnt, führt sieben Kilometer durch den Norden der Stadt. Etwa 40.000 Bürger sind betroffen.

Ab 3. Februar

Die Pläne der DB Projektbau GmbH für den Sterkrader Betuwe-Abschnitt sind noch nicht in Stein gemeißelt. Anwohner, die Stadt oder Naturschutzverbände können Einwände und Verbesserungsvorschläge machen. „Es ist auch Bürgerpflicht, sich zu informieren“, sagt Projektleiter Stefan Ventzke.

Startschuss des Beteiligungsverfahrens war die Bürgerversammlung am Mittwoch. Ab dem 3. Februar liegen dann 21 Ordner zum Sterkrader Abschnitt mit Plänen und Gutachten im Technischen Rathaus aus. Eine Studentin wird beim Lesen der Pläne und Heraussuchen der Unterlagen helfen. Die Unterlagen liegen vier Wochen aus, bis zum 3. März. Bis zwei Wochen nach der Offenlage, am 17. März, müssen Bürger ihre Einwände schriftlich formuliert und an die Kommune oder die Bezirksregierung geschickt haben. Einwendungen, die direkt an die DB gehen, sind unwirksam. Zwei bis drei Monate bleiben der Stadtverwaltung für Stellungnahmen. Die DB muss die Vorschläge und Stellungnahmen prüfen, es gibt einen öffentlichen Erörterungstermin, anschließend nimmt die Bezirksregierung nochmals Stellung. Erst dann folgt der Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahnbundesamt. Wenn innerhalb eines Monats dagegen nicht geklagt wird, besteht Baurecht. Der Prozess dauert im Schnitt zwei Jahre – bei Klagen deutlich länger.

Weit mehr als nur das immer wieder genannte dritte Gleis werde in Sterkrade gebaut, sagt DB-Projektleiter Stefan Ventzke: „Dieser Abschnitt ist einer der komplexesten.“ Auf weiten Teilen zwischen Sterkrade und Holten plant die Bahn ihre alten Gleise komplett zu ersetzen, zum Teil sollen zwei neue Gleise beidseitig der bestehenden Strecke verlegt werden. Lärmschutzwände von vier bis sechs Metern Höhe säumen bald nach derzeitigem Plan fast durchgängig die Strecke. Der Bahnhof Sterkrade wird – zum Jubel vieler – generalüberholt.

Autobahnbrücke wird abgerissen

Für Kopfschütteln bei der Bürgerversammlung sorgte die Nachricht, dass die Autobahnbrücke an der Weseler Straße abgerissen und neu gebaut wird. Bisher hieß es, dass die Brücke stehen bleibe.

Die Diskussion drehte sich auch um geplante Unterführungen, Schallschutz an Güterwagen und an der Strecke sowie das Sicherheitskonzept. Denn mit dem Ausbau wird sich der Güterzugverkehr auf der Strecke laut Eisenbahnbundesamts verdoppeln: 346 Personen- und Güterzüge könnten ab 2015 tagsüber die Strecke nutzen – viele mit Gefahrengut.

Losgehen könnten ersten Arbeiten Ende 2015 – auch in Oberhausen. Im Abschnitt am Hbf werden die Brücken über Emscher und Kanal erneuert. Die Bauzeit wird mit rund sechs Jahren angegeben - bei laufendem Betrieb

Das plant die Bahn konkret 

Die Deutsche Bahn plant den Ausbau der Betuwe-Güterbahnstrecke in zwölf Abschnitten. Oberhausen-Sterkrade ist der Abschnitt 2 – er beginnt an der Eichenstraße, etwa auf Höhe der Ausfahrt OB-Eisenheim von der A 516, und erstreckt sich bis zur Stadtgrenze Dinslaken auf sieben Kilometern. Das sind zentrale Punkte nach aktueller Planung.

Bahnhöfe

Der Bahnhof Sterkrade wird komplett umgepflügt. Die Bahn plant, zwei neue Mittelbahnsteige anzulegen. Das heißt: Der Bahnhof wird auf vier Gleise und ein fünftes Güterbahngleis ausgebaut. Rechts und links verlaufen Lärmschutzwände von sechs bis vier Metern. Von der Straße „Ostrampe“, Ecke Friedrichstraße aus kommt man – anders als bisher – nach derzeitiger Planung nicht mehr an die Gleise.

Pendler müssen künftig über eine komplett neu zu bauende Unterführung, Treppen oder Aufzüge zu den Gleisen. Wie die Unterführung aussieht, ist noch nicht bekannt. Das Eckhaus an der Neugahlener Straße, in dem die beliebte Kneipe „Yesterday“ zu finden ist, wird für den Umbau allerdings abgerissen.

Am Bahnhof Holten werden beide Bahnsteige erneuert und barrierefrei gestaltet. Die Stadt baut parallel am Bahnhof einen Kreisverkehr und Pendlerparkplätze.

Brücken

Die DB-Brücke an der Weierstraße wird neu gebaut. Auch die Autobahnbrücke an der Weseler Straße muss – entgegen bisheriger Äußerungen der DB – neu gebaut werden. Sie ist nicht breit genug für das dritte Gleis. Erweitert, aber nicht neu gebaut, wird die Unterführung „Schmachtendorfer Straße“.

Bahnübergänge

Derzeit kreuzt die Betuwe-Strecke im Stadtgebiet an fünf Stellen Oberhausener Straßen. Bis auf den seltener genutzten Übergang an der Eichestraße werden alle anderen geschlossen.

Computer wackelt mit jedem Güterzug

Zwei Stunden waren für die Bürgerversammlung zum Start des Beteiligungsverfahrens am Sterkrader Betuwe-Abschnitt angesetzt - sie reichten nicht ganz: Mit vielen Fragen und Sorgen traten Anwohner an die Bahn heran.

„Mein Computer wackelt bei jedem vorbeifahrenden Güterzug, so heftig sind die Erschütterungen“, sagte eine Sterkraderin. DB-Projektleiter Stefan Ventzke erwiderte: Die Bahn wird auf der sieben Kilometer langen Strecke die Schwellen mit einem isolierenden Material besohlen, das die Erschütterungen verringern soll.

Peter Wolters ist Anwohner des Dunkelschlag-Viertels: „Unser Haus steht 20 Meter vor den Gleisen. Wir hören jeden Zug und merken die Erschütterungen.“

Höhere Schwelle beim Lärmschutz

Manfred Flore, Sprecher der Betuwe-Bürgerinitiative, stimmte ein kurzes, aber heftiges Wortgefecht mit DB-Mann Ventzke zum Thema „Schienenbonus“ an. Nach diesem ist die Schwelle für Lärmschutz bei Zuglärm höher als bei Straßenlärm. Bahnen dürfen also lauter sein. Betuwe wird mit dem Schienenbonus gebaut – obwohl er 2015 für Eisenbahnen wegfällt. Flore: „Sie glauben doch nicht, dass die Bürger dafür Verständnis haben. Betuwe ist ein einmaliges Bauvorhaben. Es muss nach modernen Standards gebaut werden.“

Anwohner forderten auch, statt der Schallwände sollten Güterwagen erneuert werden. Von Zügen mit „Museumsreife“ sprach ein Anwohner der Neugahlener Straße. Ventzke erklärte, dass die Bahntochter DB Schenker Rail ihre Güterzüge saniere. „Es fahren aber nicht nur DB-Züge auf der Strecke.“

Das fehlende Sicherheitsgefühl in den geplanten Fußgängerunterführungen am Bahnhof Sterkrade und an der Hühnerstraße sprach ein Barmingholtener an. Die Unterführungen per Video zu überwachsen, wurde vorgeschlagen.

Das heißt: Der Bahnübergang Rosastraße wird mit jenem an der Rothoffstraße zusammengelegt. Der Übergang an der Weseler Straße wird für Autos und Fußgänger aufgegeben. Um Ersatz für den Verkehr zu schaffen, plant die Stadt Oberhausen aber eine neue Straße zu bauen. Sie soll etwa auf Höhe der Bahnbrücke an der Weierstraße in Richtung Holten abgehen und nach der A3-Brücke auf die Weseler Straße stoßen.

Der darauf folgende Bahnübergang an der Sternstraße wird ebenfalls für Pkw geschlossen. Radfahrer und Fußgänger erhalten aber eine neue Überführung, die sich 2,50 Meter über die Gleise streckt. Auch der Übergang an der Hühnerstraße wird für Pkw gesperrt. Für Radler und Läufer ist eine etwa drei Meter hohe, 20 Meter lange und vier Meter breite Unterführung unter den Bahngleisen geplant.

Lärmschutz

Auf den sieben Kilometern werden 10,6 Kilometer schallabsorbierende Lärmschutzwände gebaut – rechts und links der Strecke durchs Stadtgebiet hindurch. Ausgespart ist der Bereich neben der ehemaligen Deponie Hühnerheide in Schmachtendorf sowie etwa auf Höhe der Weierstraße in Richtung Gewerbepark.

Die Lärmschutzwände sollen zwischen vier und sechs Metern hoch sein. Zusätzlich haben rund 2700 Haushalte Anspruch auf passiven Schallschutz – etwa neue Fenster, die die DB in den Häusern einbauen lassen würde.