Oberhausen. Ayse Bayram hat wegen ihrer Sehbehinderung viele Absagen bekommen: Im Rewe-Markt Kox bekam sie eine Chance. Sie ist glücklich und der Betrieb überaus zufrieden. Geschäftsführer Willi Kox: „Sie ist einfach ein Glücksgriff und eine Bereicherung für uns.“

Regale einräumen, kassieren und Waren sortieren: Für Ayse Bayram sind die alltäglichen Aufgaben im Rewe-Supermarkt Kox an der Dudelerstraße mit großen Hoffnungen verbunden. Denn die 25-Jährige, die seit ihrer Geburt an Albinismus und einer damit einhergehenden Sehbehinderung leidet, fand trotz mehrerer Praktika und berufsvorbereitender Maßnahmen keine Ausbildungsstelle. Doch sie hat nie aufgegeben und gekämpft. Seit vergangenem Jahr absolviert Bayram in dem Familienbetrieb eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau – mit der Aussicht, übernommen zu werden.

Ayse Bayram hat es endlich geschafft. Nach zwei Jahren, die sich wie eine Achterbahnfahrt anfühlten: „Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich übernommen werde, kam die Absage – das war wirklich sehr schlimm für mich“, erzählt sie. Denn trotz einer Fachoberschulreife hatte die ehrgeizige junge Frau große Probleme, einen Ausbildungsplatz zu finden – war sogar sechs Monate arbeitslos. „Viele Stellen werden zwar für Behinderte ausgeschrieben, trotzdem erhält man eine Absage nach der anderen.“ Ihre starke Kurzsichtigkeit, gerade mal 50 Prozent kann sie noch sehen, schreckten viele Arbeitgeber ab, obwohl die Einschränkung im Berufsalltag für sie keine große Beeinträchtigung bedeute.

Erste Arbeitstage waren Herausforderung

So blieb ihr nichts anderes übrig, als eine einjährige berufsvorbereitende Maßnahme bei der Deutschen Angestellten Akademie zu absolvieren. „In dem Jahr machte ich zwei Praktika im Einzelhandel, doch übernommen wurde ich nicht – die ganzen Anstrengungen waren umsonst.“ Auch mithilfe eines Einstiegqualifizierungsjahres durch die hiesige Arbeitsagentur schaffte sie es nicht auf den Arbeitsmarkt: „Kurz vor Vertragsabschluss wurde mir gesagt, dass ich an der Kasse zu hektisch und nervös sei.“

Manchmal fand sie es zum Verzweifeln, wusste nicht mehr weiter. Doch nach all den Enttäuschungen ist Bayram nun umso glücklicher, dass sie dank der Aktion „100 zusätzliche Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche und junge Erwachsene“ des Berufsförderungswerkes Oberhausen (BFW) im Januar 2013 eine Ausbildungsstelle zur Einzelhandelskauffrau bei Rewe Kox fand:„Die ersten Arbeitstage waren schon eine Herausforderung, denn viele Abläufe waren neu für mich.“

„Ein Glücksgriff für uns“

Aber mit Hilfe der Kollegen und viel Feingefühl steigerte sich Bayram: „Wir haben mit einfachen Aufgaben angefangen, wie Regale einräumen, haben Schritt für Schritt gearbeitet und vieles wiederholt. Wichtig ist vor allem, Probleme offen anzusprechen, dafür nehmen wir uns die Zeit“, sagt Willi Kox, Geschäftsführer des Rewe-Marktes. Für den Notfall hat Bayram eine kleine Lupe in der Kitteltasche: „Wenn das Verfallsdatum sehr klein gedruckt ist, muss ich manchmal auf das Hilfsmittel zurückgreifen.“ Das Kassieren hingegen gelingt ihr reibungslos: „Anfangs haben wir das geübt, wenn hier wenig los war. Denn einige Produkte sind mit Etiketten ausgezeichnet und können nicht eingescannt werden.“ Bayram ist von der Ausbildung in dem Supermarkt mehr als begeistert: „Ich bin hier super aufgenommen worden, die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich komme wirklich gerne hier hin.“

Seit 14 Jahren werden in dem Familienbetrieb Menschen mit einem Handicap erfolgreich ausgebildet. „Wir wollen auch behinderten Menschen die Möglichkeit bieten, sich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Und damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Alle 30 dieser Azubis haben die Ausbildung mit sehr guten Abschlüssen beendet, niemand sei gescheitert. Auch Bayram, die zweimal wöchentlich das Hans-Böckler-Berufskolleg besucht, gehört zu den Klassenbesten. Kox: „Sie ist einfach ein Glücksgriff und eine Bereicherung für uns.“

Muslimin legte ihr Kopftuch für Lehrstelle ab

Einsatzübung bei REWE

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Auch Sabine Lauer, Projektkoordinatorin vom BFW, bestätigt: „Hier sieht man, dass Inklusion funktionieren kann. Wir brauchen viel mehr solcher Arbeitgeber.“ Unterstützung bietet das BFW, sei es bei Lehrbüchern, Arbeitskleidung oder Fahrtkosten. „Wir bieten auch Förderunterricht an, wenn es bei der theoretischen Ausbildung Defizite gibt“, so Lauer. Die Ausbildungsvergütung übernimmt die Arbeitsagentur. „Ich habe also keine große Belastung - ganz im Gegenteil“, sagt Kox. Vielmehr gewinne er eine zuverlässige und engagierte Mitarbeiterin: „Mittlerweile ist sie voll integriert, erledigt alle Aufgaben ohne Hilfe – selbst auf ihre Lupe verzichtet sie. Großartig umstellen mussten wir uns überhaupt nicht.“ Die Muslimin hat für die Lehrstelle sogar ihr Kopftuch abgelegt. „Ich bin einfach nur froh, dass ich trotz meines Handicaps doch noch meine Traumausbildung gefunden habe.“

Auch wenn Kox sich noch nicht festlegen will, wie es nach der Ausbildung weitergehen wird, sieht er gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das bestätigt auch die sozialpädagogische Begleitern des BFW, Yasmina Masri: „Frau Bayram kann dann eine abgeschlossene Ausbildung nachweisen und hat somit eine Perspektive.“